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Arbeitsgruppe bei der Kripo Mühldorf

So hart ist der Job des Kinderporno-Jägers – das ist sein Rat an alle Eltern

Es hat viel mit Technik zu tun, am Ende aber geht es um den Schutz von Kindern: Die Kripo Mühldorf ermittelt intensiv gegen die Nutzer und Produzenten von Kinderpornos.
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Es hat viel mit Technik zu tun, am Ende aber geht es um den Schutz von Kindern: Die Kripo Mühldorf ermittelt intensiv gegen die Nutzer und Produzenten von Kinderpornos. (Symbolfotos)

Die große Razzia in den Kreisen Mühldorf und Altötting hat gezeigt, wie verbreitet Kinderpornografie in der Region ist. Nun liegen die Bilder und Filme bei Kommissar Thomas Götz, der sie alle anschauen muss. Warum er sich das antut und was für Leute hinter den Taten stecken. Über Bilder, die man nie vergisst.

Mühldorf – Wenn Thomas Götz morgens seinen Computer hochfährt, erwartet ihn das Grauen. Tagein, tagaus, acht Stunden am Tag. Es gibt nur wenige Minuten in seinem Büro, in denen er etwas anderes tut. Götz arbeitet bei der Mühldorfer Kripo für die AG KiPo, die Arbeitsgruppe Kinderpornografie.

Es gibt nichts, was es nicht gibt

Außenstehende können sich kaum vorstellen, womit sich der 38-Jährige befasst. Götz sichtet Kinderpornos. Er sagt: „Es gibt nichts, was es nicht gibt.“ Tausende und Abertausende Fotos und Videos mit kinderpornografischem Inhalt, gespeichert auf beschlagnahmten Mobiltelefonen, Computern, CDs. „Die musst Du alle anschauen“, sagt Götz über die Bilder, die die Internetforensiker der Kripo Traunstein auf den Datenträgern gefunden und zugänglich gemacht haben. Sein Chef Reiner Reißl sagt: „Das ist keine schöne Arbeit.“

Götz hat sich freiwillig gemeldet, als die Kripo Mühldorf einen Mitarbeiter für die AG Kipo gesucht hat. Lange war der Mühldorfer bei der Autobahnpolizei, nach Studium und einem Praktikum hat er sich für den Wechsel zur Kripo entschieden. Seit August ist er jetzt bei der Arbeitsgruppe. Der Nennung seines Namens in der Zeitung stimmt er nach einigem Zögern zu, ein Foto will er aber nicht machen. Er müsse nicht erkannt werden als der, der Jagd auf Kinderpornos macht.

Spezialisten der Polizei werden Handys und Computer aus auf der Suche nach kinderpornografischen Inhalten (Symboldbild).

Bei einer großen Razzia hatte die heimische Polizei vor wenigen Wochen elf Häuser und Wohnungen in den Landkreisen Mühldorf und Altötting durchsucht, Mobiltelefone und Computer sichergestellt. Elf Menschen sind verdächtig, Kinderpornos besessen oder verbreitet zu haben.

Die Hinweise auf diese Menschen kommen meist von einem Meldeportal aus den Vereinigten Staaten. Über das Bundeskriminalamt landen sie bei den örtlichen Behörden. Die rücken dann den Verdächtigen auf die Pelle. Laut Kommissariatsleiter Reiner Reißl sind es mehrere Razzien im Jahr, heuer waren es drei. „Die nächste ist schon geplant.“

Dabei überraschen die Polizisten Menschen jeden Alters und aus allen sozialen Schichten. Vom 75-Jährigem im Rollstuhl mit VHS-Kassetten, bis zum Onlinenutzer, der 300.000 Fotos und Filme gesammelt hat, ein Terrabyte Speicherkapazität, eine gigantische Menge. Darunter die Filme, die man nicht vergisst, sagt Götz: „Man sieht weinende Kinder, die vergewaltigt werden.“ Er hält kurz inne, dann sagt er: „Es muss allen klar sein: Hinter jedem Foto steckt der Missbrauch eines Kindes.“

Hinter jedem Foto, hinter jedem Filmchen im Internet steht ein missbrauchtes oder vergewaltigtes Kind.

