Ein Fall für die Kommunalaufsicht?
Zankapfel Rufbus Mühldorf – eine Fraktion sagt im Stadtrat nun Nein zur Ausschreibung
Der Rufbus Mühldorf bleibt ein Zankapfel. Im Hauptausschuss vor drei Wochen wurde die Ausschreibung für seinen Dauerbetrieb noch einstimmig befürwortet. Im Stadtrat sah die Sache schon wieder ganz anders aus. Eine Fraktion versagte ihre Zustimmung, ein Stadtrat schaltet die Kommunalaufsicht ein. Das sind die Gründe.
Mühldorf – Vor der endgültigen Abstimmung in der jüngsten Stadtratssitzung wurde der Rufbus erneut leidenschaftlich diskutiert. In Richtung der wegen dieses Reizthemas anwesenden Besucher merkte Bürgermeister Michael Hetzl (UM) an: „Es geht hier nicht um die Entscheidung für den Rufbus oder gegen den Stadtbus. Das wurde bereits 2023 beschlossen.“ Zur Entscheidung für das Rufbus-System sei die Stadt „genötigt“ worden, nachdem kein Busunternehmer mehr den Stadtbus fahren wollte. „Das gehört zur Wahrheit dazu“, so Hetzl. „Nicht der böse Bürgermeister wollte den alten Menschen eines auswischen und ihnen zeigen, wo der Hammer hängt. Nicht der böse Bürgermeister hat den Stadtbus gekillt, sondern das Gremium hat das so entschieden.“
Gafus: Öffentliches Geld wird verbrannt
Als zu diesem Zeitpunkt des Abends noch zuständiger Verkehrsreferent ergriff Dr. Georg Gafus (Grüne) ausführlich das Wort, denn bisher habe er „einen Maulkorb“ gehabt. Die Verwaltung verschweige die Kosten für den Rufbus. „Wir sollen die Katze im Sack kaufen“, führte er aus. „Ich muss diese Beschlussvorlage entschieden ablehnen und werde damit nicht alleine sein.“ Im Probe- und Regelbetrieb des Rufbusses würden „absehbar öffentliche Gelder mit geringem Nutzen in unverantwortlicher Art und Weise verbrannt“. Die Ausschreibung widerspreche einer ordentlichen, sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung. Er kündigte an, sie von Kommunalaufsicht und Landesanwaltschaft prüfen zu lassen. Eine entsprechende Mail hat Gafus am 5. Dezember an die Kommunalaufsicht des Landkreises geschickt.
„Damals wussten wir es nicht besser“
Die vom Stadtrat im April 2023 einstimmig getroffene Entscheidung pro Rufbus – auch Gafus hatte damals mit „Ja“ gestimmt – sei ein Fehler gewesen. Getroffen „auf massives Drängen der Verwaltung, unter hohem Zeitdruck, auf Basis einer mangelhaften Mobilitätsstudie der Firma ioki sowie einer aus meiner Sicht grottenschlechten Beratung durch die Kanzlei Rödl & Partner“, listete Gafus auf. „Damals wussten wir es nicht besser“, nun aber lägen Fakten auf dem Tisch. Im Probebetrieb habe sich gezeigt, dass „der sogenannte ‚Systemwechsel‘ vom Stadtbus zum Rufbus – entgegen der beschönigenden Darstellung des Bürgermeisters“ ein Desaster sei. Dafür erntete Gafus den Beifall der als Zuhörer anwesenden Rufbus-Kritiker. „Schön, dass Sie mit Ihren persönlichen Angriffen gegen mich fertig sind“, reagierte Bürgermeister Hetzl. „Ich erlaube mir zu sagen, jeder Punkt ist falsch.“
Auch Oliver Multusch (AfD) stellte fest, dass im Probebetrieb nicht alles positiv gelaufen sei und nachgebessert werden müsse. Hetzl versicherte, dass etwa die Anzahl der Fahrzeuge und der Haltestellen auch im Dauerbetrieb flexibel verändert werden können. Ab sofort sei ein dritter Kleinbus im Einsatz, da zwei sich als zu wenig herausgestellt hätten. Ab Mai 2025 kündigte er ein viertes Fahrzeug an.
