Aufgeben ist keine Option
Wursten „in der Pampa“: Wie Wolfgang Oswald aus Maitenbeth dem Metzgerei-Sterben trotzt
Allein, abseits der Zentren – in einem Beruf, der von einem großen Betriebssterben bedroht wird: Metzgermeister Wolfgang Oswald aus Maitenbeth lässt sich nicht unterkriegen! Warum er nach 13 Monaten Schließung wegen Erkrankung weitermacht.
Maitenbeth – Wiesen, Wälder, prächtig blühende Bauerngärten, wenig Verkehr, Stille: In Etschlohe, ein Ortsteil von Maitenbeth, ist es ländlich-ruhig. Ein Idyll mit nur sechs Anwesen. Eins davon: eine Metzgerei. Ein ungewöhnlicher Platz für Ladengeschäft und Wurstküche. Denn Laufkundschaft gibt es hier nicht. Die „Land-Metzgerei Oswald“ trägt ihren Namen deshalb zu Recht: Mehr Land geht nicht. Wie kann sich ein Handwerksbetrieb in Zeiten des Metzgerei-Sterbens (laut Statistischem Bundesamt sind mehr als 8000 in den vergangenen 20 Jahren aufgegeben worden) halten, noch dazu an diesem Standort fernab der Ortszentren?
Wolfgang Oswald (55) sitzt entspannt in der Küche des Elternhauses und sagt lachend: „Ja, wir sind in der Pampa. Doch es funktioniert.“ Im Jahr 2000 hat sich der Metzgermeister nach jahrelanger Angestelltenzeit in Ebersberg daheim selbstständig gemacht. Er baute den Stall zur Wurstküche um, Kühlräume, eine Trockenanlage für Gewürze sowie einen Klima-Reiferaum ein und erstellte einen Anbau für das Ladengeschäft. Hier hilft ihm seit 22 Jahren eine Nachbarin beim Verkauf. Die Kunden fahren nach Angaben von Oswald von weit her: aus dem gesamten Landkreis Mühldorf, aus Hohenlinden, Isen und Dorfen.
„Die Familie hält zusammen“
Trotzdem: Es war und ist ein schwieriges Unterfangen, so weit außerhalb der Zentren und abseits der großen Erschließungsstraßen eine Metzgerei zu führen, räumt Oswald ein. „Die Familie hält zusammen“, sagt der Single mit Blick auf die Eltern, die den Sohn unterstützen, etwa beim Kochen und Ausliefern für den ebenfalls angebotenen Partyservice.
Geholfen haben sie ihm auch, als ihn 2023 eine Unfall-Serie ereilte: Am 17. Juni vergangenen Jahres stolperte Oswald über einen Putzeimer: Knie zertrümmert, Oberschenkel gebrochen. Danach folgte ein weiteres Unglück: Der Maitenbether, noch ungeübt im Gang mit den Krücken, stürzte im Bad. Erneuter Oberschenkelbruch. 13 Monate lang blieb der Betrieb geschlossen – eine auch emotional schlimme Zeit für Oswald, wie er betont. Er musste lernen, geduldig zu bleiben, sich intensiv um seine Gesundheit zu kümmern. Eine Auszeit, die ihm im Nachhinein, wie er einräumt, gutgetan habe. „Ich stand kurz vor dem Burnout. Anscheinend hat es so sein müssen.“
Berühmt für seinen Leberkäs
Jetzt ist er wieder da: Er räuchert, wurstet, zerteilt und stellt unter anderem wieder seinen Leberkäs her, für den er vor allem bekannt geworden ist. 200 Kilo pro Woche verkaufte er früher an eine Maitenbether Tankstelle, wo viele nicht nur hielten, um ihr Auto mit Sprit zu befüllen, sondern auch, um „Wolfgangs Leberkäs-Semmel“ zu genießen. Warum sie so gut schmeckt, verrät der Metzgermeister nicht. „Geheimrezept“, sagt er nur. Es komme auf die richtige Balance zwischen Rind- und Schweinefleisch an „und auf die Würzung.“
Die Verarbeitung von Fleisch ist sein Leben und selbst nach der 13-monatigen Auszeit kam es für ihn nicht infrage, den Betrieb aufzugeben und sich als Metzgermeister anstellen zu lassen: mit festen Arbeitszeiten und ohne die manchmal als erdrückend empfundene Eigenverantwortung. Angebote gäbe es genug, denn der Personalmangel macht der Branche stark zu schaffen. Doch Oswald mag seine Selbstständigkeit nicht aufgeben. „Ich hänge an meinem Betrieb. Ich habe es mir schließlich alles mit eigener Hände Arbeit aufgebaut“, erklärt er. Und gibt zu: „Ich denke, mir würde es schwerfallen, mich unterzuordnen und nicht mehr mein eigener Herr zu sein.“
Neustart mit Hindernissen
Also ging es nach langer Krankenzeit zurück in die Wurstküche. Ein Start mit Hindernissen, denn die Geräte und Maschinen für die Fleischverarbeitung hatten nach der Betriebspause Stand-Schäden. Teure Reparaturen mussten stattfinden. Auch die Kundschaft, die 13 Monate woanders eingekauft hatte, muss zurückgeholt werden. Die Isenerin, die an diesem Nachmittag nach Ladenschluss vorfährt, um sich zu erkundigen, ob wieder auf sei, wird sicherlich wiederkommen: Sie zählt eine lange Liste für Bestellungen auf. „Schön, dass du wieder da bist“, sagt sie.
