„Ein Miteinander geht nicht“
Ein Einzelfall in Grassau? – So gehen Jäger und Landwirte mit dem vermeintlichen Wolf um
In Grassau wurde ein gerissenes Reh gefunden. Der Täter: Aktuellen Vermutungen nach ein Wolf. Die Überprüfung läuft. Handelt es sich um einen Einzelfall? Wie gehen Jäger und Landwirte damit um? Und: Was sollte man tun, wenn man einem Wolf begegnet?
Grassau/Chiemgau – Streift ein Wolf durch die Region? Jüngste Vorfälle lassen Vermutungen laut werden. So entdeckte am Freitag (5. April) ein Jäger am Golfplatz in Grassau ein Reh, das einen Wildfraß aufwies. Die von der Polizei angefertigten Beweisfotos vom Tatort und vom gerissenen Reh lassen laut Landratsamt auf einen Wolf hindeuten. „Ich habe auch Bilder von Spuren im Sand gesehen, die höchstwahrscheinlich einem Wolf gehören“, sagt Jakob Sichler, Vorstand der Jagdgenossenschaft Grassau. Bestätigt ist der Verdacht aber noch nicht, aktuell wird der Fall im Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) untersucht.
Weitere Risse seien aktuell in Grassau laut Sichler nicht bekannt, jedoch erinnert er an einen Vorfall Mitte März, bei dem in Übersee ein Alpaka gerissen wurde. Auch hier wird ein Wolf als Täter vermutet, mit den Untersuchungen ist derzeit ebenfalls das LfU beauftragt.
Wolf verliert die Scheu
„Aber auch in den letzten Jahren konnten Wölfe in der Umgebung beobachtet werden“, fügt Sichler hinzu. Wie berichtet, war das im Juli vergangenen Jahres der Fall, als wohl im Bereich der Hefter-Alm solche großen Beutegreifer gesehen wurden, wenige Tage darauf berichtete eine Landwirtin aus Übersee von einer Begegnung mit einem Wolf.
„Das Problem ist, dass die Jagd nicht erlaubt ist“, sagt Sichler. Der Wolf habe keinen direkten Feind und vermehre sich recht schnell. Weil er nicht mehr gejagt werden darf – wie es bis Ende des 20. Jahrhunderts der Fall war – verliere er die Scheu vor dem Menschen. „Und das kann in Zukunft zu weiteren Problemen führen.“
Deshalb sei es laut Jagdvorstand Sichler umso wichtiger, dass Jäger, Bauern, Tierschützer und Politiker einen verträglichen Kompromiss finden, wie mit dem Wolf umgegangen wird, in Gegenden, wo er keinen Platz hat. In Grassau gebe es viele Landwirte mit Tierhaltung, nicht jeder Hof könne dementsprechende Zäune oder Sicherheitsmaßnahmen anbringen. „Und es gibt ja Regionen, mit vielen Äckern und Wäldern, wo kaum Tiere gehalten werden, da hat er Platz.“
„Entweder Almwirtschaft oder Wolf“
Viele Menschen hätten auch keine Berührungspunkte zu diesem Thema, daher sollte es mehr kommuniziert werden, findet Sichler. Der Meinung ist ebenso Johann Steiner, Traunsteiner Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV). Er betont auch: „Solche Meldungen über Wölfe sind für uns Landwirte sehr beunruhigend.“ Vor allem zur aktuellen Zeit. Normal beginnen Landwirte Ende April damit, ihre Tiere auf die Weidehaltung an Almen vorzubereiten. Aufgrund des warmen Wetters habe die Vegetation aber in diesem Jahr früher eingesetzt und daher werden die Tiere schon Anfang April mit dieser Haltung vertraut gemacht.
„Die sind sich jetzt noch unsicher, müssen sich erstmal an den großen Freiraum und auch an Menschen gewöhnen, und wenn dann plötzlich ein Wolf auftritt, werden die Kühe verängstigt und unruhig“, sagt Steiner. Das führe dann zu weiteren Problemen. Für ihn steht fest: „Entweder Almwirtschaft oder Wolf, ein Miteinander geht nicht.“ Steiner selber habe auf seinem Hof die Erfahrung mit einem Luchs gemacht, der sich den Tieren genähert und sie beunruhigt habe. Das habe sich auch auf die Milchmengen ausgewirkt.
Bei einer Begegnung mit dem Wolf:
Dass der Wolf einem Menschen aktuell bei einer Begegnung gefährlich werde, hält das LfU aber für unwahrscheinlich. Der Bereich „Wildtiermanagement“ schreibt auf der Homepage: „Der Wolf ist von Natur aus vorsichtig und weicht dem Menschen aus. Im Einzelfall können besonders Jungtiere dem Menschen gegenüber unerfahren und neugierig sein.“ Das stelle aber keine Gefährdung des Menschen dar.
Kritisch sieht es der Grassauer Jagdvorstand Sichler allerdings, wenn Hundebesitzer auf einen Wolf treffen: „Wolf und Hund könnten sich für Rivalen halten und aufeinander losgehen.“ Besonders schlimm würde die Begegnung verlaufen, wenn dann die Besitzer dazwischen gehen.
Bei einer Begegnung mit dem Wolf empfiehlt das LfU, sich respektvoll gegenüber dem Tier zu verhalten. Man soll sich langsam vom Tier entfernen, Hundebesitzer sollen ihre Tiere anleinen und nahe bei sich halten. Der Wolf sollte auch nicht verfolgt oder gefüttert werden. „Die Tiere lernen sonst sehr schnell, menschliche Anwesenheit mit Futter zu verbinden und suchen dann eventuell aktiv die Nähe von Menschen“, erklärt das LfU.