Krisengespräche zur Windkraft im Chemiedreieck
Das Windpark-Dilemma in Altötting: Hubert Aiwanger und die Suche nach Lösungen
Nach dem Bürgerentscheid gegen den geplanten Windpark im Landkreis Altötting steht die Frage im Raum: „Woher soll der grüne Strom für das Chemie-Dreieck denn nun kommen?“ Lösungen müssen her. Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger lud deshalb zum Krisengespräch nach München.
Altötting/München – In einer hochkarätigen Runde, angeführt von Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger, wurde am Dienstag, 6. Februar, die Zukunft des geplanten Windparks im Landkreis Altötting diskutiert. Mit dabei war auch Altöttings Landrat Erwin Schneider und insgesamt zehn Bürgermeister umliegender Gemeinden. Flankiert wurde die Runde von Umwelt- und Forstexperten sowie den Projektverantwortlichen des Windparks von Qair Deutschland.
Die Entscheidung der Mehringer Bürger gelte es zunächst zu akzeptieren, denn: Wenn genug Leute zustimmen, habe das Ergebnis die gleiche Kraft wie eine Entscheidung des Stadtrats oder Kreistags: „Die Gemeinde Mehring hat die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt und dieser Beschluss ist von der Kommunalaufsicht nicht beanstandet worden“, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium nüchtern.
Auf der Suche nach den (erneuerbaren) Alternativen
Trotz des Dämpfers durch den Bürgerentscheid in Mehring sieht sich das Projekt aber nach wie vor auf einem guten Weg, so das Büro des Wirtschaftsministers auf Nachfrage von innsalzach24.de. So sei sich die Runde einig, auch weiterhin die Altöttinger für eine nachhaltigere Zukunft gewinnen zu wollen – nun verstärkt über „Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung an der Wertschöpfung, Strompreisermäßigungen und einer Stärkung der regionalen Wirtschaft“, so Aiwanger in einem ersten Statement zu den Gesprächsergebnissen.
Ein erstes positives Resümee zum Treffen in München zieht auch Altöttings Landrat Erwin Schneider: „Es war ein sehr konstruktives Gespräch. Das Thema Windpark im Landkreis Altötting wurde zwischen dem bayerischen Wirtschaftsministerium, den betroffenen Bürgermeistern und meiner Person intensiv besprochen und hoffentlich auch ein Stück weit vorangebracht.“ Und auch erste konkrete Ansätze sollen bereits diskutiert worden sein. Wie Investor Qair bereits zuvor mitteilte, will das Unternehmen auch weiterhin an der Umsetzung des Projektes festhalten – zunächst sogar mit unverändertem Umfang. Bei einer verringerten Anlagenzahl stünden schließlich Neuplanungen mit einer reduzierten Projektvariante im Raum, so das Unternehmen auf Nachfrage.
Landrat Erwin Schneider stimmt zu und konkretisiert: „Nachdem mit dem Bürgerentscheid in Mehring nun 10 Windräder wegfallen, gehe ich persönlich nicht davon aus, dass der bislang geplante Umfang von 40 Windrädern realisiert werden kann. Aber auch eine abgespeckte Version ist für den Landkreis und die Region wichtig und sinnvoll.“ Und dennoch: „Der Windpark im Staatsforst kann nur ein Anfang sein. Ich bin der festen Überzeugung, dass an allen Standorten in Bayern, an denen Windräder wirtschaftlich sinnvoll zu betreiben sind, auch Windkraftanlagen realisiert werden, auch wenn es vielleicht fünf, 10 oder 15 Jahre dauert“, so Schneider. Bis dahin sei jede Kilowattstunde, die regenerativ produziert werde, absolut dringend nötig. Eine Abkehr von den nicht-erneuerbaren Energien als Alternative sieht Landrat Schneider dagegen noch nicht; mehr noch: „Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass funktionsfähige Kernkraftwerke wieder in Betrieb genommen werden müssen.“
„Weil es um die Zukunft geht..“: Burghausen zeigt weitere Problembereiche auf
Auch Burghausens Erster Bürgermeister Florian Schneider erkennt die Notwendigkeit einer klaren Strategie zur Förderung regenerativer Energie im Landkreis Altötting – insbesondere in seiner Heimatstadt. Er fordert nachdrücklich Unterstützung für grünen Strom, um den Chemiestandort Deutschlands zu erhalten. Schneider betont die Bedeutung des Windparks für die lokale Industrie, sichere Arbeitsplätze und hohe Lebensqualität. Er plädiert für geschlossene Unterstützung seitens der Staatsregierung.
Ein starkes Bekenntnis der lokalen Bürgermeister zum Windpark sei dabei essenziell. „Wir müssen zusammenstehen. Hier sind auch die Bürgermeister gefragt, weil es um die Zukunft aller geht und daher das Projekt Windkraft noch besser erklärt und beschrieben werden muss“, so Florian Schneider. Umwelt- sowie bewohnerverträgliche Maßnahmen, eine Lösung für das PFOA-belastete Erdreich und attraktive Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten würden schließlich ihr Übriges tun, um den Industriestandort Burghausen zukunftsfähig zu machen.
„Maximale Kommunalfreundlichkeit“ gegen „absoluten Stillstand“
Kritik hagelt es von Landrat Erwin Schneider dagegen in Richtung der Regierung, die die Region erst in die Situation gebracht hätten: „Diese maximale Kommunalfreundlichkeit, die auf einen Aufsichtsratsbeschluss der Bayerischen Staatsforsten aus dem Jahr 2011 zurückgeht, (...) ist dem Freistaat Bayern nun auf die Füße gefallen. Der Freistaat hätte die Kommunen nicht zwingend fragen müssen – kein privater Grundeigentümer würde so etwas machen“, so Landrat Schneider nach dem Treffen mit Wirtschaftsminister Aiwanger zu innsalzach24.de. Und weiter: „Das Ergebnis ist nun, dass ein relativ geringer Teil der Bevölkerung über das Schicksal dieses für ganz Bayern wichtigen Projekts entscheiden kann. Das finde ich bedenklich. Man stelle sich nur vor, dieses Prozedere würde auch beim Bau von Stromleitungen, die durch ganz Deutschland gehen, umgesetzt werden und jede Kommune könnte ein Veto gegen eine bestimmte Trassenführung einlegen. Dieses Vorgehen würde zum absoluten Stillstand führen.“
Stillstand soll es zumindest bei den Gesprächen zwischen Aiwanger und den Bürgermeistern nicht geben. Das Ministerium kündigte bereits am Dienstag weitere Diskussionsrunden an: „Konkret werden wir in den nächsten Wochen mit jeder einzelnen Kommune das Gespräch suchen und Lösungsmöglichkeiten für das Projekt Windpark ausloten.“
sl
