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Fraktionsreigen sollte Verteilung ändern

Rolle rückwärts in Reichenhall: FWG behält nun doch zweiten Ausschuss-Sitz

Das Alte Rathaus in Bad Reichenhall
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Das Alte Rathaus in Bad Reichenhall

Der Fraktionsreigen von Julia und Markus Schmied im Reichenhaller Stadtrat sollte sich eigentlich auch auf die Sitzverteilung in den Ausschüssen auswirken. Demnach würden die Freien Wähler einen Sitz verlieren und die Bürgerliste einen dazu gewinnen. Doch nach einer heißen Diskussion kam es ganz anders.

Bad Reichenhall – Zu Beginn der Stadtratssitzung am Dienstagabend (30. Januar) sah es noch so aus, als würde die Freie Wähler Gemeinschaft (FWG) einen Ausschusssitz an die Bürgerliste Reichenhall (BLR) verlieren. Doch der Beschlussvorschlag zur Neuberechnung der Ausschusssitze wurde mit 16 gegen sechs Stimmen mehrheitlich abgelehnt.

Zum Hintergrund des Fraktionsreigens

Der Stadtrat hatte im vergangenen Oktober nach heftiger Diskussion die Wiedereinführung des Finanz- sowie des Haupt- und Tourismusausschusses beschlossen. Fast zeitgleich trat die Grünen-Stadträtin Dr. Pia Heberer von ihrem Amt zurück. Ihr Nachfolger auf der Liste war Markus Schmied, der sich allerdings nicht mehr mit der Partei identifiziert und daher anfangs fraktions- und parteilos im Stadtrat saß. Seine Frau Julia Schmied hatte die Grünen-Fraktion schon zuvor verlassen und war aus der Partei ausgetreten. Die Folge: Die Grünen mussten sich mit der SPD zu einer neuen Fraktion formieren. Doch damit nicht genug. Ende des Jahres verkündete das Ehepaar Schmied, der Fraktion der Bürgerliste beizutreten. Dies sollte der Bürgerliste auch einen Sitz mehr in den Ausschüssen bescheren.

Stadtverwaltung hält Fraktionsbeitritt für anerkennbar

„Die Stadtverwaltung hat zunächst keinen Anlass gesehen, an der Ernstlichkeit des Willens zum Fraktionsbeitritt zu zweifeln und eine Neuberechnung der Ausschusssitze unter den sich dann ergebenden Bedingungen vorgenommen“, hieß es am Dienstagabend von der Verwaltung. Demnach würde die FWG einen Sitz im Bau-, Finanz- und Hauptausschuss verlieren und die BLR dafür einen gewinnen. Doch die FWG reichte am 10. Januar einen Antrag ein, in dem sie die Wirksamkeit des Fraktionsbeitritts der beiden Schmieds aus rechtlichen Gründen in Abrede stellte, sodass die alte Ausschussberechnung verbleiben würde. Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung bat das Ehepaar und die Bürgerliste daher um eine Stellungnahme.

Für Fraktionswechsel muss die Abkehr von den bisherigen kommunalpolitischen Positionen und Wählerschaften klar sein. Geringfügige Meinungsunterschiede reichen zur Begründung nicht aus. Der politisch-inhaltliche Grundkonsens darf nicht mehr vorhanden sein. Äußere Umstände müssen erkennen lassen, „dass sich der Ausscheidende von den Personen gelöst hat, die ihm ursprünglich zu seinem Mandat in dem Kommunalorgan verholfen haben“, hieß es von der Verwaltung. Diese prüfte daher für Julia und Markus Schmied getrennt die Umstände ihres Wechsels, was sich als „eine äußerst schwierige Aufgabe“ erwiesen habe.

Die Verwaltung beurteilte sowohl anhand der Stellungnahmen der beiden und der Bürgerliste als auch anhand von Presseberichten zu dem Thema und kam zu dem Schluss, dass für Julia und Markus Schmied der Fraktionseintritt in die BLR anzuerkennen sei. Die Rechtsaufsicht im Landratsamt wollte sich bei Markus Schmied angesichts der vagen Erkenntnislage nicht definitiv festlegen, sah aber Indizien, die für eine Anerkennung des Beitritts sprechen. Bei Julia Schmied teilte sie die Auffassung der Stadtverwaltung.

FWG: Sicht der Wähler ist entscheidend

Zu Beginn der Wortmeldungen begründete Friedrich Hötzendorfer den Antrag seiner Fraktion umfangreich. Dabei gehe es nicht darum, wer mehr oder weniger Sitze in den Ausschüssen bekomme und auch nicht um Gesinnungsprüfungen, wie es die Bürgerliste den Freien Wählern unterstelle. Vielmehr ginge es um die Aufrechterhaltung klarer Strukturen und die Verhinderung beliebiger Wechsel. Der Fraktionswechsel sei auch aus der Sicht der Wähler zu betrachten. „Für die Wähler sind Wechsel ihrer gewählten Kandidaten nicht beliebige persönliche Entscheidungen, sondern sie sollten nachvollziehbar und verständlich sein.“ Der Wille des Wählers dürfe nicht verfälscht werden, letztendlich gehe es um die Glaubwürdigkeit der Demokratie. Zusammenfassend stellte Hötzendorfer die Frage: „Sind die beiden glaubwürdig von der links-ökologischen Grundausrichtung der Grünen zur rechts-konservativen Bürgerliste gewandert?“ Laut FWG: Nein.

