Bürgerversammlung in Altötting
Mega-Windräder im Forst gefallen nicht jedem – aber müssen Gegner wirklich radikal sein?
Erneut fand im Landkreis Altötting eine Bürgerversammlung zum Thema Windpark statt: Nach der jüngsten Schmieraktion im Öttinger Forst scheiden sich aber die Geister – auch unter den Gegnern.
Altötting – Die Anspannung wegen des geplanten Windparks im Öttinger und Burghauser Forst steigt. Nachdem vor rund zehn Tagen an mehreren Orten im Wald Anti-Windpark-Sprüche an Gebäude, Container und Beschilderungen gesprüht worden waren, gingen selbst die Reaktionen der Windpark-Gegner auseinander. Auch bei der dritten Bürgerversammlung in diesem Monat herrschte ernste Stimmung. Gastgebergemeinde war diesmal Altötting.
Aber gerade im PFOA-gebeutelten Landkreis Altötting ist die Beunruhigung der Gegner gut zu verstehen. Auch die Bedenken der Naturschützer, die sich um den Wald, das Grundwasser und die Flora und Fauna sorgen. Viele Argumente sind gut und auch wissenschaftlich fundierbar – aber auch die Gegenargumente der Windpark-Befürworworter: Die Angst um eine Abwanderung der Chemischen Industrie aus Deutschland wächst und die Sorge um Arbeitsplätze nimmt angesichts des Aus von Dyneon im Chemiepark-Gendorf zu. Aber wird es überhaupt zu einer Lösung für den PFOA-Erdaushub geben? Und werden die industriellen Verursacher auch dafür zahlen?
Fragen über Fragen
Erst wenn die Emotionen hochkochen, wird das Argumentieren und Diskutieren schwierig. Doch wie kann man „vernünftig bleiben“, wenn es um den Wert des eigenen Grundstücks geht, das man sich schwer erarbeiten musste oder schon Generationen in Familienbesitz ist? Kann man ruhig bleiben, wenn ein Stück Heimat, die immerhin ein Stück der eigenen Seele ausmacht, durch einen gigantischen Windpark verschandelt werden soll? Ist es wirklich nötig und vernünftig, diese monströsen Riesen in den Wald zu pflanzen und diesen dafür zu roden? Wird die Industrie den Strom überhaupt abnehmen, den die Windräder bereitstellen werden?
Ob in Haiming, Burghausen oder Altötting: Das Misstrauen, der Zweifel und die Angst der Bevölkerung vor der einschneidenden Veränderung sind deutlich zu spüren. Und dabei sind noch nicht mal die ersten Bäume gefällt: Zwar war in der Facebook-Gruppe der Gegner schon von einer Rodung am Trimm-Dich-Pfad in Burghausen die Rede, doch dies wurde bereits von den eigenen Mitgliedern entkräftet. Nicht selten kommt es zu Fehlinformationen, obwohl es auch genügend wissenschaftliche Argumente gegen die Windräder gibt. Manchmal ist aus den Beiträgen schiere Wut und Empörung zu lesen. Dann wird verallgemeinert und auch gegen erneuerbare Energien gehetzt, gegen die chemische Industrie, gegen die Politik – egal welche.
Der Ton macht den Wind
„Sie machen, was sie wollen.... Alles Verbrecher“, steht da. Es ist die Rede von „Kalter Enteignung“, haufenweise geschredderten Vögeln und den Lügen der Ampelregierung. Auch gegen einen Leserbriefautor, der in der PNP seine Meinung zu gegnerischen Argumenten ausdrückte, wird geschimpft. Bei den Versammlungen geht die feindselige Haltung mancher Gegner unter die Haut. Und dabei ist sicherlich nicht unbedingt jeder „Nicht-Gegner“ ein Befürworter der Windenergie im Öttinger und Burghauser Forst. Doch wer will angesichts der brenzligen Stimmung schon Aufmerksamkeit auf sich ziehen? Ob bei Versammlungen oder im sozialen Netz. Es entsteht Angst, seine Meinung zu äußern.
Auf keinen Fall sind jedoch alle Gegenargumente Unsinn: Angefangen bei den Auswirkungen von Infraschall auf Mensch und Tier, toten Fledermäusen und der Verwendung seltener Erden bis hin Rodung des Waldes und den darauf folgenden Temperaturanstiegen im Wald. Es gibt jede Menge davon – den Unterschied macht nur der Ton.