Götz ist Vater, mehr will er darüber nicht erzählen. Seine Kinder sind aber Teil der Motivation, warum er sich dem aussetzt. „Wenn ich einen Täter ermitteln kann, wenn ich einen Missbrauch verhindern kann, das ist der Antrieb.“

90 Prozent der Täter sind Männer. Die beteiligten Frauen: oft selbst noch Kinder oder Jugendliche. Sie sind Opfer– und werden zugleich zu Täterinnen. Götz spricht von „Spaßbildern“, die vor allem Mädchen und junge Frauen von sich machen. Nacktbilder, Videoaufnahmen beim Sex, sexuelle Geschenke und Wunscherfüllungen für die große Liebe, mit dem Handy festgehalten.

Auch Kinder leiten pornografische Bilder weiter

Diese Fotos werden meist über Nachrichtendienste wie Whats App geteilt, freiwillig, oft nur an einen Adressaten. Sie bleiben aber selten privat. Aus Spaß eben, aus Angeberei und Wichtigtuerei werden sie weitergeleitet, verbreiten sich digital, in den Chats von Freundeskreisen, in Klassengruppen. Und damit ist klar: „Was im Internet ist, bleibt im Internet“, warnt Götz. Für immer.

Betroffen davon sind Kinder und Jugendliche. Sie sind Opfer, wenn sie von meist Erwachsenen zu solchen Fotos verleitet werden. Sie werden zu Täterinnen, wenn sie die Bilder weiterschicken. Und sei es nur, um in einer Klassen-Whats-App-Gruppe Eindruck zu schinden. Aus Spaß eben, wie Götz sagt. Strafbar bleibt es trotzdem.

Wegen dieser schwierigen Gemengelage für Kinder und Jugend legen die beiden Kriminalbeamten besonderen Wert auf Aufklärung und Vorbeugung. Zu Hause, in der Familie, müsse über diese Gefahren gesprochen werden. „Die Eltern sind der erste Ansprechpartner“, sagt Götz und mahnt: „Offen sein, vorleben, redet mit euren Kindern.“ Denn Aufklärungsarbeit in Schulen oder Kindergärten reicht nicht, glaubt Reißl. „Die können das allein nicht leisten.“

653 mittelschwere und schwere Verbrechen hat die Kripo 2023 in den Landkreisen Altötting und Mühldorf gezählt, 291 davon sind mittlere und schwere Sexualstraftaten, zwei Drittel davon Kinderpornos. „Es ist surreal, wie verbreitet das ist“, sagt Götz.

Eine aktive Szene von Produzenten gibt es nicht

Eine aktive Szene, die Kinderpornos herstellt, gibt es laut Kommissariatsleiter Reißl in der Region derzeit keine. „Solche Banden haben wir hier nicht. Das ist kriminalistisch nicht das Problem.“ Der unbekannte Fremde, der hinter einer Hecke lauert, der ist und bleibt die große Ausnahme. Selbstgedrehte Filme aber, bei denen der Großvater die Enkelin vergewaltigt, der Nachbar den kleinen Bub missbraucht, das gebe es schon. „Dass solche Filme oder Bilder aber von den Tätern verbreitet würden, das hatten wir noch nicht.“

Der Aktenberg auf dem Schreibtisch von Thomas Götz stapelt sich hoch. Wann immer neue Meldungen aus den USA kommen, wenn bei Durchsuchungen Hinweise auf Verdächtige auftauchen, wenn zufällig ein Servicetechniker bei einer Reparatur Fotos auf dem Laptop entdeckt, beginnen er und seine beiden Teilzeitkollegen die Hinweise zu sichten und einzuschätzen. Dann kommt die Razzia, morgens um 6 in der Wohnung der Verdächtigen, wenn es sein muss, auch am Arbeitsplatz. Götz scheint zwischen Ernüchterung und Kampfansage zu schwanken: „Es ist noch lange nicht vorbei!“

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