Rückblick im Zeitungsarchiv
„Den Namen Stephanskirchen in aller Welt bekannt gemacht“: Die Anfangsjahre von Arri – und das Ende
Mit dem Aus für das Werk endet die Geschichte von Arri in Stephanskirchen. Wir blicken auf die ersten Jahrzehnte und auf den mit der Gemeinde eng verbundenen Firmen-Mitbegründer August Arnold zurück.
Stephanskirchen - „Anfangs April 1924 ging die Pulvermühle an die Firma ‚Süddeutsche Sprengstoffwerke‘ ‚Monachitwerke‘, über, welche sie 1932 stilllegten und abbrachen“, schließt ein Rückblick auf die Geschichte des Pulvermühle-Areals des Schloßberger Ortschronisten Konrad Kießling im Rosenheimer Tagblatt Wendelstein (RTW) am 6. Juli 1950, „Die gänzliche Auflösung erfolgte am 21. Mai 1932. Nach fast genau 100 Jahren Bestehen (1830—1932) haben die Pulvermühle und die ihr angeschlossenen Werke ihre Tätigkeit eingestellt. 31 Arbeiter büßten während dieser Zeit ihr Leben durch Unglücksfälle im Werk ein, viele andere verloren dort ihre Gesundheit.“ Begründet worden war das Werk durch den Burghauser Max Karl Hayer, über den wir bereits berichteten.
„Die Pulvermühle dient jetzt der Filmtechnik. Das rund 50 Tagwerk umfassende Gelände der ehemaligen ‚Pulvermühle‘ in Stephanskirchen ist von der Münchner Fabrik kinotechnischer Apparate Arnold und Richter KG., die auch unter dem Firmennamen Arri bekannt ist, aufgekauft worden“, vermeldete das Oberbayerische Volksblatt (OVB) am 2. Juli 1954. Im Jahr 1917 als „Arnold & Richter Cine Technik” von Robert Richter und August Arnold in München begründet, kam das Unternehmen nun in die Region. Damit begann jenes Kapitel des Areals, das nun bald mit dem Aus der Produktion am Standort Stephanskirchen enden wird.
„Den Namen der Gemeinde Stephanskirchen in aller Welt bekanntgemacht“ - Die Anfangsjahre von „Arri“
„Die durch Kriegseinwirkungen zum Teil sehr stark mitgenommenen Gebäude werden gegenwärtig so weit instand gesetzt, dass in Kürze mit dem Einzug der ersten Abteilung gerechnet werden kann“, so der Bericht von 1954 weiter, „Es handelt sich dabei vorerst um das ‚Werk II‘, das zurzeit noch im Schloss Brannenburg untergebracht ist und hauptsächlich Filmkassetten herstellt. Die jetzt 20 Arbeitskräfte zählende Abteilung soll in Stephanskirchen auf 60 Mann erweitert werden. Arnold bezeichnet vor allem die Möglichkeit der vollkommenen Ausnutzung vorhandener Wasserkräfte als eine Idealvoraussetzung seiner Absichten.“
Am 17. Dezember 1954 kann die Zeitung dann vermelden, dass sich inzwischen „manches getan“ habe, „um aus einem ehemals ziemlich vernachlässigten Grundstück ein auf vollständige Ausstattung und gepflegte Wohnlichkeit hinzielendes Reservat der Filmindustrie zu machen. Davon zeugen nicht nur die Wochenendbesuche von renommierten Fachleuten und die gelegentlichen Stippvisiten berühmter Filmschauspieler (beispielsweise Roberto Rosselini und Ingrid Bergman), sondern auch die neu geschaffenen und im Entstehen begriffenen Anlagen und die mit vorsichtiger Hand durchgeführte landschaftliche Korrektur.“
Jährliche Zunahme der Kapazität
„Von dem ehemals neunundvierzig Häuser umfassenden Gebäudekomplex sind nur einige wenige übriggeblieben, die sich vornehmlich um das Wohnhaus scharen, das durch einen Anbau derzeit wesentlich erweitert wird. Neu geschaffen wurde ein zweistöckiger Werkstattbau“, heißt es weiterhin, unter anderem, in dem Bericht von Ende 1954. „Noch besteht die Hälfte der Anlage nur auf dem Bauplan. Das Projekt, das nach der finanziellen Größenordnung einen Platz in der mittleren Reihe gleichartiger Komplexe beanspruchen dürfte, soll in ein bis zwei Jahren endgültig verwirklicht sein. Dann wird nur wenige Kilometer von Rosenheim entfernt ein ansehnliches Filmdorf entstanden sein, in dem sich die internationale Leinwandprominenz nicht selten ein Stelldichein geben dürfte.“
