Auch Frauen unter den mutmaßlichen Tätern?
„Schlimme Dinge anschauen“: Das ist über die Kinderporno-Verdächtigen aus der Region bekannt
Elf Verdächtige aus den Landkreisen Mühldorf und Altötting stehen in Verdacht, Kinderpornos besessen und verbreitet zu haben. Am Donnerstag (26. September) durchsuchte die Polizei elf Wohnungen, die Beamten beschlagnahmten Handys und Laptops. Jetzt kommt der üble Teil des Jobs: die Auswertung. Was schon jetzt klar ist.
Mühldorf/Altötting — Neun Männer und zwei Frauen aus dem Raum Mühldorf und Altötting sind im Visier der Kripo Mühldorf sowie der Staatsanwaltschaft Traunstein. In einem groß angelegten sogenannten „Action Day“, einer konzertierten Aktion, wurden am Donnerstag (26. September) die Wohnungen und Häuser der elf Beschuldigten, die zwischen 18 und 66 Jahre alt sind, von der Polizei durchsucht. Die Beamten stellten Kinderpornos sicher.
Leid der Kinder
Hinter jedem Bild oder Video steckt der Missbrauch eines Kindes. Nicht nur Personen, die Minderjährige missbrauchen, machen sich strafbar. Strafbar ist es auch, sich Fotos oder Filme herunterzuladen, die Mädchen und Buben nackt oder in Unterwäsche zeigen, oder beispielsweise in denen ein Erwachsener sich an den Kindern vergeht. Solche Aufnahmen weiterzugeben, ist ebenfalls verboten.
Wer von den elf Beschuldigten was genau gemacht hat, wertet derzeit ein Team aus IT-Forensikern aus. Von aktivem Missbrauch und einem Zusammenhang zwischen den Männern und Frauen geht man derzeit nicht aus. Aber die Ermittlungen stehen noch am Anfang, sagen Staatsanwaltschaft und Polizeipräsidium.
Groß angelegte Durchsuchungsaktion
Nachdem am frühen Donnerstag 16 Polizisten der Kripo Mühldorf und Traunstein in einer groß angelegten Durchsuchungsaktion elf Objekte durchsucht hatten, müssen die Ermittler nun umfangreiches Beweismaterial in Form von elektronischen Geräten, Mobiltelefonen und Speichermedien auswerten.
Übler Job für IT-Forensiker
Ein übler Job für die IT-Forensiker, bestätigt Stefan Sonntag, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. „Die Kollegen müssen sich viele schlimme Dinge anschauen, sich täglich damit beschäftigen.“ Sonntag weiter: „Das kann man nicht so viele Jahre machen. Es sammelt sich sehr viel Frust bei den Ermittlern an, die diese Datenträger auswerten. Wer sagt, er kann das nimmer, wird sofort rausgenommen.“ Die Polizei sei sensibilisiert und nehme ihre Fürsorgepflicht ernst. So gebe es Supervision und Hilfsangebote.
Keine Anonymität im Internet
Das vorläufige Ergebnis der Durchsuchung wird von der Staatsanwaltschaft Traunstein und der Polizei als Erfolg im Kampf gegen Kinder- und Jugendpornografie gewertet. „Solche Täter bewegten sich lange Zeit unerkannt im Dunkelbereich des Netzes“, sagt Sonntag. Er betont, dass sich heutzutage niemand mehr im Internet sicher vor der Polizei fühlen kann. Die Anonymität des Internets sei ein Mythos.
„Jeder, der im Netz einschlägige Seiten aufruft, hinterlässt Spuren“, erklärt Sonntag. Unternehmen wie Google, Microsoft oder Dropbox beispielsweise scannen Daten und suchen gezielt nach kinderpornografischem Material. Werden sie fündig, werden die IP-Adressen gespeichert und an die Strafverfolgungsbehörden weiter gegeben. Das ist gesetzlich verpflichtend.
Teams im Kampf gegen Kinderpornografie verstärkt
In den vergangenen Jahren sind die Straftaten im Bereich Verbreitung pornografischer und vor allem kinderpornografischer Inhalte angestiegen. 2023 gab es gegenüber 2022 im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd einen leichten Rückgang. Im Deliktsbereich „Verbreitung pornografischer Inhalte“ sanken die Zahlen von 721 Taten auf 697 Taten (-3,3 Prozent). „Dennoch ein viel zu hoher Wert“, so Sonntag.
Darum haben die Polizei und die Staatsanwaltschaft ihre Teams verstärkt. Bei der Staatsanwaltschaft Traunstein sind inzwischen ein Gruppenleiter und vier Staatsanwälte spezialisiert. Früher war es ein Zweier-Team, sagt Oberstaatsanwalt Dr. Rainer Vietze.
Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd hat eigene „Arbeitsgruppen Kinderpornografie“ ins Leben gerufen. Sie beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit allen Delikten im Zusammenhang mit dem Besitz und der Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie. Die Arbeitsgruppe arbeitet eng mit den Staatsanwaltschaften und der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg zusammen, bei der das Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet (ZKI) angesiedelt ist, sagt Sprecher Sonntag.
Um den Kinderschändern, die Mädchen und Buben unfassbares Leid antun, und all jenen, die davon profitieren, auf die Schliche zu kommen, arbeiten die deutschen Behörden längst auch international mit Ermittlern zusammen. So hilft zum Beispiel das US-amerikanische NCMEC (National Centre for Missing and Exploited Children) mit. Die NCMEC bearbeitet Fälle von vermissten oder ausgebeuteten Kindern.
Außerdem meldet NCMEC Verdachtsfälle von Kinderpornografie an die Behörden. Durch die Zusammenarbeit zwischen FBI und dem Bundeskriminalamt (BKA) gelangen die Hinweise dann an Landeskriminalämter, wo sie regional weiter bearbeitet und verfolgt werden.
Beschuldigte sind überwiegend Männer
Die IP-Adressen der neun Männer und zwei Frauen bekamen die Ermittler auch auf diesem Weg, so Sonntag. Wenn es um Kinderpornos geht, sei der überwiegende Teil der Beschuldigten männlich, selten seien auch Frauen darunter.
Nacktfotos in Schüler-Chatgruppen
„Wer in Chatgruppen Nacktfotos von Minderjährigen bekommt, hat sie zu löschen“, erklärte Stefan Sonntag vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Wer sie behalte oder weiterschicke, mache sich strafbar. Das gelte auch für Schüler-WhatsApp-Gruppen. „Das ist kein dummer-Jungen-Streich unter Teenagern. Wir stellen die Handys sicher und jeder, der so ein Bild verbreitet, bekommt strafrechtliche Konsequenzen. Wir können da als Polizei kein Auge zudrücken.“
Oberstaatsanwalt Dr. Rainer Vietze erklärt, dass die IP-Adressen erst einmal nur verraten, wer die „Anschlussinhaber“ sind. „Auf sie läuft das Handy oder der Internetanschluss. Das heißt aber noch nicht, dass sie auch wirklich Täter oder Täterin sind. Eventuell handelt es sich bei den weiblichen Beschuldigten um Mutter oder Frau eines Täters. Wenn sie sagt, ,das Handy hat nur mein Sohn genutzt‘ und der gibt es zu, werden die Ermittlungen gegen sie eingestellt und gegen den Sohn eröffnet.“