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Ist das noch realitätskonform?

„Katastrophale Fehleinschätzungen“: Stürzt der BFV zwei Vereine aus der Region in die Krise?

Zwei Vereine aus der Region fühlen sich aktuell vom Bayerischen Fußball-Verband (BFV) im Stich gelassen.
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Zwei Vereine aus der Region fühlen sich aktuell vom Bayerischen Fußball-Verband (BFV) im Stich gelassen.

Zwei Vereine aus der Region kämpfen nicht nur mit Verletzungspech und Spielermangel, sondern auch mit den Entscheidungen des BFV. „Katastrophale Fehleinschätzungen“, belasten die ohnehin angespannte Situation massiv. Wie weit entfernt ist der Verband noch von der Realität des Amateurfußballs?

Die Existenzängste bei einigen Vereinen im Fußball-Kreis Inn/Salzach nehmen spürbar zu. Der Grund? Die Zukunft der Spielgemeinschaften steht auf der Kippe – und das könnte für manche Klubs das Aus bedeuten. Der BFV äußerte sich auf Anfrage von beinschuss.de zur brisanten Situation (den exklusiven Artikel gibt es hier). Doch um ein klareres Bild zu bekommen, waren wir bei zwei betroffenen Vereinen vor Ort und haben uns ihre Sorgen angehört.

von Rudi Mayer

Chieming/Grabenstätt – Wir schreiben Samstag (7. September) nachmittags 16 Uhr. Wir sind in Grabenstätt, genauer gesagt im Sportpark des dort ansässigen Turn- und Sportvereins, zu Gast als offizielle Sportreporter für beinschuss.de. Es herrscht eine brütende Hitze von über 30 Grad im Schatten. An mir schleichen Männer mit hängenden Köpfen vorbei, durchgeschwitzt und völlig erschöpft. Nach einer Weile begegne ich einem sehr netten Herrn auf dem Rasen, es ist Hans Maier, ein Urgestein und zugleich Cheftrainer der SG Schönau II, dem heutigen Kontrahenten der SG Chieming/Grabenstätt (wir berichteten).

Ich reiche ihm mein Mikrofon und frage ihn neben den üblichen Details zum eigentlichen Spiel auch zu seinem Personal- und Kaderstand: „Wir müssen zurzeit drei Stammspieler ersetzen, die alle drei aufgrund von Kreuzbandrissen (!) für längere Zeit ausfallen werden. Kompensieren muss ich das im Moment mit jungen Spielern aus der A-Jugend, andere Spieler habe ich leider nicht zur Auswahl, das ist nicht mehr so wie früher!“, entgegnete mir Hans. Diese Aussage brachte mich doch ganz schön ins Grübeln, was er damit meinte, sollte mir schon wenige Minuten später fast das Mikrofon aus der Hand fallen lassen.

BFV: Stürzt der Verband zwei Vereine aus der Region in die Krise?

Ein paar Schritte weiter lief mir der Mannschaftskapitän Jonathan Lex von der SG Chieming/Grabenstätt über den Weg: „Natürlich sind wir mit dem einen Punkt nicht zufrieden, aber was willst du machen, wenn dir fünf wichtige Stammspieler fehlen, die du dann mit unerfahrenen jungen Spielern aus der 2. Mannschaft und der A-Jugend versuchen musst zu überbrücken, die geben wirklich alle ihr Bestes, aber das geht in den wenigsten Fällen gut!“, so das Statement des Kapitäns.

Ich merkte, wie ich immer nachdenklicher wurde, als mich ein Mann mittleren Alters anspricht und einlädt am runden Tisch teilzunehmen. Es war kein Geringerer als der Abteilungsleiter des TSV Grabenstätt, Hermann Schwaiger. Kaum Platz genommen gesellten sich noch die Herren Christoph Reiter in Funktion als Cheftrainer und der vereinsinterne Pressewart Herr Spiegelberger hinzu. Wir als freiberufliche Sportreporter sind ja nicht unbedingt mit zarter Seide bespannt, aber was ich nun in einer fast 45-minütigen Unterhaltung mit den Verantwortlichen der SG Chieming/Grabenstätt erfahren sollte, ist mehr als gerechtfertigt veröffentlicht zu werden!

