Vorsicht bei der Routenplanung per Internet
Nach tödlichem Absturz in den Berchtesgadener Alpen: Wie zuverlässig sind Wander-Apps?
Wander-Apps sind ein zeitgemäßer Begleiter bei Touren und deren Planung. Doch blindlings sollte man ihnen nicht folgen. Erst am letzten Wochenende (12. August) ist am Hohen Laafeld ein Wanderer tödlich verunglückt, weil er vermutlich auf sein Smartphone vertraute. Worauf man unbedingt achten muss.
Schönau am Königssee/Berchtesgaden - Ein 34-jähriger Mann aus Siegen (Nordrhein-Westfalen) hatte sich am 12. August auf der Gotzenalm eingemietet. An diesem Tag plante er, zum Hohen Laafeld aufzusteigen. Jedoch existiert für diesen Gipfel kein offizieller Weg. Beim Abstieg in dem weglosen Gelände dürfte der Wanderer ausgerutscht und dann über die Felsen mindestens 150 Meter abgestürzt sein. Dabei zog er sich tödliche Kopfverletzungen zu. Die Polizei erklärt, dass der Mann vermutlich einem in verschiedenen Handy-App-Karten eingezeichneten Weg gefolgt ist, der in Wirklichkeit nicht existiert.
Wie kommen falsche Wegmarkierungen zustande?
Von der Gotzenalm aus gibt es zwei nicht markierte und unbeschilderte Aufstiegsrouten, die nur schwer zu finden sind. Eine führt über einen rutschigen und steilen Grashang, während die andere ohne Kletterhilfen durch die Felsabstürze der Roten Wände leitet. Mehrere Wander-Apps zeigen diese beiden gefährlichen Wege an. Doch warum sind solche Routen auf den Apps zu finden? Beliebte und von der Stiftung Warentest als „gut“ bewertete App-Anbieter wie Komoot und Outdooractive nutzen – zumindest in ihrer freien Basisversion – OpenStreetMap als Kartenmaterial. Das Problem: In die quelloffene Karte kann jeder einfach Wege einzeichnen.
Was ist OpenStreetMap?
OpenStreetMap ist ein freies Projekt (Open Source), das Geodaten sammelt und in einer zugänglichen Datenbank speichert. Diese Daten können für Landkarten und Anwendungen wie Navigationssoftware genutzt werden - und zwar ohne Lizenzbeschränkungen. Die gesammelten Daten dürfen für die Erstellung von sowohl freien als auch kommerziellen Landkarten verwendet werden.
„Den Steig zum Hohen Laafeld gab es früher wohl einmal, jetzt aber nicht mehr“, erklärt Daniel Hrassky, Pressesprecher der DAV Sektion Berchtesgaden. Die wahrscheinlich von sehr versierten Bergsteigern eingetragenen Pfade wurde jedoch nicht weiter bearbeitet, geprüft und gelöscht. Gibt man die Route von der Gotzenalm zum Hohen Laafeld in verschiedenen Wander-Apps ein, erscheint auch jedes Mal der Weg über die Roten Wände, über die der Wanderer abgestürzt ist. Zwar wird die Passage vereinzelt als möglicherweise gefährliches Gelände ausgewiesen, doch so manch einer überschätzt sich am Berg und folgt dann einfach weiter der App.
