Streit spitzt sich zu
AfD-Bürgerantrag zur Flüchtlings-Unterkunft: Warum Rott ihn zurückweist und das für Ärger sorgt
Rott hat den Bürgerantrag der AfD zur geplanten Flüchtlingsunterkunft zurückgewiesen. AfD-Orts- und Kreisverband reagieren verschnupft. Und schließen nicht aus, rechtliche Schritte gegen die Gemeinde zu prüfen. Die Reaktionen auf den sich zuspitzenden Streit.
Von Sophia Huber und Heike Duczek
Rott – Der Rotter Gemeinderat hat die AfD gegen sich aufgebracht. Hintergrund ist, wie berichtet, dass die Partei einen Bürgerantrag zur geplanten Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete im Gewerbegebiet „Am Eckfeld“ eingereicht hatte. In diesem Antrag hatte die AfD den Gemeinderat aufgefordert, zu beschließen, „gegen die vom Landratsamt Rosenheim verfügte Baugenehmigung bezüglich dem Gebäude ‚Am Eckfeld‘ in Rott Klage am Verwaltungsgericht einzureichen“, beziehungsweise „hilfsweise allen anderen möglichen Rechtswegen“ zu nutzen und „diese Klage durch alle möglichen Instanzen zu führen“.
Verwaltung und Gemeinderat: Antrag hat sich erledigt
In der jüngsten Sitzung hatte der Gemeinderat Rott den Bürgerantrag abgelehnt. Zwar seien mehr als die nötigen 50 Unterschriften eingereicht worden, war in der Sitzung zu hören – insgesamt haben 51 Personen unterschrieben –, der AfD seien aber Formfehler unterlaufen. Auf jedem Blatt mit Unterschriften hätte der Antragstext wiederholt werden müssen, so die Verwaltung. Das sei beim Bürgerantrag nicht geschehen, die Unterschriften seien einfach angehängt gewesen. Zudem sei der Antrag durch die Sondersitzung des Gemeinderats am 9. Januar ohnehin überholt. In dieser hatte Rott beschlossen, eine Klage und einen Eilantrag gegen die Baugenehmigung des Landratsamts einzureichen.
Die AfD jedoch ist sauer. Der Mitinitiator des Bürgerantrags der AfD in Rott am Inn, Dominic Raps, spricht in der Pressemitteilung von einem „leichtfertigen Versuch des Bürgermeisters, den Bürgerwillen zu umgehen“. Den Hinweis auf aus Sicht der Gemeinde formelle Fehler der AfD nennt Raps „politische Taschenspielertricks“. Die Darstellung, „dass sich der AfD-Bürgerantrag vom Januar bezüglich der juristischen Vorgehensweise erledigt hätte oder gar fehlerhaft war, weist die AfD in Rott strikt von sich“, lässt die Partei in einer Pressemitteilung verlauten.
AfD: „In drei Punkten falsch“
AfD-Kreisvorsitzender Andreas Winhart erklärt in dem Schreiben: „Bürgermeister Wendrock und seine Verwaltung liegen gleich in drei Punkten falsch.“ Es brauche nicht 50 Unterschriften. Fakt sei, ein Quorum von 42 Unterschriften wäre ausreichend gewesen. Doch auch die Behauptung, der AfD wären Formfehler unterlaufen, sei falsch. Offenbar habe die Gemeinde die Formvorschriften für Bürgerbegehren herangezogen, im vorliegenden Fall handele es sich aber um einen Bürgerantrag.
Das sagt der Gemeindetag
Auf Anfrage erklärt die Kommunalrechtsreferentin des Bayerischen Gemeindetags, Jennifer Hölzlwimmer, zur Frage der Vorschriften zu Bürgerantrag und Bürgerbegehren: Artikel 18 b Absatz 2 der Gemeindeordnung (GO) normiere die formellen Voraussetzungen für einen Bürgerantrag, für das Bürgerbegehren fänden sich letztlich der gleiche Gesetzeswortlaut und damit die gleichen Regelungen in Artikel 18 a Absatz 4 GO. „Für beide gilt: Der Antrag muss durch entsprechende Gestaltung der Unterschriftenlisten erkennbar vom Willen der Unterzeichner getragen sein.“ Dies habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits im Jahr 1996 ausdrücklich bestätigt. Das Gericht habe festgehalten, dass sowohl Antrag als auch Fragestellung, Begründung und Benennung der vertretungsberechtigten Personen sich auf jeder einzelnen Unterschriftenliste befinden müssten.
