Ticker: Mord-Prozess gegen Sebastian T. aus Aschau
Neue Erkenntnisse durch Hannas Kleidung? – so geht es am Gericht jetzt weiter
Zog sich Hanna (†23) ihre tödlichen Verletzungen am 3. Oktober 2022 etwa nur in der reißenden Prien zu? Dieser Frage soll am heutigen, 21. Prozesstag am Landgericht nachgegangen werden. Die Verteidigung arbeitet an der Entlastung des Angeklagten, Sebastian T. aus Aschau.
Update, 14.40 Uhr – Weitere Gerichtstermine festgelegt
Richterin Jacqueline Aßbichler schleppt einen großen Karton in den Gerichtssaal. In einzelnen Päckchen sind dort Hannas Kleidungsstücke verstaut, die sie am 3. Oktober 2022 trug. Mit blauen Gummihandschuhen packt sie ein Kriminalpolizist aus. „Das ist die Hose“, präsentiert er Hannas langes schwarzes Beinkleid. Alle – Schöffen, Richter, Verteidiger, Staatsanwälte – versammeln sich um ihn.
Auch ihre Jacke oder ihre Tasche werden ausgepackt und gezeigt. Die einzelnen Kleidungsstücke werden auf Material oder abgewetzte Stellen analysiert – ohne, dass man daraus neue Erkenntnisse gewinnen würde. Überhaupt: Der heutige Prozesstag am Landgericht bedeutete weitgehenden Stillstand. Auch der Angeklagte selbst hat sich nach wie vor noch nicht zu den Vorwürfen geäußert.
Weil es zusätzliche Zeugen, wie Angestellte der Wasserkraftwerke an der Prien, braucht und auch die neuen Gutachten, wie zum Strömungsgeschehen der Prien, präsentiert werden müssen, hat das Gericht jetzt zusätzliche Verhandlungstage im Januar festgelegt. Verhandelt wird also noch am morgigen Freitag (22. Dezember) und dann am 4., 11., 16., 23., 25. und 30. Januar, sowie am 1. und 8. Februar. Am morgigen Freitag geht es weiter mit dem psychiatrischen Gutachten über Sebastian S.
Update, 13.15 Uhr – Knapp zwei Stunden Videomaterial
Das Video ist knapp zwei Stunden lang: Im Schneckentempo wurde mit einer Drohne der Bärbach in Aschau und die Prien bis zu Hannas Fundort bei Kaltenbach abgeflogen – eine Strecke von zwölf Kilometern. Man sieht Brücken, Seitenarme, Mühlen oder kleine Kraftwerke in einer leicht verschneiten Landschaft von Ende November. Und Gewässer, die wesentlich weniger Wasser führen als damals, am 3. Oktober 2022. Etwa viermal so hoch war der Wasserpegel der Prien damals.
Mal herrscht minutenlang Stille im Gerichtssaal beim Betrachten der Bilder, mal wird diskutiert – meist wenig aufschlussreich. Wie groß ist diese oder jene Brücke? Liegt da ein Stein? Wie groß ist der? Lag er auch am 3. Oktober 2022 schon da? Auf all die Fragen kann der Kriminalpolizist, der das Video vorführt, keine Antworten geben.
Von Mühlen liegen entlang der Prien, in der Hannas lebloser Körper trieb. Nur noch eine wird aktiv als Mühle betrieben, die anderen als kleine Elektrizitätswerke. Das Gericht will es noch genauer wissen: Die Angestellten der Mühlen, die an jenem 3. Oktober 2022 Dienst hatten, sollen ebenfalls noch als Zeugen geladen werden. Und Richterin Aßbichler gibt jetzt auch offiziell den Auftrag für ein hydromechanisches Gutachten.
Andreas Malcharek, Experte für Wasser- und Hydromechanik von der Bundeswehruniversität Neubiberg, soll ein Gutachten erstellen. Wie verhält sich ein lebloser Körper mit den Maßen von Hanna im Fluss? Laut Aßbichler soll er Antworten liefern, wie sich Wasserwalzen im Gewässer bildeten, wie ein Körper auf diese Wirbel und Strudel reagiert, ob ein Körper Schleusen passieren kann. Über allem steht die Frage: Können Hanns Verletzungen an Kopf und Oberkörper auch erst im Wasser passiert sein und nicht durch Sebastian T.?
Nun soll die Kleidung, die Hanna W. am 3. Oktober trug, und die zum Teil entlang des Flusses gefunden wurden, vor Gericht präsentiert und angeschaut werden.
