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Künstliche Intelligenz statt reale Opfer?

Wenn KI Kinderpornos erstellt, wird kein echtes Kind missbraucht – ist das trotzdem strafbar?

Auf der Jagd nach Pädophilen im Internet startete Terre des Hommes 2013 das Projekt „Sweetie“. Das Bild zeigt ein computergeneriertes Kind, mit dem Täter in Kontakt traten.
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Auf der Jagd nach Pädophilen im Internet startete Terre des Hommes 2013 das Projekt „Sweetie“. Das Bild zeigt ein computergeneriertes Kind, mit dem Täter in Kontakt traten.

Polizei und Justiz gehen strikt gegen jeden vor, der kinderpornografische Daten erstellt, sie besitzt oder weitergibt - wie kürzlich bei einer Razzia in Mühldorf und Altötting. Was aber, wenn die Filme und Bilder von der KI generiert werden? Dann gibt es keine „echten Opfer“, oder? Was der Oberstaatsanwalt sagt.

Mühldorf/Traunstein — Hinter jedem Bild oder Film, auf dem nackte oder in Unterwäsche bekleidete Kinder zu sehen sind oder an denen sexuelle Handlungen vorgenommen werden, steckt unfassbares Leid. Das betont Stefan Sonntag, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd in Rosenheim.

Kinderpornographie ist ein weltweites Geschäft, das auf der sexuellen Ausbeutung von Minderjährigen basiert.

Kinder werden in der realen Welt missbraucht

Bei einer Razzia der Kripo Mühldorf und der Staatsanwaltschaft Traunstein am 26. September wurden im Raum Mühldorf elf Wohnungen durchsucht und Laptops und Handys sichergestellt, auf denen sich kinderpornografisches Material befand.

Künstliche Intelligenz wird auch missbraucht, um kinderpornographisches Material zu erstellen.

Derzeit werten IT-Forensiker der Polizei alle Bilder und Filme, die sichergestellt wurden, aus. „Die Kollegen müssen sich schlimme Sachen anschauen, die den Kindern und Jugendlichen angetan werden. Das passiert ja in der realen Welt“, so Stefan Sonntag betroffen.

Was wäre, wenn jemand mit pädophilen Neigungen Kinderpornos mithilfe von künstlicher Intelligenz erstellt?

Bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe

Oberstaatsanwalt Dr. Rainer Vietze von der Staatsanwaltschaft Traunstein erklärt: Nach Paragraf 184b Strafgesetzbuch sind Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte verboten. Die Justiz hat mehrere Möglichkeiten, hier strafrechtlich vorzugehen. Der Täter oder die Täterin müssen mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren rechnen.

Spezialteams ermitteln

Bei der Staatsanwaltschaft Traunstein gibt es inzwischen ein Fünferteam aus einem Gruppenleiter und vier Staatsanwältinnen, die sich mit dem Bereich sexueller Missbrauch von Kindern und Kinderpornografie auseinandersetzen, um den Tätern das Handwerk zu legen. Bis 2021 war es ein Zweierteam.

Auch die Kripo Mühldorf hat inzwischen ein verstärktes Ermittlerteam für diesen Bereich. „Es ist wichtig, dass Staatsanwaltschaft und Polizei hier technisch und personell auch weiter gut ausgestattet sind“, betont Oberstaatsanwalt Vietze.

Seiner Behörde seien Fälle mit KI-generierten Kinderpornos bereits bekannt. „Sie werden verfolgt. Es wurden bereits Anklagen erhoben oder Strafbefehle beantragt. Es handelt sich aber - wahrscheinlich noch - um Einzelfälle“, so Rainer Vietze.

KI-Kinderpornos besitzen und verbreiten ist strafbar

Die Verbreitung von kinderpornografischem Inhalt ist strafbar - das schließt auch Kinderpornos ein, die von der KI generiert wurden, so Dr. Vietze. „Ausreichen können insoweit auch Comics oder Worte, die einen sexuellen Missbrauch von Kindern beschreiben“, führt er weiter aus.

