Abstimmung in Mehring
Stimmen zum Windpark-Entscheid: „Herbe Enttäuschung“ oder „Stück Demokratie zurückgeholt“?
Mehring – Die Bürger in Mehring im Landkreis Altötting haben sich am Sonntag (28. Januar) bei einem Bürgerentscheid mit großer Mehrheit gegen Windkraftanlagen auf ihrem Gemeindegebiet ausgesprochen. Wir haben für euch zusammengetragen, wie die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft darauf sind:
Mehring - „Letztendlich bin ich schon enttäuscht, dass es so eindeutig dagegen ausgefallen ist. Wir haben uns mit dem Thema sehr intensiv beschäftigt, hatten einen eigenen Ausschuss dafür und uns viele Gedanken gemacht, wie wir die Menschen mit neutralen Informationen versorgen können“, erklärt Bürgermeister Robert Buchner (Freie Wähler) gegenüber unserer Redaktion. „Das Ergebnis habe ich, auch in der Höhe, so erwartet. Es führt nun dazu, dass ein beträchtlicher Teil des Staatsforstgebiets für den Bau von Windkraftanlagen wegfällt“, teilt wiederum Landrat Erwin Schneider (CSU) mit.
Anmerkung der Redaktion:
Wir haben auch noch von weiteren Stellen, allen voran der für das Projekt verantwortlichen Firma Qair Stellungnahmen erbeten. Diese lagen aber zu Redaktionsschluss noch nicht vor und werden gegebenenfalls zeitnah nachgereicht werden.
Sowohl in einem Ratsentscheid als auch in einem Bürgerentscheid lehnten die Bürgerinnen und Bürger von Mehring am Sonntag die Pläne für Windkraftanlagen auf ihrem Gemeindegebiet ab. Der Ratsentscheid wurde mit 876 zu 525 Stimmen abgelehnt – hier waren die Bürger gefragt, ob sie Planung und Bau der Windkraftanlagen unterstützen. Beim Bürgerentscheid stimmten 928 Wahlberechtigte mit Ja und 454 mit Nein. Hier war die Frage, ob die Gemeinde alles tun soll, um die Windkraftanlagen zu verhindern.
Stimmen zu Aus für Windpark im Altöttinger Forst durch Rats- und Bürgerentscheid in Mehring
„Die BI bedankt sich bei allen Mehringer Bürgerinnen und Bürgern, die beim Bürgerentscheid für die Erhaltung ihrer Heimat, ihrer wunderschönen Landschaft und des so wichtigen Forstes gestimmt haben“, heißt es wiederum in einer Stellungnahme der Bürgerinitiative „Gegenwind Altötting“, „Damit haben sie sich ein Stück Demokratie zurückgeholt und gegenüber den Entscheidungsträgern klar zum Ausdruck gebracht, dass weitreichende Entscheidungen nur Sinn machen, wenn auch die Bürgerinnen und Bürger in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden.“
„Einerseits muss man bedenken, dass mehr die Hälfte unserer Einwohner in der Siedlung, nur knapp einen Kilometer vom geplanten Standort entfernt, wohnen. Das sie Sorgen und ‚Ängste haben, kann ich voll verstehen. Die hätte man aber, meiner Meinung nach, ausräumen können, wenn die Planungen weiter vorangeschritten und die Firma mehr eine Chance gehabt hätte, sie vorzustellen“, meint Bürgermeister Buchner, „Was mir aufstößt ist, dass keiner der Vertretungsberechtigten von ‚Gegenwind‘ ein Gemeindebürger ist.“ Er frage sich nun, wie nun die Vorgaben des Wind-an-Land-Gesetzes umgesetzt werden sollten.