„Das macht Mut“, betont Oswald gerührt. Denn die Zeiten seien schwer für einen Handwerksbetrieb wie seinen. „Die Auflagen und die Bürokratie“, nennt er seufzend als Grund. Seine Metzgerei hat eine EU-Zulassung, deshalb werde sie nicht nur vom Veterinäramt des Landkreises, sondern auch von der Regierung von Oberbayern überprüft. Die Kontrolleure kommen, zum Teil kostenpflichtig, mehrmals im Jahr, um die Einhaltung der Hygienevorschriften zu überwachen, berichtet Oswald. Zwei Drittel der Arbeitszeit muss er nach eigenen Angaben mittlerweile für die Dokumentation und den Schriftverkehr verwenden.
Vertrauen aufbauen durch Transparenz
Dabei würde er viel lieber in der Wurstküche stehen. Sie hat ein großes Schaufenster mit Blick auf jetzt eine frisch gemähte Wiese: „Mir können die Leute beim Arbeiten zuschauen“, sagt Oswald. Transparenz: Das ist nach seiner Erfahrung wichtig. Er darf vor Ort, ein Standort im Außenbereich, nicht selber ein Schlachthaus errichten, diese Arbeit erledigt für ihn ein ehemaliger Lehrling oder ein befreundeter Schlachtbetrieb. Doch er kann die Verarbeitungstechniken erklären, den Blick in die Wurstküche ermöglichen. Vertrauen aufbauen, nennt Oswald dies.
Das sei auch wichtig, weil der Trend zur fleischlosen Ernährung sich fortsetze. Der 55-Jährige legt Wert auf die Feststellung, dass auch er nicht täglich Fleisch isst, sondern gerne vegetarisch. „Die Mischung ist das gesündeste“, ist er überzeugt, „viel Gemüse und Salat, regelmäßig ergänzt durch gutes Fleisch.“ Das brauche er, weil er körperlich arbeitet. „Da ist die Eiweiß-Zuführung wichtig.“
Es wird weniger gekocht
Doch nicht nur der Trend zur vegetarischen und veganen Ernährung mache dem Metzgerhandwerk zu schaffen. Es werde auch weniger Fleisch gekauft, weil weniger gekocht werde, stellt Oswald fest. „Früher haben wir am Wochenende vor Weihnachten Tag und Nacht gearbeitet und riesige Berge an Bestellungen hergerichtet“, erinnert er sich. Heutzutage seien festliche Tafeln mit umfangreicher Speisefolge für eine große Familie nicht mehr so üblich wie früher. In vielen Single- oder Paar-Haushalte werde weniger selbst gekocht.
Größtes Problem für Metzgereien: Personalnot
Ein Ein-Mann-Betrieb mitten im Nirgendwo? „Warum nicht?“, sagt Innungsobermeister Josef Berghammer zur Wiedereröffnung der Metzgerei von Wolfgang Oswald. Kunden seien bereit, auch weite Strecken auf sich zu nehmen, solange das Produkt die entsprechende Qualität hat. „Eine Pizzeria mit einem guten Ruf kann sich auch im letzten Eck halten, wenn die Qualität stimmt, genauso ist es auch mit einer Metzgerei.“
Grundsätzlich, stellt Berghammer fest, gehe es dem Metzger-Handwerk gut. „Wir können von unserem Einkommen gut leben“, sagt er. Finanziell seien die meisten Betriebe gut aufgestellt, der Kundenstamm sei ebenfalls konstant, würde tendenziell sogar wachsen. „Junge Familie kaufen wieder bewusster Fleisch ein und gehen zum Metzgereibetrieb. Viele schätzen das Handwerk und die Qualität wieder mehr“, sagt Berghammer. Auch einen Trend zur mehr vegetarischer oder veganer Ernährung könne die Innung nicht feststellen. „Wir Metzger essen auch nicht jeden Tag Fleisch, das ist auch nicht gesund“, sagt Berghammer, aber die Personen, die tatsächlich komplett auf Fleisch verzichten würden, lägen konstant bei etwa zwölf bis 13 Prozent der Bevölkerung.
Das Problem für viele Metzgereien sei vielmehr die Personalnot. 22 Betriebe sind derzeit in Berghammers Innungsbereich Mühldorf-Altötting angesiedelt. In seinen zwölf Jahren als Innungsobermeister hat er vier Schließungen miterlebt, weitere zwei Metzgereien würden in baldiger Zukunft den Betrieb aufgeben wollen. Der Grund für die meisten: Der Nachwuchsmangel. „Metzger und Metzgereifachverkäufer sind keine Berufe, die ‚in‘ sind“, so Berghammer. Obwohl die Bezahlung auch währender Ausbildung gut sei und der Beruf „wahnsinnig interessant“, habe dieses Handwerk einen schlechten Ruf. Viele hätten falsche Vorstellungen davon, wie in einer Metzgerei gearbeitet werde, deshalb gebe es wenig Auszubildende und viele Betriebe müssten aufgrund des Nachwuchsmangels schließen.
