„Dahoam am Land“: Die Familienkolumne von Andreas Reichelt, Folge 15
Streitthema für die Familie: Mit dem Handy vorm Fernseher
„Das Gesicht kenne ich doch!“ Wie oft sehen wir im Fernsehen eine Person und erkennen sie nur unspezifisch wieder. Sie kommt uns bekannt vor, ja. Aber woher? Meine Töchter haben dafür eine ganz einfache Lösung. Die ich nicht leiden kann.
Dahoam - Gemeinsam fernsehen, Schwarzwaldklinik oder Baywatch. Zusammen lachen, mitfiebern und dabei Popcorn oder Chips essen. So stellt sich meine Generation einen Fernsehabend vor. Gut, „Schwarzwaldklinik“ war natürlich eine Übertreibung, dafür bin sogar ich zu jung. Nehmen wir lieber Knight Rider.
Aber die heutigen Kids sind es gewohnt, YouTube-Videos oder Kurzclips in irgendeinem sozialen Medium oder einer für mich dubiosen App zu schauen, mal lachend, mal kopfschüttelnd. Den längeren Handlungssträngen eines Films zu folgen ist vielfach zu anstrengend. Was aber vor allem neu ist: Sie sitzen mit dem Handy vor dem TV. Entgegen aller anders lautenden elterlichen Anweisungen.
„Das Gesicht kenne ich doch!“ Wir Eltern stellen uns nach dem vagen Wiedererkennen auf eine Diskussion, ein ungefähres Graben im „Hirnkasterl“ ein. „Das ist XY, Du kennst ihn aus der Serie …“, schmettert plötzlich ein Kind in den Raum und ist schon wieder bei einem anderen Clip angekommen. Woher sie das weiß? In Sekundenschnelle wird gegoogelt, das Ergebnis überflogen und sofort wieder vergessen.
Diese Denke erklärt übrigens auch das ständige „Alexa, wieviel ist 12 mal drei“, das uns während der Hausaufgaben durch die Kinderzimmertüren entgegenschallt. Und das beim Fehlen der US-amerikanischen Helferin aus der Konserve zu frappierenden Rechenfehlern führt. Wenn nach Werner Heisenberg Bildung, das ist, was nach dem Vergessen des Gelernten übrig bleibt, was bleibt dann den Kindern? Eine genetische Disposition zur Sprachsteuerung? Ein Smartphone-Daumen als Weiterentwicklung unseres damaligen Gameboy-Daumens?
Wie dem auch sei, eines steht jedenfalls fest: Die Kinder von heute konsumieren und denken anders. Sie sind die Generation „Digitalisierung“. Und wir erleben diesen Wandel mit. Kürzlich schaltete ich für zwei Tage meine iPhones aus. Als Ergebnis war mir über den gesamten Zeitraum hinweg langweilig, immer wieder musste ich den Impuls unterdrücken, die Dinger einzuschalten. Wenn mir zum Beispiel nicht einfallen wollte, woher ich das Gesicht eines Schauspielers kenne. Unsere Kinder sind da sogar noch mehr mit ihren Handys verbunden.
Doch rund einmal die Woche erkenne ich Licht am Ende des Tunnels, das hoffentlich nicht von einem entgegenkommenden Zug rührt. Dann nämlich, wenn meine Kinder freiwillig von der Schule in die Bücherei gehen, weil sie neue Bücher leihen müssen. In den dortigen Leseecken lernen sie dann gleich noch Latein bis der Bus kommt. Oder Mathe. Ohne Tablet, Smartphone oder Alexa.
„Da gibt es nicht so viele Ablenkungen, da kann ich mich besser konzentrieren“, sagen sie. Wie schön! Auch wenn ich leider die Welt nicht mehr um 30 Jahre zurückdrehen kann zu einem Zeitpunkt, an dem das Internet keine Rolle spielte, so haben meine Überzeugungen doch dazu geführt, dass die Kinder Bücher lieben, freiwillig Bibliotheken besuchen und den eigenen Lernerfolg kritisch beäugen. Alles auf dem Weg also.
Nur, wie der Schauspieler heißt, ist mir immer noch nicht eingefallen. Googeln werde ich es diesmal aber nicht!
ar