Ticker: Prozess um mutmaßlichen Mord an Hanna W. aus Aschau
Heuer fix kein Urteil mehr im „Fall Hanna“ - Prozess könnte sich bis ins Frühjahr ziehen
Traunstein/Aschau im Chiemgau - Weiterhin viele Fragezeichen und die Schritte, mit denen sich das Gericht voranarbeitet, sind klein: Am heutigen Mittwoch geht der Prozess zur Klärung von Hanna W.s Tod in den 15. Tag. Das Programm dürfte wieder abwechslungsreich werden - unter anderem soll die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ nochmal analysiert werden.
Update, 14.45 Uhr - Heuer fix kein Urteil mehr im „Fall Hanna“
Ursprünglich war das Urteil im „Fall Hanna“ für 22. Dezember geplant. Doch daraus wird nichts. Inzwischen ist es offiziell, dass das Gericht vier weitere Prozesstage angesetzt hat: den 4. und 25. Januar sowie den 1. und 8. Februar. Ob an jenem 8. Februar dann das Urteil fällt, steht aber auch noch in den Sternen. Wegen der neuen, von der Verteidigung geforderten Gutachten ließ Richterin Aßbichler durchblicken, dass sich der Prozess dann bis in den März hineinziehen könnte.
Die Wahrheitsfindung gestaltet sich nach wie vor schwierig. Der Angeklagte schweigt weiterhin, Zeugen der Tat scheint es nicht zu geben. Die Verhandlung wird für heute unterbrochen und am Donnerstag (30. November) ab 9 Uhr fortgesetzt.
Update, 13 Uhr - Verteidigung will neue Gutachten und Zeugen
Mit Zeugen der Kripo werden jetzt die Pegelstände der Prien am 3. Oktober 2022 analysiert. Normalerweise liegt sie in Aschau rund 25 Zentimeter über dem Bachbett, doch zur Tatzeit zwischen 2.30 und 2.45 Uhr hatte der Fluss mit 103 Zentimeter seinen Höchststand. „Das entspricht ungefähr 30.000 Litern Wasser pro Sekunde“, so der Kriminalpolizist – eine kaum vorstellbare Wucht, mit der Hanna W. mitgerissen worden sein muss. Die Wassertemperatur lag bei knapp zehn Grad.
Auch heute schwebt die Frage durch den Raum: Könnten Hannas schlimme Verletzungen auch erst im Bärbach und in der Prien entstanden sein? Vor allem die Verteidigung verfolgt diesen Ansatz. Denn allein an der Prien gibt es vier Wasserkraftwerke und natürlich verschiedenste Brückenpfeiler - „oder auch Treibholz könnte eine Rolle gespielt haben“, so Rechtsanwalt Harald Baumgärtl.
Anfang dieser Woche wurde deshalb eigens eine Hubschrauberstaffel der Bundeswehr vom Gericht losgeschickt. Mit einer Drohne wurden 600 Meter des Bärbachs in Aschau und zwölf Kilometer der anschließenden Prien abgeflogen. Das Material soll nächste Woche vor Gericht gesichtet werden, um genau solche Hindernisse in den Flüssen zu analysieren und um zu sehen, wo genau Hannas Kleidungsstücke gefunden wurden.
Regina Rick will weiteren Sachverständigen
Die Wahlverteidigerin Regina Rick stellt noch einen weiteren Beweisantrag: Sie will einen Professor für Hydromechanik laden, um zu beweisen, dass die Riss-Quetsch-Wunden an Hannas Kopf „ganz typische Treibverletzungen“ sein können. Zum Beispiel durch den Zusammenprall mit Steinen. Außerdem soll Professor Syn Schmitt aus Stuttgart dazu eine computergestützte biomechanische Simulation erstellen.
„Das müssen wir uns anschauen. Es kostet schließlich sehr viel Geld und Zeit“, so Richterin Aßbichler. Und zudem müssten dann noch weitere Verhandlungstermine angesetzt werden...
Update, 10.35 Uhr - Mutmaßlicher Hanna-Mörder habe im Gefängnis ausgepackt
Einer der wichtigsten Zeugen des ganzen Prozesses steht heute wieder im Mittelpunkt: ein Mitgefangener von Sebastian T. Er saß mit ihm in der JVA Traunstein und wandte sich kurz nach Prozessbeginn an seinen Anwalt – denn der Angeklagte habe ihm gegenüber die Tat gestanden. Bereits am 24. Oktober sagte er als Zeuge vor dem Landgericht aus. Jetzt wird das Video von seiner ersten Vernehmung im Gefängnis gezeigt. Es stammt vom 16. Oktober, also vier Tage nach Prozessbeginn.
Eine Aussage des 23-jährigen Häftlings sticht besonders heraus: „Der wahre Täter ist der Herr T., zumindest in meinen Augen. Ich glaube, er hat mir die Wahrheit gesagt.“ Als die Vernehmung beginnt, wirkt der junge Mann anfangs noch nervös, wird dann aber immer lockerer und gelöster. Das entscheidende Gespräch mit Sebastian T. habe in der Vorweihnachtszeit stattgefunden.