Machen wir einen Zeitsprung: „Seit über zehn Jahren ist die Firma Arnold & Richter KG — ein filmtechnischer Betrieb, dessen Stammwerk in München über tausend Menschen beschäftigt — mit einem Zweigbetrieb in der Pulvermühle, Gemeinde Stephanskirchen, ansässig“, blickt das OVB in seiner Ausgabe vom 21. Juni 1967 zurück, „Jährlich hat die Arbeitskapazität in diesem Zweigbetrieb zugenommen. Neben dem Bau verschiedenster Scheinwerfer, Entwicklungstanks, Entwicklungsmaschinen, Kamerastative, Kassetten- und Einzelteile für die Arriflex 16 und 35 und dem Schliff von optischen Linsen kam als letzter Bauabschnitt eine automatische Leichtmetall-Sand- und Druckgießerei dazu. Der Stephanskirchener Betrieb gibt derzeit zweihundert Fachkräften Beschäftigung.“
Arnold Ehrenbürger in Stephanskirchen
Im Jahr 1967 konnten die Firmengründer Arnold und Richter bereits auf eine ganze Reihe von Ehrungen für ihr Werk zurückblicken. Als Höhepunkt galt zu diesem Zeitpunkt die Verleihung eines Oscars für die Spiegelreflexkamera „Arriflex 35“ im April jenes Jahres. „Die Verleihung fand im Rahmen eines feierlichen Festaktes im Santa Monica-Auditorium in Gegenwart von 2500 geladenen Gästen statt. Dr. Robert Richter nahm die hohe Auszeichnung persönlich in Empfang.“ Daneben war, unter anderem, Arnold 1961 eine Ehrendoktorwürde der Technischen Universität München verliehen worden, 1967 folgte die Oskar-Messter-Medaille für Verdienste um das Filmwesen. Vor allem die Gemeinde Stephanskirchen ehrte ihn umfangreich.
„Zum Abschluss des offiziellen Teils der Feier hatte die Gemeinde Stephanskirchen für ihren verdienten und erfolgreichen Mitbürger noch eine besonders herzlich gehaltene Ehrung vorbereitet, nämlich die Verleihung des Ehrenbürgerrechts“, erfahren wir aus einem Bericht über die Feier zu Arnolds 75. Geburtstag am 18. September 1973, „Erster Bürgermeister Franz Leipold in Begleitung einer Abordnung des Gemeinderats und der beiden Landtagsabgeordneten Zenz und Neubauer ließ den Trachtenverein aufmarschieren. In herzlichen und humorvollen Worten würdigte der Bürgermeister nochmals die Verdienste seines berühmten Bürgers, der, wie bisher keiner vor ihm, den Namen der Gemeinde Stephanskirchen in aller Welt bekanntgemacht hat.“
Tod auf dem geliebten Landsitz
„Dafür gebühre ihm bereits die höchste Auszeichnung, die eine Gemeinde zu vergeben hat, nämlich das Ehrenbürgerrecht. Dazu käme aber noch, so führte der Bürgermeister aus, dass der Jubilar trotz aller Erfolge und Ehrungen ein einfacher und freundlicher Mensch geblieben ist, der auch für die Belange seiner Gemeinde und seiner Mitbürger noch Zeit findet und ohne große Worte Hilfe leistet, wo sie gebraucht wird.“ Auch sein 80. Geburtstag wurde noch groß gefeiert. Sein Kompagnon Richter war bereits 1972 gestorben. „Dem Chronisten fällt es angesichts der Fülle von Besonderheiten im Leben des Dr. Arnold schwer, die Akzente richtig zu setzen“, bemerkte der Autor eines Artikels am 11. September 1978.
Alle Blicke ins Zeitungsarchiv auf der Themenseite:
Alle bisher erschienen Artikel aus der jeden Samstag um 15 Uhr erscheinenden Reihe „Aus dem OVB-Zeitungsarchiv“ findet Ihr ab sofort auf dieser Themenseite. Aber auch diverse zusätzliche Artikel über spektakuläre Kriminalfälle, bekannte Persönlichkeiten der jüngeren Zeitgeschichte sowie andere bedeutende Ereignisse, nacherzählt an Hand von alten Zeitungsartikeln.
Am 9. April 1983 musste die Zeitung dann den Tod des Filmpioniers mit 84 Jahren vermelden: „Am Donnerstag früh starb er im Alter von 84 Jahren in der Pulvermühle in Stephanskirchen, seinem über alles geliebten Landsitz. Sein Sohn Dr. Bob Arnold, der die Firma Arnold & Richter (1000 Beschäftigte) seit einigen Jahren leitet, erfuhr die Todesnachricht in Amerika, wo er sich derzeit aufhält, um für den Vater in der Filmstadt Hollywood wieder einen technischen ‚Oscar‘ in Empfang zu nehmen.“ Bob Arnold wiederum verschied erst vor kurzem, Anfang Mai diesen Jahres.“