Es begann in dieser scheinbar „harmlosen“ Unterredung mit einer kurzen Aufarbeitung der Begegnung SG Chieming/Grabenstätt gegen die SG Schönau II, die unentschieden 2:2 endete. „Trotz unseres kleinen zur Verfügung stehenden Spielerkaders von derzeit 14 bis 15 Mann, muss ich mit dem einen Punkt heute sogar noch zufrieden sein. Uns fehlen im Moment sage und schreibe fünf Leistungsträger, die aufgrund von Verletzung, berufliche Veränderung, Schule, Studium und Urlaub definitiv nicht zur Verfügung stehen“, erläuterte uns Trainer Christoph Reiter in einer Tonlage, die weit ab von Freude und Euphorie jeden Zuhörer traurig stimmte.

BFV-Auflagen sorgen bei der SG Chieming/Grabenstätt für Frust

Ich schenkte diesem Gespräch auch weiterhin meine vollste Aufmerksamkeit, erwischte mich aber dabei, wie mein Kleinhirn anfing zu rechnen: Chieming/Grabenstätt plus Schönau = 22 Mann dividiert durch acht fehlende Spieler ergibt? Richtig! Kleinhirn an Großhirn, das sind satte 36 Prozent – mehr als ein ganzes Drittel! Das Ergebnis traf mich in diesem Moment wie ein Gewitterblitz! Völlig unbeeindruckt von gebotenen Gepflogenheiten und Anstand in einer Diskussionsrunde musste ich reagieren und warf meinen spontanen Einwand auf den Tisch: „Habt’s Ihr unter solchen Umständen überhaupt noch Lust zum Fußballspielen?

„Es ist schwer, sehr schwer, sich unter solchen Umständen zu motivieren. Als Trainer bist du jedes Wochenende nur noch am jonglieren, dass man überhaupt und einigermaßen eine konkurrenzfähige Truppe zusammen bekommt. Das fängt damit an, dass man nach dem Abschlusstraining schon fragen muss, kann ich mich darauf verlassen, dass du Samstag da bist und endet nicht selten mit einem Telefonat an die entsprechenden Spielerpersonen, wenn mal wieder die Uhrzeit des Treffpunktes vergessen wurde“, beichtete uns Reiter. Könnte man Gedanken und Fragen sichtbar machen, der Raum hätte wegen Überfüllung geschlossen werden müssen – diese Diskussionsrunde hatte es in sich und es sollte alles noch viel schlimmer kommen…

Mein Gott, so haute ich mir gedanklich in die Seite, was ist da los, du hast doch auch mal Fußball gespielt, aber solche Probleme? In dieser Ausgeprägtheit? Ich habe einmal in meinen 21 Fußballjahren mit erleben müssen, wie es sich anhört, wenn ein Schienbein bricht, aber drei Kreuzbandrisse in nur einer Mannschaft und wie war noch die Aussage von Siegsdorfs Headcoach Stefan Mauerkirchner erst kürzlich auf meine Frage nach dem Spiel gegen den SV Saaldorf, ob er nicht zu früh seine Laufbahn in der 1. Mannschaft beendet hätte: „Ich hab jetzt schon drei Knieoperationen hinter mir – es geht einfach nicht mehr!“

DJK Weildorf: Einer der wenigen „krassen Ausnahmen“ in der Region

Mensch, was geht hier ab? War unsere Ernährung für gestandene Fußballer doch die Richtige? War das damalige Jägerschnitzel und eine ordentliche Halbe doch die bessere Wahl für unsere Knochen, Muskel, Sehnen und Bänder, als das heutige Veggie und Vegan? Ich weiß, ihr „Grünzeug-Hardcorer“ da draußen, am liebsten würdet ihr mich mit einer Karotte im Mund durch die dunklen Gassen eurer Fantasie treiben, dennoch bin ich geneigt zu sagen, wer nun schon seit über sieben Jahrzehnten das Leben auf diesem Planeten erlebt und auch analysiert hat, dem sollte man diesbezüglich auch einmal das Recht eines eigenen Statements zugestehen. Sind die Menschen schwächer geworden oder der Fußball um ein Vielfaches härter? Ich jedenfalls vermag im ersten Moment auf Anhieb keine Antwort darauf zu finden!

