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Prozess um Tötung von Hanna W. aus Aschau

„Komisch“, scheu, impulsiv - und bei der Bergwacht gescheitert: Welche Person Sebastian T. ist

Die Strafverteidiger Harald Baumgärtl und Dr. Markus Frank und den Angeklagte Sebastian T. am Landgericht in Traunstein.
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Noch vieles offen im Fall Hanna: Die Strafverteidiger Harald Baumgärtl und Dr. Markus Frank und der Angeklagte Sebastian T. am Landgericht in Traunstein.

Es ist der inzwischen zehnte Verhandlungstag vor dem Landgericht - und noch immer sprechen nur Indizien gegen Sebastian T. Es geht um die Tötung der 23-jährigen Medizinstudentin Hanna aus Aschau. Welchen Beitrag können die nächsten Zeugen leisten, die heute aussagen?

Update, 16.51 Uhr – Sebastian T. ein Risiko für die Bergrettung

Mit 14 kam Sebastian T. zur Jugend der Bergwacht Aschau-Sachrang. Doch schon zwei Jahre später war schon wieder Schluss, berichtet nun der damalige Jugendleiter als Zeuge. „Wir konnten beim Sebastian kein Verantwortungsbewusstsein feststellen. Es wäre ein Risiko gewesen, ihn für die Bergrettung weiter auszuwählen“, so die ungeschminkte Aussage des 29-Jährigen, der inzwischen im pädagogischen Bereich arbeitet.

Der Zeuge sagt offen: „Er wirkte komisch auf mich und auch auf die anderen.“ Zwar sei der Angeklagte in den Jahren 2015 bis 2017 ganz regelmäßig und mit viel Freude zur Bergwacht-Jugend gekommen - „aber er war ein Einzelgänger, hat sich zurückgezogen. Es war extrem schwierig für mich, ihn in die Gruppe zu integrieren“. Immer wieder beschreibt der Zeuge, dass Sebastian T. in seiner eigenen Welt gelebt habe. „Und dann war er von jetzt auf gleich wieder impulsiv, fast schon hyperaktiv.“

Wenn er etwas unbedingt wollte, verhielt er sich wie ein Schulkind

Vor allem, wenn er etwas unbedingt haben wollte, erinnerte das Verhalten des Angeklagten damals mehr an das eines Grundschulkinds. Körperlich aggressiv sei Sebastian T. aber nie geworden. Ein ähnliches Bild zeichnet seine Hausärztin aus Aschau. Ruhig, zurückhaltend, introvertiert, eher scheu und unselbstständig – so beschreibt sie den Angeklagten. „Er ist nicht besonders aufgeweckt. Manchmal war es schwierig, ein Gespräch mit ihm zu führen.“ Die Ärztin kennt ihn seit sieben Jahren.

Wie die Staatsanwaltschaft durchblicken ließ, hat sich der Angeklagte in ihrer Praxis wohl nach dem 3. Oktober 2022 ein paar Tage krankschreiben lassen. Das ist es, was die Gerichtsbeteiligten nun am meisten interessieren würde – doch hier hapert es bei der Hausärztin des Angeklagten am Gedächtnis. Mit dem Auftrag, die komplette Krankenakte mitzunehmen, wird sie ein zweites Mal nach Traunstein kommen müssen.

Betreiber des „Eiskeller“ als Zeugen geladen

Die letzten Zeugen des heutigen Tages sind die Betreiber des Clubs „Eiskeller“ in Aschau. Dort verbrachte Hanna W. auf den 3. Oktober ihre letzte Partynacht. „Sie war der klassische Normalgast. Nicht ausfallend, nicht pöbelnd. Ein Stammgast, der gern gefeiert hat“, beschreiben sie die damals 23-Jährige. Reste des „Eiskeller“-Stempels am Unterarm von Hanna brachten die Ermittler damals auf die erste Spur, wer die Getötete sein könnte.

Dementsprechend waren die „Eiskeller“-Betreiber am Abend des 3. Oktober dann auch eng in die Ermittlungen der Kripo eingebunden. Als die Identität feststand und Hannas Eltern die schreckliche Nachricht übermittelt bekamen, konnten per SMS dann auch die anderen Angestellten des Clubs informiert werden: „Liebe Kollegen des Eiskellers. Leider muss ich Euch mitteilen, dass die W. Hanna tot aufgefunden wurde. Ein unglaublich schwarzer Tag für uns. Deshalb wird der Eiskeller am Wochenende auch nicht öffnen.“

Der Mord-Prozess wird für heute beendet und am kommenden Donnerstag (16. November) ab 9 Uhr fortgesetzt.

