Innenstadt dadurch in Gefahr?
Einkaufszentrum „falsch und überdimensioniert“? Ainring weist Vorwürfe aus Freilassing zurück
Nachdem im Freilassinger Bauausschuss die Pläne bereits als „Vollkatastrophe für die Innenstadt“ bezeichnet wurden, wehrt sich die Stadt deutlich gegen das geplante Einkaufs- und Freizeitzentrum in Ainring. Auch das Wirtschaftsforum stuft das Projekt als „falsch und überdimensioniert“ ein. Doch Ainrings Bürgermeister Martin Öttl will die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen und nimmt sie zum Anlass, einige Dinge klarzustellen: zur Haltung aus der Nachbarschaft, zu deren Innenstadt-Probleme und zum Edeka in Mitterfelden.
Ainring/Freilassing - Bevor sich die Gemeindeverwaltung ans Werk machte und dem Bauausschuss am Dienstag (27. Mai) die seitenlangen ablehnenden Begründungen aus Freilassing vortrug, ergriff Bürgermeister Öttl das Wort. Ihm war wichtig zu betonen, dass die negative Beschlussfassung der Stadt zur geplanten Einzelhandelsnahversorgung für die Gemeinde Ainring medial Aufmerksamkeit erregt habe. „Hierzu möchten wir einleitend klarstellen, dass es für die Nachbargemeinde legitim ist, im Zuge des Verfahrens eine Stellungnahme abzugeben“, betonte er. „Wir können der Nachbargemeinde nicht vorschreiben, was sie zu denken hat. Wir sind aber der Ansicht, dass deren Schlussfolgerungen nicht richtig sind.“
Der Bürgermeister betonte, dass in der Ainringer Verwaltung keine Empörung darüber herrsche, denn Meinungen könnten unterschiedlich sein. „Wir sehen das entspannt, sachlich und unaufgeregt.“ Doch im Verlauf seiner Stellungnahme wurde hier und da durchaus deutlich, dass man das Verhalten aus der Nachbarstadt alles andere als gut empfindet. „Man muss Ainring eine Nahversorgung seiner Bürger zugestehen“, machte er gleich zu Beginn klar und führte weiter aus, dass man den nächsten Schritt im Verfahren gehen werde.
„Gibt keine geschützte Rechtsposition, dass sich in der Nachbarschaft nichts ändern darf“
Die Stadt Freilassing wende sich gegen das Ainringer Vorhaben insbesondere mit der Begründung, dass sich die Landesplanungsbehörde mit ihrer Zustimmung über geltendes Recht hinweggesetzt habe und das Vorhaben die Innenstadt von Freilassing gefährde. Zu Ersterem verwies Öttl darauf, dass man weder die Kritik an der Regierung kommentieren noch deren Bewertung rechtfertigen werde. Nur so viel: „Wir wissen, dass unsere Anfrage von der Regierung von Oberbayern intensiv geprüft wurde und nach unserer Meinung die Bewertung auch zutrifft.“
Auch das zusätzlich von der Gemeinde Ainring zu dieser Frage in Auftrag gegebene CIMA-Gutachten bestätige das Ergebnis. Zuständig für die Frage der Zulässigkeit des Vorhabens am geplanten Standort und mit den geplanten Verkaufsflächen sei einzig die Regierung von Oberbayern – „und eben nicht die Stadt Freilassing“. Der Bürgermeister erklärte weiter: „Es gibt keine geschützte Rechtsposition, dass sich in der Nachbarschaft nichts ändern darf, oder gar eine Zustimmungspflicht.“ Das Vorhaben werde von einem rechtlichen Rahmen reglementiert, den man einhalte.
„Stadt spricht uns das Recht für eine Nahversorgung in der geplanten Form generell ab“
Selbstverständlich seien diese Fragen mit der Regierung schon vor der ersten Beschlussfassung in den gemeindlichen Gremien geklärt worden. Öttl meint: „Wir haben hier sehr sauber gearbeitet und keinen Fehler gemacht. Die Einleitung des Verfahrens war wohldurchdacht und überlegt – sowohl von Seiten der Verwaltung als auch durch den Gemeinderat selbst.“
Die Stadt Freilassing spricht uns das Recht für eine Nahversorgung in der geplanten Form generell ab - und das kann nicht richtig sein.
Was ihn stört, obwohl im Gemeinderat die Standortfrage durchaus kontrovers diskutiert wurde: „Die Stadt Freilassing spricht uns das Recht für eine Nahversorgung in der geplanten Form generell ab – und das kann nicht richtig sein.“ Der Standort wurde von der Regierung von Oberbayern als zuständige Fachbehörde bewertet. Das Ergebnis sei eindeutig und liege auch mehrfach schriftlich vor, so Öttl. „Unsere Planung widerspricht nicht den Erfordernissen und Zielen des Landesentwicklungsprogrammes (LEP).“ Darauf hatte sich die Stadt in ihrer langen Stellungnahme immer wieder bezogen und auf den Gutachter verwiesen, der dies infrage stellt.