Update, 10 Uhr – „Knast-Zeuge“ im Fokus
„Heute geht es um das Drohnenflug-Video. Wir werden uns das Gewässer anschauen“, beginnt Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler die heutige Verhandlung. Doch zuvor kommt ein neuer Beweisantrag der Verteidigung. Wieder geht es um die Aussage des „Knast-Zeugen“. Er sagte aus, Sebastian T. habe ihm an Weihnachten 2022 in Untersuchungshaft die Tat gestanden. In dem vertraulichen Gespräch habe ihm der Angeklagte gesagt, dass er „sexuelle Absichten“ gehabt habe. Und auch, dass es keine DNA-Spuren gebe.
Jetzt holt Verteidiger Markus Frank aus. Könnte der Mithäftling all diese Informationen auch aus der Zeitung gehabt haben? Hat er sich das ganze „Geständnis“ von Sebastian T. nur zusammengereimt, in dem er Zeitungsberichte nacherzählte? Verteidiger Frank listet all die Medienberichte auf, die vor seiner Zeugenaussage am Gericht im November erschienen. Zum Teil war dort nämlich auch schon von fehlenden DNA-Spuren oder sexuellen Absichten des Angeklagten die Rede.
Chiemgau-Zeitung, Donaukurier, TZ, Süddeutsche Zeitung … die Liste der Printmedien und Artikel, die Frank aufzählt, ist lang. Handys haben Gefängnisinsassen nicht, aber Zeitungen dürfen sie lesen. Es ist der nächste Schritt der Verteidigung, den „Knast-Zeugen“ unglaubwürdig zu machen.
Bereits in den letzten Wochen meinten die Verteidiger: Der Mithäftling sei schon früher als „notorischer Lügner“ aufgefallen. Er habe sich durch die Belastung Sebastian T.s Vorteile für sein eigenes Verfahren erhofft. Auch er sitzt wegen eines Sexualdelikts.
Vorbericht:
Traunstein/Aschau im Chiemgau - War es Sebastian T., der Hanna die vielen schweren Verletzungen im Kopf- und Schulterbereich zufügte? Oder zog sich die junge Aschauerin all das erst zu, als sie in der reißenden Prien trieb? Auf Initiative der Verteidigung wurde vor drei Wochen eine Staffel der Bundeswehr losgeschickt. Mit einer Drohne flog sie die 600 Meter des Bärbachs in Aschau und die zwölf Kilometer der anschließenden Prien ab, in der Hanna W. am 3. Oktober 2022 ertrank. Am heutigen Donnerstag (21. Dezember) wird das Video vor dem Traunsteiner Landgericht gezeigt. Der Prozess beginnt um 9 Uhr.
Nicht nur Treibholz oder Steine, sondern auch Brückenpfeiler oder Wasserkraftwerke hätten Hannas Körper zusetzen können, meinten Sebastian T.s Anwälte. Über die Pegelstände zu Hannas Todeszeitpunkt wurde bereits einiges vor Gericht bekannt - es herrschte Hochwasser: 103 Zentimeter betrug der Pegelstand der Prien in Aschau, normalerweise sind es nur 25 Zentimeter. Genau zu Hannas Todeszeitpunkt, gegen 2.45 Uhr, habe der Fluss seinen Scheitelpunkt erreicht, sagte ein Kriminalpolizist bereits aus. Etwa 30.000 Liter Wasser strömten damals pro Sekunde die Prien hinab.
Zuletzt ging es im Mordprozess gegen Sebastian T. um die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin, der besten Freundin des Angeklagten. Außerdem wurde sein Surf-Verhalten im Internet analysiert. Ganz überwiegend waren es Pornos, die sich Sebastian T. vor der mutmaßlichen Tat anschaute - auch explizit gewalttätige. Suchbegriffe, nach denen er im Internet unter anderem Ausschau hielt: „stranguliert“, „gezwungen“, „Vergewaltigung“ oder „Gewalt“.
Angeklagt ist Sebastian T. aus Aschau im Chiemgau. Er soll am 3. Oktober vorigen Jahres Hanna W. auf ihrem Heimweg vom Club „Eiskeller“ bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen und sie dann in den Bärbach nahe der Kampenwandbahn geworfen haben. Dort ertrank die damals 23-Jährige. Sebastian T. war anfangs für die Polizei nur als wichtiger Zeuge interessant, da er zur Tatzeit als Jogger gesehen wurde. Am 17. November 2022 wurde er jedoch festgenommen, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die Anklage lautet auf Mord. Mit einem Urteil wird aktuell im Februar gerechnet.
chiemgau24.de wird aktuell vom Prozess berichten.
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