Abteilungsleiter Schwaiger meldete sich zu Wort und ergänzte: „Für einen heutigen Spielerkader braucht’s 25 bis 30 Mann, früher war das anders, da haben 17 bis 18 Spieler völlig ausgereicht. Jetzt wirst konfrontiert mit Absagen, weil die Freundin mal mit dem Spieler X ein Wochenende in Paris verbringen möchte, oder der Festivalbesuch wichtiger ist, als die Mannschaft. Zu meiner Zeit hatten wir dazu das Geld nicht gehabt, heute sieht das alles ganz anders aus, heute musst du als Bestandteil der Teamproblematik damit leben und meist sehr kurzfristige Lösungen finden. Ich muss da schon die Aktivitäten unseres Trainers als Kunst bezeichnen, wie er in solchen Situationen es immer wieder schafft, eine konkurrenzfähige Mannschaft aufs Feld zu schicken. Im Gegensatz zu uns gibt es aber auch vereinzelt krasse Ausnahmen wie z. B., die DJK Weildorf, ‚die haben eine Kirche und drei Häusl‘, bieten aber für den Spielbetrieb drei voll besetzte Herrenmannschaften an. Wie die das machen ist und bleibt mir ein Rätsel, ich kann es mir nur so erklären, dass die als Neugeborene beim Verlassen des Kreißsaals schon einen Spielerpass in die Windel gesteckt bekommen.“

Weiß-Blaues Damoklesschwert mit drei Buchstaben aus München

Langsam aber sicher wurde mir klar, dass der berühmte Stachel hier viel tiefer sitzt und dass der Umfang der Thematik weitreichende Folgen für das Vereinsleben unserer regionalen Sportvereine hat. „Wir haben für die abgelaufene Saison 2023/24 einmal eine Statistik erstellt, wonach wir für unsere beiden gemeldeten Herrenmannschaften, sprich der 1. und 2. Mannschaft, so viel verschiedene Spieler eingesetzt haben, die wir aus der A-Jugend aktivieren und zum Teil auch aus der AH-Mannschaft reaktivieren mussten. Das bedeutet zum einen, dass es ohne unsere Spielgemeinschaft technisch gar nicht in die Realität umsetzbar gewesen wäre, einen ordentlichen Spielbetrieb zu gewährleisten und zum anderen, dass die hohe Anzahl eingesetzter Spieler den dringenden Bedarf an Ersatzspielern erklärt“, so Christoph Reiter.

Mit zunehmender Gesprächsdauer vernahm ich allerdings eine gewisse Spannung im Raum, das war noch nicht alles, was sich mir bisher geboten hatte, hier wartete noch was ganz Großes auf mich! Hätte ich zu diesem Zeitpunkt ein Spannungsmessgerät dabei, wer weiß, ob die Ablese-Skala ausreichend gewesen wäre. Hermann Schwaiger ergriff wieder das Wort und erklärte uns und allen anwesenden Beteiligten über eine kleine Einleitung die Basis des Übels: „Wir sind jetzt wieder in der glücklichen Lage, zusammen mit Chieming von der G bis zur A-Jugend eine Spielgemeinschaft bilden zu können, nachdem wir dies zuvor nur in Teilbereichen im Verbund mit Erlstätt, Chieming und Siegsdorf leisten konnten. Das stimmt uns für die Zukunft sehr positiv, dass man damit wieder einen Art „Pool“ von Nachwuchskickern für die Herrenmannschaften zur Verfügung hat. Und wenn all dies nicht schon genug Probleme für einen Verein, bzw. für uns beide Vereine wären, wird über uns ein weiß-blaues Damoklesschwert mit drei Buchstaben aus der Münchner Briennerstraße installiert!“