„Wenn ich zum Beispiel eine Kompass-Wanderkarte nehme, da sind die offiziellen Wege rot markiert“, sagt Franz Meier von der Bergwacht Chiemgau. „Das ist klar erkenntlich auf der Karte. Wenn ich jetzt etwa eine von Komoot nehme, da sind alle Wege schwarz gestrichelt oder gepunktet. Es ist dort nicht erkennbar, ob es sich um einen offiziellen Wanderweg handelt oder ob das ein kleiner Steig ist, den jemand mal gegangen ist und den er dann in die Karte eingetragen hat.“ Das Gebiet, in dem der Wanderer abgestürzt ist, hält Meier ohnehin für kritisch. „Da sind viele Berge, die keinen offiziellen Zugang haben. Zum Beispiel auf den Fagstein gegenüber gibt es auch keinen Weg.“ Zudem täusche das Gelände immer wieder. „Die Absturzstelle schaut von oben relativ flach aus, aber es ist doch recht steil. Von oben kann man die Steilheit oft nicht erkennen und dann ist es schon zu spät und man kommt nicht mehr zurück.“
Die Bezahlversionen der Apps verwenden oft andere Karten
Hrassky bestätigt, dass auch die beliebte Alpenvereinaktiv-App in der Basisversion OpenStreetMap verwendet. Anders sähe es bei der Pro-Version aus, die kostenpflichtig ist: „Dort sind die Alpenvereinskarten sowie die topografischen Karten vom Bayerischen Landesamt hinterlegt. Da kann man auch den Alpenvereinswegen hinterher gehen. Wege werden hier entsprechend redaktionell bearbeitet und gelöscht, wenn sie nicht mehr da sind.“
Nicht blind der App vertrauen
Auch wenn Wander-Apps ein zeitgemäßes Hilfsmittel sind, solle man nicht jeder angezeigten Route blind folgen, sondern auch den gesunden Menschenverstand einsetzen, so Hrassky. „Das Sinnvollste ist, sich nicht einfach auf solche Apps zu verlassen. Wenn ein Weg eingezeichnet ist, wo offensichtlich kein Weg ist, dann muss man umdrehen und darf nicht weitergehen. Wichtig ist der kritische Abgleich während der Tour.“
Hrassky verweist auch auf die Wandertipps des DAV. Hierbei geht es um die richtige Vorbereitung, Ausrüstung, Selbsteinschätzung und Rücksicht auf das Wetter und die Umwelt. Wenn man allein im Gebirge unterwegs ist, „muss jemand wissen, wo ich bin. Ich muss Bescheid sagen, wann ich wieder zurück sein will. Ich muss das Wetter nachschauen und was besonders wichtig ist: rechtzeitig umdrehen, wenn ich merke, dass in der App ein Fehler ist.“
Auch Meier verweist auf eine gute Vorbereitung in Bezug auf die Wetterlage. „Da werden die Leute immer mutiger. Man schaut jetzt auf den Regenradar. Früher hat man gesagt: An dem Tag regnet es. Heute kann man genau sagen, wann, aber das stimmt eben auch nicht immer.“
Nicht vergessen sollte man zudem, dass eine Wander-App viel Akku frisst. Es lohnt sich daher immer, noch eine analoge Wanderkarte oder einen Wanderführer bei sich zu haben, sollte das Smartphone keinen Empfang haben, ausgehen oder beschädigt werden.
„Überall, wo ich selbst einen Eintrag machen kann, ist es schwierig. Das muss man hinterfragen. Der eine hält es für einen leichten Steig, für den anderen ist er aber nicht begehbar“, so Meiers Fazit zu den Apps. Am besten sei daher die Verwendung von offiziellen Karten und gedruckten Wanderführern: „Die sind von Leuten gemacht, die das können.“
Falsche Informationen im Internet führten schon mehrfach zu Rettungsaktionen
Immer wieder kommt es vor, dass Menschen sich im Internet über eine Tour informieren und dann vor Ort vor Problemen stehen. Im April hatte sich eine fünfköpfige Familie am Hochkalter verstiegen, als sie auf einem Abkürzer zur Blaueinhütte den Weg verloren hatte. Der alte Steig war nicht als solcher erkennbar. Im November 2022 geriet ein usbekischer Student aus Wien am Hochstaufen in Bergnot. Nach einer Internet-Recherche hatte der junge Mann den Gipfel als einen malerischen Aussichtspunkt ausgemacht. Er begann morgens bei trockenem und zeitweise sonnigem Wetter seine Wanderung. Mit steigender Höhe, bedingt durch den bis zu 20 Zentimeter hohen Neuschnee der vorherigen Tage, verlor er im alpinen Gelände den Wegverlauf und musste von der Bergwacht in einer fünfstündigen Aktion gerettet werden.
Die größte Rettungsaktion Voralbergs fand Im Juni 2022 statt. Dort musste eine deutsche Gruppe von 99 Schülern und acht Begleitpersonen gerettet werden. Die Lehrkräfte hatten die Route zuvor im Internet ausgesucht. Der Pfad erwies sich jedoch als bedeutend gefährlicher als beschrieben. Rund 70 Mitglieder der Gruppe wurden mithilfe von Helikoptern gerettet, während die anderen von Bergrettern begleitet den Abstieg antraten. Zwei Schüler erlitten leichte Verletzungen. Die Aktion kostete rund 18.000 Euro.
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