Nach Artikel 18 b Absatz 3 Gemeindeordnung müsse ein Bürgerantrag von mindestens einem Prozent der Gemeindeeinwohner unterschrieben sein. In diesem Punkt seien die Anforderungen an einen Bürgerantrag jedoch geringer, denn für Bürgerbegehren würden höhere Quoren gestaffelt nach Einwohnerzahlen der jeweiligen Gemeinde vorgesehen (drei bis zehn v.H.).
Winhart: AfD fordert weitere rechtliche Schritte
Winhart kritisiert jedoch auch die Ansicht der Kommune, der Bürgerantrag habe sich durch den Gemeinderatsbeschluss vom 9. Januar erledigt. Der Antrag der AfD gehe inhaltlich weit über den Beschluss des Rates hinaus, so Winhart. Auf Anfrage erläutert der Kreisvorsitzende, dass der Gemeinderat nur die Klage beim Verwaltungsgericht und den Eilantrag beschlossen habe. „Weitere rechtliche Schritte wie beispielsweise ein Berufungs-/Revisionsverfahren, Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht sind durch den Gemeinderatsbeschluss nicht mandatiert“, so Winhart.
Auch wären nach Überzeugung der AfD andere Klagewege denkbar, wenn man beispielsweise an die Trink- und Abwasserproblematik denke, unter anderem beim Verfassungsgericht hinsichtlich des Selbstbestimmungsrechts der Gemeinden. Somit sei der Bürgerantrag „definitiv nicht erledigt“. Die AfD sehe sich deshalb„gezwungen“, sollte die Gemeinde Rott dem Bürgerantrag nicht nachkommen, „rechtliche Schritte mindestens zu prüfen.“
Bürgermeister Wendrock: „Formell fehlerhaft“
Bürgermeister Daniel Wendrock äußert sich auf Anfrage zu den Vorwürfen der AfD wie folgt: „Wie immer in den Fällen formeller Bürgerbeteiligungen nach der Gemeindeordnung hat sich die Gemeinde Rott am Inn bei der Zulässigkeitsprüfung ins Benehmen mit der Rechtsaufsichtsbehörde gesetzt. Im Ergebnis wurde der Bürgerantrag, dessen Voraussetzungen gesetzgeberisch und nach ständiger Rechtsprechung an jene des Bürgerbegehrens angelehnt sind, als formell fehlerhaft erkannt, da nicht aus jeder einzelnen Unterschriftsseite der Inhalt des Antrags ersichtlich war. Auf dieser Grundlage wurde der Antrag bereits im Gemeinderat behandelt. Wenn die Antragsteller diese Rechtsauffassung nun ihrerseits als fehlerhaft ansehen, steht es ihnen im Rechtsstaat selbstverständlich frei, diese einer rechtsaufsichtlichen oder gerichtlichen Prüfung zu unterziehen.“
Dass man darüber hinaus die Geltendmachung gemeindlicher Interessen gegen die Planungen des Landratsamtes zur Sammelunterkunft auch aufgrund deren Folgeprobleme etwa für gemeindliche Infrastruktureinrichtungen lapidar als „Taschenspielertrick“ abtue, zeige darüber hinaus, „dass man sich offenbar nicht mit der ganzen, komplexen Bandbreite dieses Falles und seiner mannigfaltigen Auswirkungen auf die Gemeinde beschäftigt hat“, so Wendrock. „Aus der Historie des Falles hätte man wissen können, dass eine – mittlerweile erfolgte - Klageeinreichung gegen die Baugenehmigung ohnehin der nächste logische, von allen Fraktionen des Gemeinderates getragene Schritt sein würde.“

