Bürgermeister wirft Politik „trügerische Sicherheit“ vor
Spukt der Wolf im Chiemgau? Dritte Sichtung binnen neun Tagen in Grassau
Nun wird es aber ernst in Sachen Wolf in Grassau. Nachdem bekannt wurde, dass es zu einer beunruhigenden Entdeckung auf der Hefter-Alm gekommen ist, war der Aufschrei groß. Doch was viele nicht wussten: Es gab dort neun Tage zuvor bereits eine weitere mysteriöse Sichtung. Jetzt meldet sich der Bürgermeister zu Wort.
Grassau – Ein Wolfsspuk erschüttert erneut die beschauliche Gemeinde Grassau. Während sich viele noch an den letzten Vorfall am Freitag (7. Juli) erinnern, als die Sennerin der Hefter Alm, Irmi Guggenbichler, mit einer beunruhigenden Entdeckung konfrontiert, aber „abgewimmelt“ wurde, enthüllt sich nun eine weitere Wolfsgeschichte aus dem Chiemgau.
Dritte Wolfssichtung innerhalb von neun Tagen im Chiemgau
Theresa Schönberger, die gemeinsam mit ihrer Familie einen landwirtschaftlichen Bio-Betrieb in Übersee führt, erzählt nun von einer mysteriösen Begegnung nur neun Tage zuvor – am Mittwoch (28. Juni). Zusammen mit ihrem treuen Vierbeiner streifte sie zur Mittagszeit durch das idyllische Land und hielt nach ihren Kälbchen auf der Nachbarweide Ausschau. Was sie jedoch erwartete, war mehr als nur eine gewöhnliche Weidenszene.
Die ruhigen Gemüter der Kälber schienen in Aufruhr zu sein, als wäre das Unheil selbst in der Luft spürbar. Verängstigt und aggressiv reagierten sie auf den Hund, obwohl sie ihn bestens kannten und es nie zuvor einen Zwischenfall gab. Doch die wahre Quelle der Unruhe blieb vorerst verborgen.
Als Schönberger den Hügel emporstieg, um vielleicht auch den Ursprung des Rätsels zu ergründen, enthüllte sich ihr ein Anblick, der ihr den Atem stocken ließ. In der Ferne, etwa 200 Meter entfernt am Waldrand, schlich ein großes Wesen durch das Dickicht. Es war wohl ein Wolf, der seine geheimnisvolle Präsenz zur Schau trug. Das eindringliche Aufeinandertreffen der Blicke ließ eine ungewisse Verbindung entstehen, bevor der Wolf in den Tiefen des Waldes verschwand.
„Wenn bisher nichts passiert ist, haben alle Glück gehabt“
Schönberger, mehr als überrascht von dieser Begegnung, zögerte keine Sekunde und informierte umgehend die Almbäuerin der Hefter Alm sowie die örtliche Polizei. Diese leitete den Vorfall an das Staatsforstamt, das Landratsamt und den zuständigen Jagdpächter weiter, wie man auf Nachfrage der OVB Heimatzeitungen erfahren konnte.
„Es ist kein schönes Gefühl zu wissen, dass ein Wolf unterwegs ist“, gibt sie zu verstehen und fügt hinzu: „Wenn bisher nichts passiert ist, haben alle Glück gehabt. Aber uns muss bewusst sein, dass es irgendwann passieren kann.“ Ihre Stimme bebt am Telefon vor Sorge, denn es geht hier nicht nur um gerissene Tiere, sondern auch um den unermesslichen Schrecken, den solche Begegnungen bei Tieren auslösen können. Vorsicht geboten ist spätestens von nun an auch für Wanderer – vor allem mit Hunden.
Grassau lieferte bereits Ideen – aber scheiterte am Landtag
Während sich die Marktgemeinde Grassau erneut mit dem Thema Wolf auseinandersetzen muss, erinnert sich Bürgermeister Stefan Kattari (SPD) an vergangene Diskussionen und Beschlüsse zurück. Schon im Februar 2022 hatte die Gemeinde ihre Stimme erhoben und eine Resolution zum Wolfsmanagement verabschiedet, die bis in den Landtag vorgedrungen war. Obwohl Experten der Meinung waren, dass diese Vorschläge zumindest vorübergehend für Erleichterung gesorgt hätten, stießen die Forderungen bei CSU und Freie Wähler auf Widerstand.
Bürgermeister hat einen Lösungsvorschlag für die Region
Kattari mahnt nun zur Besonnenheit. Er erkenne den dringenden Bedarf nach einem kompetenten Ansprechpartner für die besorgten Almbauern und schlägt vor, eine zentrale Person für mehrere Landkreise – beispielsweise in Rosenheim, Traunstein und Berchtesgadener Land – einzusetzen, der innerhalb einer Stunde vor Ort sein könnte. Auch deshalb, weil die DNA-Proben für den Gentest zügig abgenommen werden müssten.
Allerdings betont er auch, dass die Lösung nicht allein in den Bestandskontrollen und damit verbunden der Abschusspraxis oder dem Aufstellen von Zäunen zu finden ist. Vor allem im Bereich des Einzäunens seien die Hürden und Hindernisse auf diesem Weg extrem hoch. „Die Almbauern müssten im Vorfeld eine hohe fünfstellige, ja sogar sechsstellige Summe auf den Tisch legen, bevor eine Förderung überhaupt anerkannt wird“, weiß Kattari. Es bedarf deshalb einer soliden Unterstützung seitens der öffentlichen Hand, wodurch auch der Staatshaushalt nicht belastet wäre.
Wunsch nach wolfsfreien Gegenden – vergeblich
Die Zeiten ändern sich und Kattari ist sich sicher – auch wenn er sich Wolfs-freie Gegenden für die Almbauern wünschen würde – dass Begegnungen mit Wölfen in den kommenden Jahren wohl zur neuen Normalität werden könnten. Statt in Angst zu verharren, fordert er aber einen gemeinsamen Schulterschluss und Lösungen, die allen Beteiligten wirklich weiterhelfen. Gemeinsam müssen sie – wohl oder übel – lernen, mit den Wölfen zu leben, die „über Nacht bis zu 70 Kilometer zurücklegen können“.
Kattari wirft Politik „trügerische Sicherheit“ vor
Insbesondere erhebt Grassaus Bürgermeister seine Stimme gegen die „trügerische Sicherheit“, die den Menschen suggeriert wird – vermutlich Wahlkampfzwecken verschuldet. Nicht zuletzt bezeichnet der über 40-Jährige es als „verheerend“, dass die Regierung den Betroffenen nicht konkret helfen möchte. Die Geschichte von Grassau und den Wölfen ist noch nicht zu Ende geschrieben. Sie entwickelt sich weiter, mit jeder Begegnung, mit jeder Diskussion und mit jedem Schritt, den die Gemeinschaft gemeinsam geht.
Eine Anfrage beim Landesamt für Umwelt (LfU) blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
mck