Debatte im Stadtrat entfacht Emotionen
„Zusammenrotten tun sich Tiere“ - Diskussion um Wiedereinführung von Ausschüssen in Bad Reichenhall
Sehr emotional verlief im Stadtrat Bad Reichenhall die Diskussion um die Wiedereinführung von Ausschüssen. Die CSU störte sich an der Vorgehensweise der anderen Fraktionen und fühlte sich hintergangen. Die Gegenseite warf ihr vor, beleidigt zu sein.
Bad Reichenhall – Eigentlich ging es am Dienstag (10. Oktober) im Stadtrat bei dem gemeinsamen Antrag der Freien Wähler, der Grünen, der Liste Lackner, der Bürgerliste und der SPD um kein Aufsehen erregendes Thema: Der Finanz- sowie der Haupt- und Tourismusausschuss sollen wieder eingeführt werden. Dennoch gingen in der Diskussion die Emotionen hoch: Die CSU fühlte sich hintergangen und sprach von unkollegialem Verhalten, die Gegenseite warf ihr vor, beleidigt zu reagieren.
Stadtrat entscheidet zu kleinteilig
Zunächst erläuterte Friedrich Hötzendorfer (FWG) den fraktionsübergreifenden Antrag. Im Jahr 2021 sei man in einer Klausur zusammen gesessen und mehrheitlich zu dem Ergebnis gekommen, die Ausschüsse abzuschaffen und die Aufgaben dem Stadtrat zu übertragen. Seit 2022 werde dies so gemacht, aber es habe sich nicht bewährt. Der Stadtrat habe seitdem viel zu kleinteilig über Dinge zu entscheiden, die knapp über der Zuständigkeit der Verwaltung liegen. Zudem seinen die Vorberatungen in den Ausschüssen sehr hilfreich gewesen. Daher bat Hötzendorfer um die Wiederherstellung der alten Situation. Auch dem Bauausschuss sollten die alten Kompetenzen wieder gegeben werden, etwa die Vorbereitung von Bebauungsplänen, die oft 300 Seiten umfassen.
Lung: Gute Gründe für die damalige Abschaffung
„Egal, wie die Entscheidung ausgeht, ich kann mit allem leben. Der Stadtrat bestimmt die Spielregeln selbst“, erklärte Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung (CSU). Allerdings habe er so seine Zweifel: Schließlich habe es ja für die damalige Entscheidung, die Ausschüsse abzuschaffen, gute Gründe gegeben. Häufig sei es zuvor vorgekommen, dass die Mitglieder im Ausschuss zugestimmt, dann aber im Stadtrat dagegen gestimmt hätten, was zu viel Ärger geführt habe. Projekte wie den Bebauungsplan in der Frühlingsstraße habe man nun im Stadtrat in nur einem Jahr durchbekommen. Auch hätten die Sitzungen sehr lange gedauert, „weit über das Erträgliche hinaus.“ Der neue, höhere Sitzungsturnus sei nun viel besser. Dies bestätigte auch Sebastian Renoth (CSU). Früher habe es zwölf Sitzungen pro Jahr gegeben. Die 35 oder mehr Tagesordnungspunkte habe man zum Schluss hin nur noch durchgewunken. 2023 seien es 18 Sitzungen. „Die 17 Punkte können wir jetzt gut abarbeiten mit der nötigen Aufmerksamkeit.“
Kunz beklagt „unkollegiales“ Verhalten, Schoberth spricht von „Zusammenrotten“
„Ich finde den Antrag unkollegial“, sagte Stephanie Kunz (CSU). 2021 habe man das Vorgehen in der Klausur und dann in der Stadtratssitzung gemeinsam verabredet. „Ich hätte erwartet, dass wir das gemeinsam besprechen. Niemand hat etwas gesagt.“ Daher schlug sie eine Klausurtagung in den nächsten Wochen vor.
Michael Nürbauer (Grüne) erklärte, dass das alte System sehr gut funktioniert habe. Es sei viel effektiver, wenn mit weniger Leuten diskutiert werde. Zudem säßen im Finanzausschuss Leute, die das selbst entscheiden können. Manfred Hofmeister (Bürgerliste) verwies auch auf die Vertretungsmöglichkeit in den Ausschüssen. Bei komplexen Sachverhalten sei im Stadtrat gefordert worden, aus dem Stand abzustimmen. Im Ausschuss hingegen könne man Themen vertieft betrachten und habe besseren Kontakt zu den Fachleuten.
Nun meldete sich Martin Schoberth (CSU) zu Wort. Bei dem Antrag gäbe es einen emotionalen und einen fachlichen Aspekt, beide seien nicht hinnehmbar. Wie seine Kollegin Kunz verwies auch er auf den Konsens in der Klausurtagung. Vier Fraktionen und ein Stadtrat hätten sich nun „zusammengerottet“, um zu signalisieren: „‚Wir sind die Mehreren, die Stärkeren und denen zeigen wir es.‘ Ich habe ein Problem über die Art und Weise.“ Fachlich gesehen finde er, dass es im jetzigen System besser laufe.
„Schoberths Vorwurf ist eine Unterstellung“, entgegnete Hofmeister. „Zu sagen, dass die sich zusammenrotten, betrachte ich nicht als sachlich, es entspricht auch nicht den Tatsachen.“ Hötzendorfer setze noch hinzu, dass Schoberth und Kunz beleidigt seien und sich ausgegrenzt fühlten, was er entschieden zurückweise. „Zusammenrotten tun sich Tiere“, empörte er sich über den Ausdruck Schoberths. Auch er selbst sei damals für die Abschaffung der Ausschüsse gewesen, habe aber dazugelernt und wolle daher zurück zur alten Situation.
Vertagung abgelehnt
Lung versuchte nun, die Wogen zu glätten. „Vor der Wahl hat sich jeder bereit erklärt, das Ehrenamt anzunehmen und die Stadt voranzubringen.“ Das solle auch gelebt werden, indem man alle Fraktionen informiere. Als Stadtrat müsse man im Interesse der Stadt gemeinsam agieren.
Doch auch im Anschluss gingen die Meldungen weiter. Kunz betonte erneut das unkollegiale Verhalten. Sie habe sich eine andere Vorgehensweise gewünscht. Nun versuchte Dr. Pia Heberer (Grüne) einen Schritt in Richtung Versöhnung. Sie fühle sich bei der emotionalen Debatte an ihren Antrag zu hybriden Sitzungen erinnert. „Den emotionalen Aspekt kann ich nachvollziehen. Wenn Entscheidungen im großen Gremium getroffen wurden, würde ich erwarten, dass sich das gleiche Gremium wieder zusammensetzt.“ Sie bat darum, den Antrag zu vertagen. Da aber nicht alle Stadträte anwesend waren und Julia Schmied (fraktionslos) sich während der Abstimmung nicht im Saal befand, konnte ihr Vorschlag mit acht zu acht Stimmen keine Mehrheit finden. Kurz bevor es dann zur Abstimmung über die Wiedereinführung der Ausschüsse kam, verließ Heberer den Raum, sodass der Antrag mit neun zu sieben Stimmen angenommen wurde.
Bis Dezember muss die Verwaltung nun einen Beschlussvorschlag vorlegen, nach dem ab Januar 2024 der Finanz- sowie der Haupt- und Tourismusausschuss mit den alten Kompetenzen wieder eingeführt werden und dem Bau- und Umweltausschuss die vormaligen Kompetenzen wieder zugeordnet werden.
mf