Ominöser Auftritt einer Bekannten von Sebastian T.
Hanna-Prozess: Wie der Angeklagte und sein Umfeld in jüngsten Zeugen-Aussagen beschrieben werden
Es war der siebte Verhandlungstag im Mordprozess um den Fall Hanna, in dem die Schulfreundin des Angeklagten ein zweites Mal vernommen wurde. Doch am Freitag (3. November) waren noch weitere Zeugen geladen. Konnten deren Aussagen Einblicke in Wesen und Umfeld des Angeklagten geben?
Aschau/Traunstein – Noch ist längst nicht gesichert, dass Sebastian T. am 3. Oktober 2022 in Aschau die 23-jährige Hanna W. ermordet hat. Es gibt keinen Beweis, auch keinen Zeugen, der die Tat beobachtet hat. Der Angeklagte schweigt. Somit liegt nach sieben Prozesstagen vor der 2. Jugendkammer des Landgerichts Traunstein weiterhin vieles im Dunkeln.
Doch zeichnen sich nach den jüngsten Zeugenaussagen vom Freitag (3. November) Facetten von Sebastian T.s Wesen und Umfeld deutlicher ab. Eine Zeugin sprach zum Beispiel von schwerwiegenden Problemen in der Familie des Angeklagten.
Sebastian T. soll zum Rasen geneigt haben
Auch Verena R., die vielleicht engste Freundin des Angeklagten, steuerte Teilchen zum Puzzle bei. Sie kennt den Angeklagten seit Schulzeiten. Am Freitag sprach sie davon, dass Sebastian T. am Steuer eines Autos zum Rasen geneigt habe: „Er hat oft überholt, wo er nicht hätte überholen sollen.“
Ein weiteres Detail ihrer Aussage durchkreuzt ebenfalls das Bild eines lediglich zurückgezogenen, stillen Menschen. Verena R. sprach auch davon, wie Sebastian T. sie am 3. Oktober 2022, am Tag von Hannas Tod, mit dem Messer bedroht und gesagt habe: „Haha, jetzt bring ich dich um.“
Aussetzer gab es bei Sebastian T. wohl öfter
Ein bloßer Aussetzer? In einer früheren Aussage hatte Verena R. bereits von Aggressionen T.s gesprochen. Die fielen auch anderen auf. In einem Bericht der JVA Traunstein heißt es, dass der Angeklagte ein ruhiger, zurückgezogener junger Mann sei, ein Einzelgänger mit wenigen Kontakten, der keinerlei Gefühlsregungen zeige.
Aber auch da gibt es diese eine Ausnahme: Während des psychologischen Betreuungsgesprächs in der U-Haft sei Sebastian T. aus der Haut gefahren. Auf eine Begebenheit in seiner Vergangenheit angesprochen, habe er mit solcher Wucht gegen die Wand geschlagen, dass er sich eine Fraktur an der rechten Hand zuzog.
Ein ominöser Auftritt einer Pfadfinderin
Und dann war da die Zeugin, die am Freitag, 3. November, einen ominösen Auftritt hatte. Sie war von der Polizei als Bekannte von Sebastian T. ermittelt worden. Kennengelernt hatten sich die beiden bei einem Bundeslager der Pfadfinder. Sebastian T. beschloss dann, seine Bekannte zu besuchen – und fuhr 500 Kilometer zu ihr nach Freiburg. Es habe sie gefreut, sagte die Mutter der jungen Frau, die beiden hätten ja einiges gemeinsam gehabt. Auch ihre Tochter befinde sich in der Gruppe „eher am Rand“.
Das Mädchen zeigte dem Besucher aus Aschau die Schule, man ging essen, nach dem Eindruck der Mutter schienen sich die jungen Leute zu verstehen. Dann aber muss etwas passiert sein. Denn die junge Frau wollte mit Sebastian T. nichts mehr zu tun haben. Nur, was war da gewesen? „Ich kann mich nicht erinnern, es war ein Bauchgefühl“, sagte sie selbst ein ums andere Mal: „Ich habe es verdrängt.“ Auf die Aufforderung, den Angeklagten anzusehen, reagierte sie förmlich verstört: „Ich kann ihn nicht anschauen, ich will es auch nicht.“
Angeklagter im Mordfall Hanna: Zeugin beschreibt schwieriges Umfeld
Die klarste Aussage legte eine 19-jährige Zeugin vor, die drei Jahre lang mit einer Schwester von Sebastian T. auf die Schule gegangen war. Während einer gemeinsamen Zugfahrt vor fünf Jahren scheinen die beiden Mädchen länger miteinander gesprochen zu haben. T.s Schwester soll ihre schwierigen Familienverhältnisse geschildert haben.
„Wir konnten uns gegenseitig so ein bisschen helfen, Tipps geben, Verständnis zeigen“, sagte die Zeugin. Die Schwester des Angeklagten habe ihr offen erzählt, wie es in ihrer Familie zugehe. Dass man nach außen perfekt dastehen wolle, es aber ganz und gar nicht reibungslos laufe. So betrinke sich der Vater immer und komme dann „stockbesoffen nach Hause“. Und auch zu ihrem Bruder wusste sie etwas zu berichten: Der sei „nicht immer so nett“.
Wie stark ist der Einfluss der Familie auf den Angeklagten?
Der Einfluss der Familie ist für den Angeklagten wohl auch jetzt spürbar, womöglich stärker als vor Prozessbeginn. Die Angehörigen haben sich bereits einen Rüffel der Vorsitzenden Jacqueline Aßbichler eingehandelt – weil sie dem Angeklagten beim Verlassen des Saales zuriefen, dass sie an seine Unschuld glaubten. Der Angeklagte sei durch die Familie förmlich „ferngesteuert“, glaubt Nebenkläger-Anwalt Walter Holderle.
Tatsächlich wirkte es während der ersten sieben Verhandlungstage öfter, als ziehe Sebastian T. Kraft aus dem Blickkontakt mit den Angehörigen. Ob er Richterin Aßbichlers Appell folgt, sich doch zu erklären, um Verena R. eine weitere Vernehmung zu ersparen, scheint fraglich.
Die Verhandlung wird am 7. November im Landgericht Traunstein fortgesetzt.