„Stiller Alarm“ für Marktler Feuerwehr
Nach Unfall bei Marktl: Drei mutmaßliche Geldautomaten-Sprenger sind gefasst – wo ist der Vierte?
Auf ihrer Flucht fackelten die mutmaßlichen Automatensprenger offenbar ein Auto ab, das andere fuhren sie zu Schrott. Wie die alarmierten Feuerwehren den außergewöhnlichen Einsatz erlebt haben. Und über den aktuellen Stand der Ermittlungen bei der Suche nach dem vierten Täter.
Marktl/Gmunden (Oberösterreich) – Noch gibt es von Seiten der Generalstaatsanwaltschaft München und der Polizei in Österreich keine neuen Informationen zum Fall der Geldautomatensprenger von Gmunden. Sie sollen am Freitag, 16. Mai, einen Bankomaten in Gmunden gesprengt haben und flüchteten von der Polizei verfolgt durch Österreich nach Bayern, wo sie schließlich am Sonntag, 18. Mai an einem Kreisverkehr vor der A 94 scheiterten.
Von einem Verdächtigen fehlt jede Spur
Die Polizei geht davon aus, dass bei der Sprengung in Gmunden vier Männer am Werk waren. In Marktl konnten nur drei Männer aus dem Unfallauto geholt werden. Bei den Beschuldigten handelt es sich um einen 35-Jährigen und zwei 36-Jährige, alle drei sind niederländische Staatsangehörige. Sie wurden festgenommen. Wo der mutmaßlich vierte Täter die Flucht ergriff, ob beim Fahrzeugwechsel in Österreich oder erst in Bayern, müssen die weiteren Ermittlungen klären. Aktuell liegen der Polizei keine neuen Erkenntnisse vor. „Es hat noch keine Befragung der Festgenommenen gegeben“, erklärte eine Polizeisprecherin der Landespolizeidirektion Oberösterreich auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen.
Die Generalstaatsanwaltschaft München beantwortet Montagfrüh keine Fragen am Telefon. Deren Sprecher, Oberstaatsanwalt Thomas Hörmann, verwies stattdessen auf eine Pressemitteilung. Diese sei gerade in Arbeit und solle am Montagabend veröffentlicht werden. Er ließ sich nur entlocken, warum seine Behörde und nicht wie sonst üblich die Polizei die Auskünfte übernimmt. „Das ist letztlich eine Frage der Auslieferung“, erklärte er in aller Kürze, dass die österreichischen Behörden zuständig sind. „Da die Täter von Österreich nach Deutschland geflüchtet sind, werden sie zur weiteren Strafverfolgung wahrscheinlich wieder dorthin ausgeliefert.“
Auf der Flucht gleich mehrere Fahrzeuge verbraucht
Laut Landeskriminalamtes Oberösterreich hatten die Täter ihr eigentliches Fluchtfahrzeug durch die Wucht bei der Sprengung des Geldautomaten selbst unbrauchbar gemacht. Deshalb nahmen die vier bewaffneten Männer einem feiernden Abiturienten in Gmunden seinen VW Tiguan ab. Dieses zweite Fluchtfahrzeug wurde noch am Tag der Tat, gegen 22 Uhr, in einem Waldstück bei Aichkirchen (Oberösterreich) brennend vorgefunden.