Schon jetzt herrschen Probleme bei der Versorgung
Für den Ainringer Verwaltungschef ist klar, dass es sich um das Gegenteil handelt: „Das LEP möchte in jeder Gemeinde eine Grundversorgung haben. Unter anderem auch für diejenigen, die kein Auto haben und fußläufig mit Lebensmitteln versorgt werden müssen. Eine verbrauchernahe Versorgung sicherzustellen, ist unser landesplanerischer Auftrag.“ Der vorhergesehene Standort in Kombination mit Schule, Kindergarten, Schwimmbad und Freizeitareal ist für Öttl ideal.
Er machte klar, dass die Einzelhandelsversorgung in Ainring sowohl von der Regierung als auch durch das Cima-Gutachten als „deutlich defizitär“ beurteilt werde. „Es besteht schon jetzt akuter Handlungsbedarf.“ Eine Anhäufung an Märkten am Standort (Agglomeration) bestritt er nicht, doch für ihn rechtlich entscheidend: Diese sei nicht erheblich überörtlich raumbedeutsam. „Dies ist insbesondere im Hinblick auf Freilassing nicht der Fall, weil Freilassing mit Einzelhandel selbst sehr gut versorgt ist.“
„Freilassing zieht derzeit massiv Kaufkraft aus Ainring ab“
Der Bürgermeister listete auf, dass es dort unter anderem Edeka, Globus, Kaufland, DM, Rossmann, Lidl, Penny, Tedi, Müller, Aldi, Deichmann, Baby Walz sowie mehrere Getränkemärkte gibt. „Demzufolge zieht Freilassing derzeit massiv Kaufkraft aus Ainring ab. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass Ainring künftig spürbar Kaufkraft aus Freilassing abzieht, denn Freilassinger Bürger können dort alles im eigenen Ort einkaufen.“ Für ihn ist klar, dass nun lediglich der Teil der Ainringer Kaufkraft auch künftig in der Gemeinde bleiben werde. „Das muss man uns zugestehen.“
Es sei eben nicht nur das ausschließliche Recht eines gemeinsamen Oberzentrums, für die Bürger eine Nahversorgung zu erhalten. Öttl konnte sich in seinem Statement nicht den Hinweis verkneifen, dass oft vergessen werde, dass Freilassing gemeinsam mit Bad Reichenhall als Oberzentrum gilt. Und er machte klar: Es sei die Aufgabe der Umlandgemeinden, Einkaufsmöglichkeiten vor Ort für die Güter des täglichen Bedarfs zu errichten und betreiben.
Nicht verantwortlich für Probleme der Innenstadt
„Und jetzt zur Innenstadt“, holte er weiter aus. Die Gemeinde Ainring wünsche der Stadt, dass sich diese lebendig entwickle, floriere und ein Gewinn für alle Bürger in Freilassing und im Umkreis darstelle. „Ainring hat überhaupt kein Interesse an einer Schwächung der Innenstadt - ganz im Gegenteil.“ Wichtig sei, dass man gemeinsam weiteren Kaufkraftabfluss ins benachbarte Salzburg verhindere.
Diesen Schuh ziehen wir uns nicht an.
„Für die in der Innenstadt möglicherweise vorhandenen Probleme ist aber nicht Ainring verantwortlich. Schon jetzt unzweifelhaft nicht, aber auch nicht nach Errichtung einer Nahversorgung für die Gemeinde Ainring. Diesen Schuh ziehen wir uns nicht an!“ Doch mangels Expertise und Zuständigkeit könne man die dortigen Probleme nicht beschreiben und Lösungen erarbeiten.
„Wo ist hier der Unterschied?“
„Das würden wir uns nie anmaßen. Es scheint jedoch auf der Hand zu liegen, dass zum Beispiel Entscheidungen der Stadt Freilassing selbst einen wesentlich größeren Beitrag zu den bestehenden Problemen beigetragen haben, als die Ainringer Absicht zur Nahversorgung der eigenen Bürger“, findet Öttl. Erinnert sei hier beispielsweise die Ansiedlung eines Globus-Großmarktes an der Südgrenze des Stadtgebietes oder ein Kaufland-Großmarkt im Westen des Stadtgebietes. Auch aktuell würden von der Stadt Freilassing selbst Planungen vorangetrieben, einen weiteren großflächigen Einzelhandel mit einem Lidl und DM in der Sägewerkstraße zu ermöglichen. „Wo ist hier der Unterschied?“, fragt sich der Ainringer Bürgermeister.