Update, 16.20 Uhr – Hat Sebastian T. auf einer Hausparty die Tat gestanden?

Jetzt muss ein 17-Jähriger in den Zeugenstand – auch aus dem engeren Bekanntenkreis des Angeklagten. Sein erster Eindruck von Sebastian T.: freundlich und gesprächsbereit. Das Gericht zielt bei ihm vor allem auf den 17. November 2022 ab, den Tag vor der Festnahme des Angeklagten. Bei der besten Freundin des Angeklagten fand damals eine Hausparty statt, auf der er die Tat gestanden haben soll.

Auch der 17-Jährige bestätigt das dem Landgericht. Sinngemäß sagte er vor versammelter Mannschaft: „Ich bin der Mörder von Aschau.“ Der Zeuge selbst habe das nur als Spaß aufgenommen, „drum bin ich auch nicht großartig darauf eingegangen“. Danach habe sich der Angeklagte mit Pfefferminzlikör „zugeschüttet“. Doch das Blatt sollte sich für den Zeugen noch gehörig wenden. Als er von der Festnahme Sebastian T.s erfuhr, „war meine Psyche im Arsch“.

Dass der Angeklagte in Untersuchungshaft musste, setzte ihm so zu, dass er teils nicht mehr schlafen konnte. „Es hat mich psychisch sehr bedrückt“, so der Zeuge. Er ging deshalb sogar zu einem Arzt, der in krankschrieb. Auch der Arzt selbst, von der Schweigepflicht entbunden, erscheint als Zeuge. „Was mein Patient mir erzählte, war so aufwühlend, dass es bei mir hängengeblieben ist“, so der Arzt zum Landgericht. „Er war hochemotional, berichtete von einer massiven Enttäuschung und von Sorgen um die Freundschaft.“

Richterin wendet sich nochmal an Angeklagten

Hier versucht Richterin Jacqueline Aßbichler wieder einzuhaken und wendet sich an Sebastian T. „Sie sagen nichts und auch von Ihren Eltern haben wir ja nichts erfahren. Aber wir würden gerne mehr über Sie wissen. Welcher Mensch Sie sind, welche Gefühle sie haben. Wir wollen ihre Person kennenlernen“, so die Richterin. „Wir müssen schließlich ein Urteil über Sie fällen, aber wir kennen Sie nicht.“

Nun aber werden Zeugen erwartet, die Sebastian T. relativ gut kennen und detailliert über ihn erzählen sollen. Seine Hausärztin aus Aschau sowie ein ehemaliger Jugendleiter der Bergwacht, bei der der Angeklagte zwei Jahre war – bis zu seinem Ausschluss.  

Update, 13.20 Uhr – Verdächtige Kratzer an Sebastian T.’s Unterarm

Es ist eine ganze Reihe an Zeugen, die heute vor dem Traunsteiner Landgericht erscheinen. Eine der wichtigsten: die Hausmeisterin des Katholischen Pfarrheims in Aschau – und sie liefert dem Gericht ein weiteres Indiz, das für Sebastian T. als Täter spricht. Am 7. Oktober 2022, vier Tage nach der Tat, habe er beim Ausräumen des Pfarrheims geholfen. „Er war sehr fleißig“, lobt ihn die Hausmeisterin. Aber da sei eine Auffälligkeit gewesen.

Foto vom Prozessauftakt gegen Sebastian T., 21 Jahre alt und aus Aschau im Chiemgau: Er soll am 3. Oktober 2022 die Medizinstudentin Hanna W. ermordet haben.

An seinem linken Unterarm hatte er mehrere Kratzer“, so die Hausmeisterin. Kratzer, als hätte man sich bei der Gartenarbeit an Dornen oder im Gebüsch verletzt. „Und als ich ihn darauf angesprochen hab‘, wirkte er überrascht.“ Da wird die Rechtsmedizinerin, die ebenfalls jeden Prozesstag mitverfolgt, hellhörig. Waren noch Krusten auf den Kratzern? Waren sie hell oder dunkel? Waren die Kratzer parallel zueinander? Doch an diese Details kann sich die Zeugin kaum mehr erinnern.