Das Erstellen ist nur strafbar, wenn ein kinderpornografischer Inhalt hergestellt wird, der auch ein tatsächliches Geschehen wiedergibt. „KI-generierte Inhalte sind davon nicht erfasst“, räumt Vietze ein.

Aber: Strafbar macht sich, wer einen kinderpornografischen Inhalt - also auch einen KI-generierten Inhalt - herstellt, um diesen zu verbreiten. „Wer also beim Herstellen eines KI-generierten Inhalts mit Verbreitungsabsicht handelt, macht sich strafbar“, so der Oberstaatsanwalt.

Und hier wird es eng für die Person, die die Daten erstellt: „Wer einen KI-generierten Inhalt herstellt, besitzt ihn danach in aller Regel auch. Und der Besitz eines kinderpornografischen Inhalts, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, ist strafbar. KI-generierte Inhalt geben meistens ein „wirklichkeitsnahes Geschehen“ wieder, sodass sich der Besitzer strafbar macht.

Was bedeutet „wirklichkeitsnah“?

Was „wirklichkeitsnah“ hier bedeutet, erklärt Vietze: Wenn ein Durchschnittsmensch, also kein Sachverständiger, den Film oder die Bilder für echt hält. „Wenn es sich als Dokumentation eines realen Missbrauches für den Betrachter darstellt, zum Beispiel wenn die Abbildung sich wie ein tatsächliches Kind darstellt“, sagt Dr. Rainer Vietze.

„Nicht wirklichkeitsnah“ sei ein solcher Inhalt, wenn der fiktionale Charakter schon wegen der Darstellungsform offensichtlich ist.

KI-generierte Inhalte wirken in der Regel dem ersten Anschein nach als echt, so der Oberstaatsanwalt weiter. Daher muss der Betrachter, der die Datei nur ansieht, also ohne rein zu zoomen oder länger darauf zu starren, davon ausgehen, dass die Aufnahme beim Missbrauch eines echten Mädchens oder Bubens entstanden ist. „Daher geben KI-generierte Inhalte - anders als bloße Worte oder Comics - in der Regel auch ein wirklichkeitsnahes Geschehen wieder“, so Vietze.

Um einen Kinderporno mithilfe von künstlicher Intelligenz herzustellen, muss man die KI nicht unbedingt mit realem kinderpornografischen Material aus dem Netz angelernt haben, erklärt Vietze auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitung.

Szene ohne Opfer?

So komme es zum Beispiel vor, dass echte pornografische Aufnahmen mit Erwachsenen so bearbeitet und manipuliert werden, dass Kinder zu sehen sind.

Ein Gedanke drängt sich dabei auf: Echte Kinder kommen nicht zu Schaden. Kinderschänder müssten sich in der realen Welt keine Minderjährigen mehr beschaffen, um sie sexuell auszubeuten und zu missbrauchen, wenn die KI ihre perfiden Fantasien rein virtuell umsetzen kann. Also eine Szene ohne Opfer?

Realer Missbrauch dient als Vorlage

Vor diesem Denken kann Oberstaatsanwalt Vietze nur warnen. „Nein, so kann man das auf keinen Fall sehen. Auch beim Herstellen von kinderpornografischen Inhalten mittels KI dient häufig ein realer sexueller Missbrauch eines Kindes als Vorlage.“

Hemmschwelle könnte sinken

Darüber hinaus sei zu bedenken, dass bei einer starken Zunahme von KI-generierten Kinderpornos Anreize für pädophile Täter gesetzt werden, tatsächlich ein Kind zu missbrauchen. Die Hemmschwelle würde aller Voraussicht nach sinken, so die Einschätzung des Oberstaatsanwaltes.

„Ich ziehe es vor, durch konsequente Ermittlung und Bestrafung der Täter eine abschreckende Wirkung zu erzielen.“

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