Auto in Nähe der Feuerwehr abgefackelt
Andreas Pennetzdorfer, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Aichkirchen wurde mit seinen Kameraden zum Brandort gerufen. „Wir hatten an diesem Abend gerade eine Besprechung in unserem Feuerwehrhaus, als wir einen lauten Knaller hörten, das war so um fünf vor 10“, berichtet er von dem Zufall. Um 22.08 Uhr wurde die Feuerwehr mit dem Einsatzstichwort „Brand Wald“ über die Sirene alarmiert. „Bereits bei der Anfahrt war von weitem ein heller Feuerschein und eine hohe Rauchsäule im Wald sichtbar. Das Waldstück, in dem das Fluchtfahrzeug stand, ist Luftlinie nur 400 Meter von unserem Feuerwehrhaus entfernt. So schnell konnten wir nach dem Ausrücken noch nie das Eintreffen am Einsatzort melden.“
Atemschutztrupp löscht brennenden VW im Wald
Ein brennendes Auto, noch dazu von Bankomatensprengern, zu löschen sei für ihn und seine Feuerwehr ein mehr als ungewöhnlicher Einsatz gewesen. Da er selbst Polizist ist, wusste er zwar von dem Verbrechen in Gmunden, hatte aber nicht damit gerechnet selbst ein Teil des Falles zu werden. „Als wir den Brandort erreicht haben, stand das Auto auf einem Waldweg in Vollbrand, es hatte ein Gmundener Kennzeichen“, erinnert sich Pennetzdorfer. Die Flüchtigen hatten also, anders als es die Polizei vermutete, keine niederländischen Kennzeichen angeschraubt. „Nachdem unser Atemschutztrupp das Auto abgelöscht hatte, wurde das ausgebrannte Wrack von der Kriminalpolizei für die Spurensicherung übernommen.“
Abschlepper per Seilwinde an Einsatzort gebracht
Nach Abschluss der Untersuchungen durch den Brandermittler wurde die Bergung des Fahrzeuges angeordnet und das Abschleppunternehmen verständigt. „Wegen der schlechten Zufahrtsmöglichkeiten gestaltete sich die Bergung als äußerst schwierig“, so der Kommandant. „Die Feuerwehr unterstützte den Abschlepp-LKW mit Seilwinde und Zugfahrzeug, damit er zum Einsatzort gelangen konnte.“ Nach circa vier Stunden konnte das Fahrzeug geborgen werden und der Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr Aichkirchen sowie dreier weiterer Feuerwehren war beendet.
„Stiller Alarm“ für Marktler Feuerwehr
Zu dem Unfall mit dem dritten Fluchtfahrzeug, einem Einser BMW mit Münchner Kennzeichen, wurde die Freiwillige Feuerwehr Marktl per Pager, mit sogenanntem „stillen Alarm“ gerufen. „Das hat nichts damit zu tun, dass der Alarm mit einem Verbrechen zu tun hatte“, erklärt deren Kommandant Wolfgang Vilzmann. „Wir wurden nur mit dem Stichwort Verkehrsunfall alarmiert, was einem Kleinalarm entspricht.“ In schwereren Fällen würden die Sirenen heulen.
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„Langt‘s nichts an“
Vor Ort bekamen die Feuerwehrleute eine eindeutige Anweisung der Polizei. „Es hieß, langt´s nichts an“, sagt Vilzmann. Denn es war nicht auszuschließen, dass sich in dem Unfallauto weiterer Sprengstoff befindet. So nah war die Marktler Wehr noch nie an solchen Verbrechern. „Die Insassen waren schon aus dem Auto geholt, als wir eintrafen. Wir mussten das Auto vor dem Abrutschen von der Böschung sichern, eine Felge an eine Winde genommen und an einen Baum gehängt.“ Ansonsten leuchtete die Feuerwehr die Unfallstelle und den Landeplatz für den Rettungshubschrauber aus, mit dem einer der Verletzten ins Krankenhaus geflogen wurde. Die beiden anderen wurden per Sanka abtransportiert.
„Knallknacker“ auch in der Region aktiv
Niederländische Banden, die Geldautomaten sprengen, werden in ihrem Heimatland „Plofkrakers“, deutsch „Knallknacker“, genannt. Sie gehen seit Jahren in Deutschland auf Raubzüge, ursprünglich mit Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Auch in Bayern waren sie regelmäßig am Werk. Unter anderem in Töging und Egglkofen, wo sie bei der Sprengung von Geldautomaten jeweils großen Sachschaden anrichteten. Dabei schreckten die skrupellosen Täter auch nicht vor der Gefährdung im selben Gebäude lebender Menschen zurück. Die Die Täter der Sprengung in Töging konnten gefasst werden und landeten vor Gericht. Heimische Banken versuchten nach den Raubzügen ihre Geldautomaten besser zu sichern.

