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Moderne Zeiten am Amtsgericht Mühldorf

Falsche Corona-Zertifikate: Einstellung des Verfahrens per Online-Sofortüberweisung?

Online-Banking Amtsgericht
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Der Amtsrichter forderte die sofortige Zahlung mehrerer hundert Euro. Dank Online-Banking klappte das direkt aus dem Mühldorfer Gerichtssaal.

Das Amtsgericht in Mühldorf verhandelte gegen zwei Brüder: Die Fälle waren relativ klar. Größeren Beratungsbedarf löste aber die Bezahlung der nötigen Geldauflagen aus.

Mühldorf – Zwei Brüdern wurde vom Amtsgericht Mühldorf am selben Tag der Prozess gemacht. Der eine war in der Früh dran, der andere am Nachmittag. Beiden wurde Geldwäsche vorgeworfen. Sie sollen, ohne überhaupt einen Corona-Test gemacht zu haben, Testbescheinigungen bekommen haben. Damit konnten sie sich Zugang zu diversen Veranstaltungen verschaffen, der ihnen ohne negativen Test verwehrt geblieben wäre.

Zwei Brüder, achtmal Geldwäsche

Anhand der Anklageschrift legte Staatsanwältin Christiane Lannes den Mühldorfer Brüdern einmal drei und einmal fünf Fälle von Geldwäsche zur Last. Geldwäsche deshalb, weil sich die ausgestellten Testzertifikate, aus einer rechtswidrigen Tat stammten. Denn der Betreiber von insgesamt vier Corona-Teststationen in Waldkraiburg, Mühldorf und Frixing hat sich die nicht durchgeführten Tests von der Kassenärztlichen Vereinigung bezahlen lassen. Gegen ihn wurde umfangreich wegen Abrechnungsbetrug ermittelt, dabei tauchten neben vielen anderen die Namen der beiden Angeklagten in Chats auf. Weitere Geldwäsche-Prozesse werden folgen.

Der Früh-Angeklagte, ein derzeit arbeitsloser Mühldorfer, war selbst nicht zur Verhandlung erschienen, sein Anwalt Axel Reiter aber mit einer Vollmacht ausgestattet. Er gab für seinen 31-jährigen Mandanten eine Erklärung ab. „Er bekam von diesen Bescheinigungen ohne Test erzählt, und ist der Verlockung erlegen“, schilderte der Anwalt. Drei Zertifikate habe er auf diese Weise im Januar 2022 erhalten. „Nachdem er erfahren hat, dass das ganze nicht mit rechten Dingen zugeht, hat er davon wieder Abstand genommen.“

Angebot der Staatsanwaltschaft verpennt

Da andere Verfahren mit diesem Tatkomplex gegen eine entsprechende Geldauflage von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurden, beanspruchte der Verteidiger für seinen Klienten Gleichbehandlung. Also Einstellung des Verfahrens und Zahlung von 400 Euro im ersten Fall plus jeweils 50 Euro für die weiteren angeklagten Fälle von Geldwäsche. Das hätte der Angeklagte gleich nach Zustellung des Strafbefehls haben können, ging damals aber nicht auf dieses Angebot ein. Laut Anwalt aus Unwissen.

Der Vorsitzende Richter Dr. Christoph Warga konnte sich mit dieser Wendung anfreunden: „Ich hätte gesagt, 500 Euro mit Zahlungsbeleg fürs Gericht, dann ist der Fall endgültig eingestellt.“ Auch die Staatsanwältin stimmte diesem Vorgehen zu.

Überweisung so schnell wie möglich

Für ein Telefonat des Verteidigers mit seinem Mandanten wurde die Sitzung unterbrochen. Er erreichte dessen Lebensgefährtin, die bereit war, das Geld zu überweisen. Nur sollte das alles noch in derselben halben Stunde über die Bühne gehen, um den Prozesstag nicht durcheinander zu bringen. Mit dem Anwalt zur Bank gehen, überweisen und gleich danach den Beleg zum Richter bringen? Es entspann sich eine Diskussion über die beste Vorgehensweise.