Rufbus ist alternativlos
In der SPD-Fraktion sei im Vorfeld der Sitzung heftig diskutiert worden, so SPD-Fraktionsvorsitzende Angelika Kölbl: „Wir sehen aber die Alternativlosigkeit und werden zustimmen.“ Reklamationen der Fahrgäste müssten ernst genommen und nachgebessert werden. „Es darf nicht passieren, dass Leute hinten runterfallen.“ Sie regte an, ein unabhängiges Verkehrsplanerbüro prüfen zu lassen, ob ein zweigleisiges System aus Linien- und Rufbus für Mühldorf möglich sei.
Grüne beantragen „Linie Nord“
Zur Unterstützung des Rufbus-Verkehrs und zur Erhöhung der Zuverlässigkeit in den Spitzenzeiten, beantragten die Grünen die zeitnahe Einführung einer „Linie Nord“ zwischen Mößling, Bahnhof und Stadtplatz. Mit stündlichen Fahrten sollten damit Fahrten für Bürger aus dem Norden wieder planbar gemacht werden. Bei (Wieder-)Einführung eines Linienbetriebs würden sich die beiden Systeme „kannibalisieren“ und sie wäre in Teilen eine Konkurrenz zu Kreislinien, so der Kommentar der Stadtverwaltung dazu. Der Antrag wurde gegen die Stimmen der Grünen-Fraktion abgelehnt.
„Rufbus ist ein haushalterischer Gau“
„Wir Grünen haben uns sehr schwergetan“, räumte Fraktionssprecher Dr. Matthias Kraft ein. „Wir wollen den ÖPNV nicht torpedieren.“ Er habe durchgerechnet, dass die Stadt für den Rufbus doppelt so viel bezahle wie für den Stadtbus. Und der Rufbus sogar eineinhalbmal teurer sei als Taxis für die Fahrgäste einzusetzen. Die Kosten würden davon galoppieren; Fahrgäste aus dem Norden und Osten Mühldorfs seien unterversorgt, eine Zwei-Klassen-Gesellschaft sei entstanden. Die Grünen würden die Ausschreibung ablehnen: „Das System Rufbus ist ein haushalterischer Gau, es ist nicht zu verantworten und gescheitert.“
Wanka wirft Gafus „kognitive Dissonanz“ vor
„Sie sprechen von einem Maulkorb“, richtete sich Karin Zieglgänsberger (UM) an Georg Gafus. „Sie haben gefühlt 523 E-Mails an die Verwaltung geschrieben. Ihre Fraktion hätte für Sie Fragen im Hauptausschuss stellen können. Was Sie hier liefern, ist eine bizarre Show.“ Die Stadt habe eine Alternative zum Stadtbus gebraucht, den keiner mehr fahren wollte. „Wir haben guten Gewissens den Rufbus installiert, ansonsten hätten wir gar keinen Bus gehabt.“ Der Rufbus sei nicht der Wunsch des Stadtrats gewesen: „Er musste her!“ Reinhard Wanka (UM), outete sich selbst als zufriedenen Rufbus-Nutzer und warf Gafus „kognitive Dissonanz“ vor. Denn Gafus bezeichne den Rufbus als „Desaster“, lasse sich aber selbst mit dem Rufbus bis vor die Haustür fahren.
Stadt soll Linie Nord forcieren
„Ich bekomme viele Anrufe von Bürgern aus Mühldorf-Nord, die sich über den Rufbus beschweren“, berichtete Mühldorfs Seniorenreferentin Claudia Hausberger (CSU). Sie vertrat die Ansicht, dass die Stadt eine Linie Nord forcieren müsse. Stefan Schörghuber möchte einen zusätzlichen fahrplan-gebundenen On Demand-Verkehr und den Vorbuchungszeitraum auf länger als nur eine Woche ausweiten.
„Keine andere Möglichkeit, als weiterzumachen“
„Wie wir am 6. November im Hauptausschuss gelernt haben, haben wir rein rechtlich keine andere Möglichkeit, als mit dem Rufbus weiterzumachen“, erinnerte Stefan Lasner, CSU-Fraktionsvorsitzender. Deshalb werde die CSU einem Vergabeverfahren zustimmen.
Mit Ausnahme der Grünen stimmten schließlich alle Fraktionen für die Ausschreibung zum Rufbus-Dauerbetrieb.