„Dahoam am Land“ - Die Familienkolumne von Andreas Reichelt (Folge 8)
Handy aus und ab an den See: Wie man in den Ferien alles richtig macht
Sie sind der Inbegriff der menschlichen Entspannung: Ferien. Müsste man nicht die lästigen Schulzeiten dazwischen meistern, wäre das Schülerleben quasi ein Paradies. So die Vorstellung von Eltern. Doch dass Schüler wie Lehrer diese Auszeiten bitter nötig haben, steht auf einem anderen Blatt.
Bayern/Dahoam - Die Sommerferien sind zur Hälfte vorbei, geschafft haben wir nichts. Unsere Bilanz ist verheerend. Weder hat Familie Reichelt alle Lateinlektionen nachgeholt, die einer Vertiefung bedürfen, noch wurde der Dachboden entrümpelt. Die Kinderzimmer sehen aus, als ob der Sperrmüll sein Kommen angekündigt habe, und meinem Büro steht die Umzugsoptik auch nicht.
Langsam macht sich eine gewisse Torschlusspanik breit. Ob wir all die auf die Ferien vertagten Projekte noch stemmen können? Ich habe Zweifel. Doch wenn man es genau nimmt, haben wir das dringlichste und nachhaltigste Anliegen bewältigt: Das Leben unserer Töchter sollte wieder vom unscharfen Rand ums Handy herum abrücken und zu greifbarem, analogem Erleben mutieren.
Und tatsächlich: Während ich meine Fotogalerie am Handy betrachte - ja, auch mir ist der Widerspruch aufgefallen -, sehe ich Wanderungen, Ausflüge und Stand-up-Paddling Touren. So manchen Badesee haben wir schon besucht, sind vom Steg ins Wasser gehüpft und haben uns den Rücken dabei geprellt. Wir haben Fische verfolgt, Muscheln gefunden und Schwammerl aus dem Wald geholt. Und wenn es zu heiß war, haben wir uns gegenseitig mit dem Gartenschlauch nassgespritzt.
Fast wie die Menschen in meiner Jugend waren wir viel im Freien. Und selbst wenn nicht, dann haben wir Spieleabende organisiert, Kinofilme miteinander angesehen - übrigens alle gleichzeitig den gleichen Film, nicht jeder am Tablet oder Handy was anderes - und zuletzt sogar kulturelle Orte besucht. Ach ja, wir haben alle möglichen Lego-Sets wieder aufgebaut. Auch meine uralte Legoritterburg aus Kindheitstagen.
Der einzige, der scheinbar immer mit dem Handy unterwegs war, war ich selbst. Aber das erfrischende Treiben mit der Kamera festzuhalten war wichtig, es sei mir verziehen. Irgendwann will man ja auch ein Fotobuch erstellen. Außerdem müssen wir ja beweisen, dass wir tolle Ferien hatten, auch ohne eine Reise nach Kroatien oder Südfrankreich. Wir sind gewissermaßen ins Familienleben vor der Digitalisierung gereist, haben das echte Leben genossen und sind ein bisserl weg, von dem Unsinn im Internet.
Noch einmal durchdenke ich unsere bisherige Ferienbilanz. Den Dachboden haben wir immer noch nicht entrümpelt, stimmt. Aber eigentlich haben wir mehr erreicht, als wir dachten. Wir haben das Familienleben wieder etwas aufs Wesentliche zurückgeführt und Freude am Leben gespürt. Ja, wir hatten Zeit füreinander, ohne Handy, Internet und irgendwelche Bildschirme gefüllt mit Müll, den keiner braucht.
Während ich diese Kolumne schreibe, sind die Kinder mit meiner Frau beim Klettern und gehen anschließend Trampolin-Springen. Zu Papier gebracht wird mir klar: Einfach mal alles richtig gemacht. Der Dachboden ist ja auch nach den Ferien noch da. Leider.
ar