„Ein von Grund auf netter Kerl“

Weitere Zeugen erscheinen. Ein Freund des Angeklagten, 23 Jahre alt, beschreibt ihn als „von Grund auf netten Kerl“, ruhig und ohne Ausraster. Doch am 1. Oktober 2022, zwei Tage vor der Tat, habe man sich zum letzten Mal gesehen. Ob Sebastian T. nach der Tötung Hannas also Täterwissen preisgab, kann der Zeuge nicht sagen. Jedenfalls meint auch er: „Ich hätte dem Sebastian sowas nicht zugetraut. Aber man kann ja nie in einen Menschen hineinschauen.“

Und dann ist da noch ein 22-Jähriger, guter Bekannter von Hanna, die Familien sind gut befreundet. „An dem Abend im Eiskeller war Hanna lustig drauf, fröhlich.“ Ja, man habe ihr den Alkohol angemerkt, aber Ausfallerscheinungen zeigte sie nicht. Er sei an jenem 3. Oktober aber eine Stunde früher nachhause gegangen als Hanna. Im Laufe des nächsten Abends habe sich der ganze Freundeskreis Sorgen um Hanna gemacht. Man telefonierte, man chattete, wo sie sein könnte.

Nun wird ein Zeuge erwartet, ebenfalls aus dem engen Bekanntenkreis des Angeklagten. Er war auch bei jener Hausparty am 17. November 2022, bei der Sebastian T. vor versammelter Mannschaft – ganz nebenbei – die Tötung von Hanna gestanden haben soll.  

Der Vorbericht

Traunstein/Aschau im Chiemgau - Im Mord-Prozess gegen Sebastian T. befindet sich das Traunsteiner Landgericht momentan mitten in der Vernehmung verschiedenster Zeugen. Am heutigen Freitag werden ab 9 Uhr unter anderem ein Bekannter des Angeklagten, Gäste aus dem Club „Eiskeller“ oder Ärzte aus Aschau aussagen. Es ist und bleibt ein Indizienprozess, der um die Tötung von Hanna W. aus Aschau im Chiemgau am 3. Oktober 2022 geführt wird.

Mord an Hanna W.? Keine Tatzeugen, keine DNA-Spuren, kein Geständnis

Es gibt weder Tatzeugen, noch DNA-Spuren und gegenüber der Polizei schwieg der Angeklagte genauso wie in den bisherigen neun Verhandlungstagen. Mehrmals versuchte die Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler bereits, Sebastian T. zu einer Aussage zu bewegen. „Wir haben eine Bandbreite vom kaltblütigen Mord bis zur Verzweiflungstat“, so Aßbichler vorige Woche: „Denken Sie nochmal darüber nach. Wenn man was gemacht hat, muss man dazu stehen.“ Die bisherige Taktik der Verteidigung ist es aber, den Angeklagten nichts sagen zu lassen - zumindest bisher.

All den Zeugen kommt deshalb eine umso wichtigere Rolle zu. Sie müssen dem Gericht beim Zusammensetzen des Puzzles helfen. Im Vorfeld vernahm die Kripo ganze 1173 Zeugen. Insgesamt etwa 60 sind auch vor Gericht geladen. Zuletzt berichteten Zeugen unter anderem vom „Vorglühen“ mit Hanna am Abend vor dem Disco-Besuch, dass sie nach dem „Eiskeller“ Mitfahr-Angebote ablehnte - und von einem „ganz schrecklichen Schrei. Es war so plötzlich und völlig unkontrolliert“. Das hörte eine Rentnerin zur Tatzeit gegen 2.30 Uhr in ihrer Ferienwohnung nahe des Kampenwandbahn-Parkplatzes. Man muss davon ausgehen, dass es Hannas Schrei war.

Der Angeklagte Sebastian T. ist 21 Jahre alt und stammt wie die Getötete aus Aschau im Chiemgau. Er machte eine Lehre zum Anlagenmechaniker und wird vom Typ her als eher ruhig und schüchtern beschrieben. Ein Mithäftling, der bereits vernommen wurde, meinte: Er hätte kein Sexualleben gehabt und von den Frauen öfter Körbe kassiert. Der Angeklagte hätte sich deshalb erniedrigt und verletzt gefühlt. Laut Staatsanwaltschaft hätten ihn sexuelle Motive zur Tat getrieben.

Am 3. Oktober vorigen Jahres soll er Hanna W. auf ihrem Heimweg vom Club „Eiskeller“ bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen und sie dann in den Bärbach nahe der Kampenwandbahn geworfen haben. Dort ertrank die damals 23-Jährige. Sebastian T. war anfangs für die Polizei nur als wichtiger Zeuge interessant, da er zur Tatzeit als Jogger gesehen wurde. Am 17. November wurde er jedoch festgenommen, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die Anklage lautet auf Mord, mit einem Urteil wird vor Weihnachten gerechnet.

chiemgau24.de wird aktuell vom Prozess berichten.

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