Die „katastrophalen Fehleinschätzungen“ des BFV und seine möglichen Folgen

HOLLA! Damoklesschwert? Weiß-Blau? München? Drei Buchstaben? Was hat denn das nun schon wieder zu bedeuten? „Vom BFV (Bayrischer Fußball-Verband) ist es eine katastrophale Fehleinschätzung, wenn man wie bei uns geschehen, bei der Neubeantragung der Spielgemeinschaft (Anm.d.Red. muss nach Ablauf jeder Saison immer wieder neu beantragt werden!) von unserem damaligen Spielleiter Christos Sofis dahingehend ermahnt wird, dass künftige Beantragungen einer Spielgemeinschaft einer wesentlich strengeren Beurteilung und Prüfung unterliegen und auch die Zulassungsmodalitäten sichtlich erschwert würden.“, so Hermann Schwaiger.

beinschuss.de liegt das Originalschreiben vom BFV-Kreisspielleiter Inn/Salzach vor.

Ist das noch realitätskonform? Ist das nicht wie in Berlin, wo ein Kanzler und sein Vize von einem Aufschwung mit „Doppel-Wumms“ reden, gleichzeitig aber 30.000 VW-Mitarbeiter vor der Entlassung stehen? Wie viel Blödsinn müssen wir uns als Normalbürger eigentlich noch gefallen lassen? Leiden diese Leute alle schon unter Realitätsverlust?

Grabenstätts Pressewart Spiegelberger bringt es auf den Punkt: „Schaut Euch doch nur mal die Tabellen der Jugendfußballer an, da sind Mannschaften dabei, die sich aus vier Gemeinden zusammenschließen müssen, um überhaupt eine einzige funktionierende Elf zusammenzubringen! Wenn die das in Zukunft so umsetzen wollen, vermute ich schon jetzt, dass es resultierend aus diesem Fehlverhalten eine ganze Reihe von Vereins-, bzw. Mannschaftsabmeldungen hagelt!“

Wie weit entfernt ist der Verband von der Realität des Amateurfußballs?

Last, but not least: Werte Sportkameraden des BFV! Ihr seid gut beraten, wenn Ihr Euer Vorhaben bezüglich der Beantragung von Spielgemeinschaften von Grund auf überarbeitet. Diese Unterredung bei den Sportkameraden der SG Chieming/Grabenstätt hat mich jedenfalls auf den Plan gerufen, einmal alle Fußballklassen der Herrenmannschaften im Bereich Inn/Salzach und der A-Jugend – nur der A-Jugend, ausgenommen die Mannschaften von der B-Jugend abwärts bis zur G-Jugend – nach sogenannten SGs zu durchstöbern. Es sind bei den Herren inzwischen über 25 Spielgemeinschaften und bei der A-Jugend gar über 35 SGs, d.h wir reden hier von über 60 eingetragenen Spielgemeinschaften!

Von den Ursachen her zu ergründen, woran das liegt, nehme ich an dieser Stelle ganz bewusst Abstand, aber es zeigt doch ganz eindeutig den derzeitigen Trend im Fußball. Sollte da nicht ein großer Verband, wie es nun mal der BFV darstellt, besser unterstützen, als destruktiv zu wirken? Was viele nicht sehen oder sehen wollen, ist, dass eine solche Spielgemeinschaft mit einem erheblichen Mehraufwand zu bewältigen ist, als ein Solo-Verein. Da müssen Planungen gemacht werden über, wo spielen wir gegen X, wann trainieren wir wo, bei X, Y oder gar Z, wie kommen wir dahin, fahren wir gemeinsam oder zusammen? Denn zwischen den Spielgemeinschaftspartnern X, Y oder Z existieren Entfernungen, manchmal 10 bis 15 km Einzelstrecke

Und das zieht sich durch sämtliche Klassen von der 1. Herrenmannschaft bis zur G-Jugend! Ist das alles den Herren aus München überhaupt bekannt, was das für ein Mehraufwand an Organisation, Kosten und vor allem auch Mentalität für die Betroffenen ist? Ich mag es zu bezweifeln! (rm)

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