„Zuerst sagte er mir beim Hofgang nur, dass er wegen dem Mordfall beim ‚Eiskeller‘ einsitzt. Er sei nicht der Täter und nur zufällig beim Joggen gewesen“, berichtet der Zeuge vom ersten Gespräch mit Sebastian T. in U-Haft. Und: dass es angeblich keine Spuren gäbe. Doch einige Tage später, beim Watten in der Zelle, bohrte der Mithäftling nochmal nach. Denn er hatte Zweifel an der Jogger-Version „und wir sind gut miteinander klargekommen“.
Er habe Hanna „missbrauchen und vergewaltigen“ wollen
Bei diesem zweiten Gespräch habe Sebastian T. dann „ausgepackt“: Hanna W. habe er vom Sehen gekannt und sie „missbrauchen und vergewaltigen“ wollen. Der Angeklagte habe ihm ein „sexuelles Interesse“ an Hanna gestanden. „Und dass er sie irgendwie bewusstlos geschlagen und in den Fluss geschmissen hat.“ Später fügt der Knast-Zeuge noch hinzu, dass sich Hanna laut Sebastian T. zuvor wohl gewehrt habe.
„Das hat eine Aussagekraft!“, meint die Kripo-Beamtin im Hintergrund, die den Mann im Video vernimmt. Auch der Zeuge sagt: „Ich musste da erst mal schlucken. Ich hätte es ihm nicht zugetraut.“ Nach dem Gespräch habe Sebastian T. „bestürzt und traurig“ gewirkt, „er war fertig“. Der Zeuge glaubt zwar nicht, dass Sebastian T. Hanna töten wollte. Trotzdem ist er sich sicher, dass jetzt der richtige auf der Anklagebank im Landgericht sitzt.
Angst vor Feinden im Knast
Und warum packte der Knast-Zeuge erst nach Prozessbeginn aus, zehn Monate nach Sebastian T.s offensichtlichem Geständnis? „Damals wollte ich nicht, dass es im Gefängnis herauskommt, dass ich jemanden verpfeife. Im Knast ist es schlecht, Feinde zu haben.“ Zwischenzeitlich habe er die Gespräche wieder verdrängt.
Doch als er im Fernsehen vom Prozessauftakt erfuhr, wandte sich der 23-Jährige dann an seinen Anwalt. „Ich wollte, dass der wahre Täter gefunden wird. Und das ist Herr T.“
Vorbericht
Welche Verletzungen rührten von der brutalen Gewalt des Täters her? Und welche zog sich Hanna W. erst in den reißenden Gewässern, dem Bärbach und der Prien, zu? Auch wenn Gerichtsmediziner Hannas Verletzungen am jüngsten Prozesstag klar benennen konnten: die Ursachen sind nicht immer klar. Unter anderem auch deshalb sollen heute ab 9 Uhr vor dem Traunsteiner Landgericht die Pegelstände von Bärbach und Prien am 3. Oktober 2022 nochmal genauer unter die Lupe genommen werden.
Mord an Hanna W. aus Aschau? 15. Prozesstag am Landgericht
Außerdem wird auch die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ das Gericht beschäftigen. Am 9. November vorigen Jahres widmete die Sendung der Tötung von Hanna W. einen Beitrag. Zwischenzeitlich sagten vor Gericht auch Mitinsassen des Angeklagten Sebastian T. vor Gericht aus. Doch welche Infos konnten die Häftlinge nur von ihm erfahren? Und welche bekamen sie möglicherweise durch die Sendung mit? Es ist bereits der 15. Prozesstag, der am heutigen Mittwoch in Traunstein über die Bühne gehen wird.
Fest steht für die Gerichtsmedizin, dass Hanna W. erst im Wasser durch Ertrinken zu Tode kam. Maximal vier bis fünf Minuten dürfte es gedauert haben. Weil sowohl Bärbach als auch Prien in der Nacht auf 3. Oktober 2022 Hochwasser führten, habe sie keine Chance gehabt, das Wasser aus eigener Kraft zu verlassen. Für die Gerichtsmedizin auffallend waren vor allem Brüche eines Halswirbels und beider Schulterdächer bei Hanna W.
Angeklagt ist Sebastian T. aus Aschau im Chiemgau. Er soll am 3. Oktober vorigen Jahres Hanna W. auf ihrem Heimweg vom Club „Eiskeller“ bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen und sie dann in den Bärbach nahe der Kampenwandbahn geworfen haben. Dort ertrank die damals 23-Jährige. Sebastian T. war anfangs für die Polizei nur als wichtiger Zeuge interessant, da er zur Tatzeit als Jogger gesehen wurde. Am 17. November 2022 wurde er jedoch festgenommen, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die Anklage lautet auf Mord, Verhandlungstage sind bisher bis kurz vor Weihnachten angesetzt.
chiemgau24.de wird aktuell vom Prozess berichten.
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