Handy auf den Kopierer legen?

Als am schnellsten wurde die Online-Sofortüberweisung der 500 Euro befunden, über die sich die Gefangenenfürsorge Bernau freuen kann. Aber wie den Online-Beleg in die Papierakte des Gerichts bringen? Richter, Staatsanwältin und Protokollführer überlegten. Hochladen und runterladen? Das Handy auf den Kopierer legen? Zu guter Letzt der Geistesblitz: Einen Screenshot des Belegs machen und als Anhang in einer E-Mail an den Protokollführer schicken. Der könnte es im Gerichtssaal auf Papier ausdrucken und in der Akte abheften.

Per E-Mail und Ausdruck in die Akte

Gesagt, getan – „geschafft“, kommentierte Richter Warga. Der Überweisungsbeleg trudelte per E-Mail ein und wurde nach einem Fehlversuch im Querformat, schließlich im Hochformat ausgedruckt. Einen Ausdruck für ihre Akten bekam auch Staatsanwältin Lannes, die im Gegenzug die Einstellung nach Paragraf 153, Satz 2 beantragte. Verteidiger Reiter stimmte dem mit einem knappen „Jawoll“ zu und das Gericht stellte das Verfahren gegen Bruder 1 ein.

Wenige Stunden später das gleiche Spiel im Fall von Bruder 2, der nachmittags selbst zur Verhandlung erschien. Der Student soll im Januar 2022 fünf gefälschte Testbescheinigungen erhalten haben und ließ seine Anwältin Ines Vanselow sprechen. „Sein Kumpel wollte damals ständig etwas unternehmen, ins Fitness oder eine Bar gehen“, führte sie aus. „Weil mein Mandant keinen Test hatte, hat sich der Freund darum ‚gekümmert‘.“ Der Angeklagte habe ein ungutes Gefühl bekommen. Die Freundschaft habe er längst beendet, es tue ihm wahnsinnig leid und er würde so etwas auf keinen Fall wieder machen.

Test-Bestellung unter „Bros“

Allerdings wollte er nicht für die fünf angeklagten Fälle gerade stehen, er habe nur zwei Zertifikate erhalten. Er sei ohne Einkommen, werde von den Eltern unterstützt. Vor Gericht wurde festgestellt, dass bei der Auswertung der verräterischen Chats ein Fehler unterlaufen sei. Die Brüder wurden dabei ein paar mal verwechselt. „Wir gehen beide Fitness“, zitierte Richter Warga aus einem Chat-Verlauf. „Ich brauche ein Test für X sein Bruder.“ Der Betreiber der Teststation antwortete mit „Ja, Bro“, darauf der Besteller „Danke Bro, kein Stress Bro.“ Zwei Vorwürfe gegen den Angeklagten wurden schließlich fallengelassen.

„Haben Sie Online-Banking?“

Wie auch sein Bruder will der Nachmittags-Angeklagte das Angebot der Einstellung gegen Zahlung einer Geldauflage nicht verstanden haben, erst seine Anwältin habe ihn darüber aufgeklärt. „Ich würde mich dem Vorgehen wie bei seinem Bruder nicht verwehren“, signalisierte Richter Warga. „Haben Sie Online-Banking?“, fragte er den Angeklagten. Er erklärte ihm die Sache mit der Sofortüberweisung, dem Screenshot und der E-Mail ans Gericht, als würde das bei Gericht schon immer so laufen. Erst musste der Angeklagte sich aber Geld von seinen Eltern anweisen lassen, danach überwies er zusammen mit seiner Anwältin 600 Euro an die Kreisverkehrswacht Mühldorf. Mit Vorliegen des Belegs wurde auch dieses Verfahren eingestellt.

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