Landrat und Bürgermeister kritisch, Bürgerinitiative optimistisch
„Bedenklich finde ich, wenn die Gemeinden, die von den Gewerbesteuern des Chemiedreiecks am meisten profitieren, selbst keinen nennenswerten Beitrag zur Energieversorgung der Region leisten wollen. Wie soll man da den Gemeinden in Niederbayern oder der Oberpfalz die Stromtrassen verkaufen, die dort auf 500 km im Wesentlichen zur Stromversorgung des Chemiedreiecks gebaut werden müssen?“, mahnt wiederum Landrat Erwin Schneider, „Es steht nun zu befürchten, dass dieses Ergebnis auch Nachwirkungen auf die restlichen sechs Kommunen im Landkreis hat, die vom Bau der Windkraftanlagen im Staatsforst tangiert sind.“
Die BI wiederum dankt in ihrer Erklärung allen Helfern und Beteiligten und zeigt sich optimistisch. „Wir werden jetzt zeitnah mit dem Bürgermeister von Mehring in Kontakt treten mit dem Ziel, vorurteilsfrei mit ihm, dem Gemeinderat und unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger die beste Lösung für Mehring zu erarbeiten. Darüber hinaus werden wir in den nächsten Tagen den Antrag auf Zulassung des Bürgerbegehrens in der Gemeinde Haiming einreichen. Auch hier liegen bereits mehr als die notwendigen Unterschriften vor.“
„Herbe Enttäuschung“
„Aus Sicht der Industrie ist der Ausgang des Bürgerentscheids eine herbe Enttäuschung. Wir verstehen, dass ein Projekt dieses Ausmaßes und die damit verbundenen Veränderungen für Verunsicherung sorgt. Auch haben wir Verständnis, dass es eine lokale Betroffenheit von Anliegern gibt, die nach Errichtung eines Windparks mit Blick auf Windräder eine Veränderung hinnehmen müssen“, teilt wiederum die Wacker Chemie AG auf Nachfrage unserer Redaktion mit, „Doch für uns steht außer Frage: Der Wohlstand der Region kann nur durch Veränderungen erhalten werden.“
„In Angesicht des menschgemachten Klimawandels muss die chemische Industrie klimaneutral werden. Das ist ein gewaltiger Kraftakt und setzt vor allem eine deutlich stärkere Elektrifizierung voraus. Mehr Elektrifizierung bedeutet mehr Strom – grüner Strom wohlgemerkt! Wir brauchen also einen Ausbau an erneuerbaren Energien und in Bayern insbesondere der Windenergie“, so das Unternehmen weiter, „Das Projekt Windpark Altötting ist hier ein wichtiger Schritt. Diese Botschaft ist in Mehring bei der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler leider nicht durchgedrungen.“
Aiwanger will nachbessern, SPD-Fraktionschef kritisiert dessen Leistung
Auch die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern bezieht Stellung zum Abstimmungsergebnis: Darin betont sie ihr Verständnis für die Entscheidung vor Ort und fordert zugleich eine Informationsoffensive über die Bedeutung von Windkraft für die künftige Energieversorgung in Bayern. „Die Abstimmung der Bürgerinnen und Bürger in Mehring zeigt, wie wichtig es ist, beim Ausbau der Erneuerbaren Energien die Bevölkerung vor Ort mitzunehmen und Bedenken ernst zu nehmen“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. „Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Politik auf allen Ebenen im Schulterschluss mit der Wirtschaft und den Umwelt- und Naturschutzverbänden in Zukunft noch besser erklärt, warum es einen Ausbau der Windkraft braucht und wieso davon auch die Zukunftsfähigkeit der Heimatregion abhängt.“
Auch aus der Landespolitik gibt es Stellungnahmen: „Die Entscheidung der Bürger von Mehring zeigt, dass sie mehrheitlich von der bisherigen Planung nicht überzeugt sind. Es gilt jetzt zu prüfen, wie das Windenergie-Projekt weitergeführt wird. Ich bin nach wie vor dafür, Windräder in der Region zu errichten, um erneuerbare Energie für den Chemiepark und die Bürger zu erzeugen“, so Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), „Die geplanten 40 Windräder würden Strom für rund 150 000 Haushalte erzeugen und jährlich über 1 Million Euro in die Gemeindekassen bringen plus Pacht- und Steuereinnahmen und Aufträge für die regionale Wirtschaft.“
„Die Entscheidung ist ein schwerer Rückschlag für den Industrie- und Chemiestandort Bayern und für den Klimaschutz! Wir brauchen jetzt eine Öffentlichkeitskampagne und breite Aufklärung über die Notwendigkeit von Windkraft. Man kann nicht jahrelang ohne Folgen gegen Windräder Stimmung machen. Jetzt sind Rückgrat und klare Kante gefragt – im Interesse Bayerns. Das verlange ich auch vom Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Markus Söder!“, teilt wiederum Florian von Brunn, SPD-Fraktionschef im Landtag mit und kritisiert auch Aiwanger: „Er ist lieber auf Demos, als sich um die wichtigen Zukunftsfragen zu kümmern. Er schadet damit Bayern.“
hs