„Es erschließt sich uns tatsächlich der Gedankengang nicht, warum das Ainringer Vorhaben der Innenstadt schaden kann und dies gleichzeitig bei der Planung in der Sägewerkstraße in Freilassing nicht der Fall sein soll und hier andere Effekte eintreten sollen“, beendete er sein Statement, ehe es zu einem regelrechten Abwägungs-Marathon zu den eingegangenen Stellungnahmen ging. Es dauerte fast eine Stunde, bis Bauverwaltungsleiter Thomas Fuchs und Klaus Kalb (Bauleitplanung) die Stellungnahme der Stadt Freilassing komplett wiedergegeben hatte, weil diese so ausführlich ausfiel. Im Wesentlichen handelte es sich um die Gründe, die ein Gutachter dem Freilassinger Bauausschuss am 20. Mai bereits vorgestellt hatte.
Das passiert mit dem alten Edeka-Standort
Neu waren die Stellungnahme des Wirtschaftsforums Freilassing (WIFO) sowie eines anderen örtlichen Lebensmittelmarktes, die Klaus Kalb vortrug:
- „Diese Planung betrifft in erheblichem Ausmaß auch den Einzelhandel der Stadt und sollte daher nachbarschaftlich abgestimmt werden“, heißt es vom Wirtschaftsforum. Bauprojekte wie die „angedachte enorme Erweiterung des Einzelhandels im Norden Mitterfeldens reichen fast an die Stadtgrenze Freilassings“ und stellen für das WIFO ein „deutliches Überangebot erforderlicher Einzelhandelsflächen“ dar.
- Es sei sehr verständlich und nachvollziehbar, „dass Ihnen und allen Verantwortlichen eine bestmögliche Versorgung der Bürger Ainrings am Herzen liegt“. Doch mit Blick auf eine Nahversorgung der Gemeindebereiche Mitterfelden, Ainring, Hammerau und Feldkirchen erachtet das Wirtschaftsforum den Standort und den Umfang des Projekts als „falsch und überdimensioniert“. Die Planung des Großprojekts betreffe wirtschaftlich und verkehrstechnisch alle Wohn- und Geschäftsbereiche Mitterfeldens sowie „grundlegend auch das Gebiet der Stadt Freilassing“.
- Das ungeklärte Verkehrsaufkommen, ungeplante Verkehrsabflüsse und etwaige wegfallende Arbeitsplätze im Umfeld seien nur Teilbereiche, „die wir problematisch sehen und partnerschaftlich besprochen und abgestimmt werden sollten“. Zum Ende warb das WIFO dafür, „deshalb gemeinsam den erforderlichen Bedarf der regionalen Bevölkerung zu betrachten und eine für alle Beteiligten und Betroffenen bestmögliche Lösung zu finden“.
- Und verwies abschließend in Richtung des Bürgermeisters und der Gemeinderäte darauf, dass man als Wirtschaftsforum Freilassing ein gefragter Ansprechpartner für bestehende und neue Betriebe sei. „Bitte sprechen Sie uns an - gerade in Fragen der großräumigen Entwicklung unserer Kommunen.“ Und weiter: „Nutzen Sie die Erfahrungen, die wir als WIFO in mehr als 20 Jahren Einsatz für unsere Betriebe aufweisen können. Planen wir als Nachbarkommunen gemeinsam und sinnvoll unsere Zukunft - wir reichen Ihnen dafür sehr gerne die Hand.“
- Ein örtlicher Lebensmittelmarkt in Ainring lehnt das Projekt ebenfalls ab und befürchtet in seiner Stellungnahme „existenzgefährdende Umsatzeinbußen“. Auch dieser Einwender bezeichnete die Planung als „überdimensioniert“ und nannte sie „weder bedarfs- noch nachfragegerecht“.
Die restlichen Stellungnahmen von Behörden und Trägern öffentlicher Belange fielen allesamt positiv auf, sodass der Ainringer Bauausschuss bei einer Gegenstimme den Abwägungen zustimmte, die Planunterlagen billigte und den Auslegungsbeschluss fasste. Auf die Frage des Ausschussmitglieds Sven Kluba (CSU), ob eine Tendenz erkennbar ist, dass jemand gegen die Planungen rechtlich vorgehen wird, antwortete die gesamte Verwaltung: „Das wissen wir nicht und werden wir abwarten müssen.“
Im Rahmen der Sitzung wurde auch klar, dass der Edeka-Markt in Mitterfelden nur noch so lange betrieben wird, bis das neue Einkaufszentrum fertiggestellt wird und die Kette dort einziehen kann. Das Gebäude in der Salzburger Straße wurde inzwischen von der Gemeinde erworben und soll langfristig in ein Ärztehaus umfunktioniert werden, teilte die Verwaltung mit. (ms)