Julia Schmieds Ablehnung der Impfpflicht als Argument für die Abkehr von der Fraktion ließ Hötzendorfer nicht gelten, dass es sich hier um keine kommunalpolitische Position handle. In ihrer Stellungnahme hatte sie erklärt, dass sich die Hauptpositionen der grünen Politik in den letzten Jahren immer mehr gegen die eigene Meinung entwickelt hätten. Hötzendorfer bezeichnete diese Aussage als „an Allgemeinheit und Unverbindlichkeit nicht zu übertreffen. Da müsste schon Konkretes genannt werden.“ Markus Schmied würde nur der Meinung seiner Frau folgen, die die gemeinsame Stellungnahme in der ersten Person Singular verfasst hatte und die dann von beiden unterzeichnet wurde – „substanzlos“, so Hötzendorfer.

Einstellungen zu Corona und zur Ukraine als Hauptargument

„Ich spreche mich mit meiner Frau ab. Es ist nicht so, dass einer anschafft“, entgegnete Markus Schmied. Auch sei er kein Corona-Leugner, sondern ein Zwangsimpf-Gegner. Die Einstellungen der Grünen zu Corona und zur Ukraine hätten bei ihm zur Abkehr geführt. Ohnehin sei er nie Parteimitglied gewesen. „Auf kommunaler Ebene haben wir mit allen Fraktionen gemeinsame Ziele“, ergänzte seine Frau. Der Wechsel von Guido Boguslawski zu den Grünen sei schließlich auch kein Problem gewesen. Oberbürgermeister Lung verwies darauf, dass die Bildung der SPD-Grünen-Fraktion rechtlich etwas ganz anderes sei. Dort wurde ein gemeinsames Programm formuliert.

Rainer Hüller zeigt sich enttäuscht und teilt aus

„Wenn ich gewählt werde, ist damit die Verpflichtung verbunden, dass ich alles daran tue, dass ich das, was ich im Wahlprogramm versprochen habe, auch umsetze“, betonte Rainer Hüller (Grüne). Julia Schmied sei dort federführend gewesen. „Ich frage mich, welchen Punkt kannst du da nicht mehr mittragen? Wir sind keine Turnstunde, wo jeder nach emotionaler Lage mal in die, mal in die Ecke springt.“ Auch von Markus Schmied zeigte er sich enttäuscht. „Du wolltest die Sitzungen abwarten und nirgends einsteigen. Zwei oder drei Wochen später bist du in der Bürgerliste. Da kann ich kein Vertrauen mehr haben.“ Er hätte besser sein Mandat ablehnen sollen.

Und auch in Richtung Bürgerliste teilte er aus: „Die Bürgerliste kommt mir vor wie ein Besenwagen hinter einem Marathonlauf, der alles aufsammelt, was liegen bleibt. Das stinkt total. Eine weitere Zusammenarbeit mit Leuten, die Vertrauensbrüche begehen, fällt mir schwer. Ich möchte mit Querdenkern nicht zusammenarbeiten, vielleicht fällt das dem Kollegen Hofmeister leichter.“

„Es ist verständlich, wenn bestimmte Fraktionen kopfmäßig reduziert werden, dass man da nicht erfreut ist“, meldete sich Manfred Hofmeister (BLR) zu Wort. Die abwertenden Meinungen der Grünen würden das Klima vergiften. „Wir haben den Grünen und den Freien Wählern nichts getan. Das sind persönliche Entscheidungen.“ Er bat um mehr Gelassenheit und weniger persönliche Kommentare. Die Dinge seien schließlich eingehend geprüft.

Die alte Ausschussberechnung bleibt: Zwei Sitze für die FWG, einer für die BLR

Die Liste Lackner erklärte, dem Übertritt nicht zustimmen zu wollen. „Sie sind über die Grünen in den Stadtrat gewählt. Sie haben nicht nur Auftrag von Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch von der Partei. Gut, dass das geprüft werden muss“, so Dr. Herbert Lackner. Martin Schoberth (CSU) bat um kurze Unterbrechung und verkündete im Anschluss auch die Ablehnung seiner Fraktion.

Bei der Abstimmung wurde der Beschlussvorschlag über die Neuberechnung der Ausschüsse mit 16 Stimmen mehrheitlich abgelehnt. Es bleibt somit bei der alten Ausschussberechnung. Die FWG behält ihre jeweils zwei Sitze, die BLR bekommt nur je einen. Der Oberbürgermeister bestand darauf, die Mitglieder und Vertreter noch in der Sitzung zu benennen und in die Liste einzutragen. Die so geänderte Liste wurde mit fünf Gegenstimmen mehrheitlich angenommen. Sie kann auf der Website der Stadt eingesehen werden. Den Verwaltungsrat der Stadtwerke und des Wohnbaus betrifft der Fraktionswechsel übrigens nicht, da das Spiegelbildlichkeitsprinzip hier nicht gilt.

mf

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