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Exklusiver Einblick ins neue Wohnheim

Ganz allein in Wasserburg: So leben minderjährige Flüchtlinge in ihrem Übergangs-Zuhause

Die Leiterin des Kreisjugendamtes, Sabine Stelzmann, und Einrichtungsleiter Maximilian Niederbuchner in der neuen Erstaufnahme-Einrichtung für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Die Teenager wohnen in Zwei-Bett-Zimmern wie diesem, das gerade hergerichtet wird.
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Die Leiterin des Kreisjugendamtes, Sabine Stelzmann, und Einrichtungsleiter Maximilian Niederbuchner in der neuen Erstaufnahme-Einrichtung für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Die Teenager wohnen in Zwei-Bett-Zimmern wie diesem, das gerade hergerichtet wird.

Jung, allein, heimatlos: Viele Minderjährige sind auf der Flucht. Das Kreisjugendamt kümmert sich um sie – bald in einer zweiten Unterkunft in Wasserburg. Wir bieten einen exklusiven Einblick in die Räume des neuen Wohnheims. Was die jungen Leute brauchen und wie ihnen geholfen wird.

Wasserburg – Noch haben die Handwerker das Sagen: Sie schleppen Möbel und Kisten, installieren Schränke, räumen Zimmer um, bohren, hämmern, schrauben. In der Verwaltung laufen bereits die Bildschirme auf Hochtouren. Auf allen vier Stockwerken des neuen Heims für unbegleitete Minderjährige in Wasserburg wird derzeit gearbeitet. Denn im Januar sollen die ersten Jugendlichen einziehen. Eine Gruppe für zwölf junge Flüchtlinge unter 18 macht den Anfang.

Der zentrale Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss.

Wasserburger Heim ist eine Jugendhilfeeinrichtung

Im großen Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss bildet ein riesiger, quadratischer Tisch mit umlaufenden Bänken den Mittelpunkt. Hier werden bald junge Menschen zum Frühstücken, Mittagessen oder zu Gesprächen Platz nehmen. Einrichtungsleiter Maximilian Niederbuchner (30) feilt an den letzten Details für die Dienstpläne, denn die Jugendlichen werden nach seinen Angaben rund um die Uhr betreut – in drei Schichten, auch nachts. Sie sind noch nicht volljährig, deshalb ist ihre Unterbringung im Wasserburger Wohnheim „eine Inobhutnahme“, so das Beamtendeutsch. Zuständig dafür ist das Kreisjugendamt, das laut Leiterin Sabine Stelzmann (54) mit der Einrichtung neues Terrain betritt: Zum ersten Mal übernimmt die Behörde selbst die Trägerschaft für ein Heim für minderjährige Geflüchtete. Bisher waren es vor allem Wohlfahrtsverbände wie die Diakonie oder die Caritas.

Das Wohnheim in Wasserburg ist eine Erstaufnahme-Einrichtung. Bis zu vier Gruppen können hier dauerhaft Platz finden. Die ersten Jugendlichen, die im Laufe des Januars erwartet werden, kommen aus der Turnhalle in Raubling. Hier leben ... Geflüchtete quasi unter einem Dach: Familien, Paare, Erwachsene, die allein auf der Flucht sind, Kinder, aber auch Jugendliche ohne Begleitung aus der Familie. Kein optimales Umfeld für Teenager, findet Stelzmann. Deshalb nutzte das Jugendamt des Landkreises die Chance, das ehemalige Schülerheim der Berufsschule Wasserburg, das nicht mehr benötigt wird, anzumieten und hier eine Unterkunft nur für junge Flüchtlinge einzurichten.

Kickern und Billard spielen: Freizeitangebote in der neuen Einrichtung für minderjährige Flüchtlinge in Wasserburg.

Viele Familien werden auf der Flucht auseinander gerissen

Umbauten waren laut Kreisjugendamt nicht notwendig, denn das Gebäude wurde schon vorher zu Wohnzwecken genutzt. Die Räume seien lediglich neu strukturiert und den Anforderungen einer Jugendhilfeeinrichtung angepasst worden. Denn die jungen Flüchtlinge, die hier in der Regel für bis zu zwölf Wochen, manchmal auch länger, unterkommen, haben Biografien, die eine intensive Betreuung notwendig machen. Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Eritrea, Gambia, der Türkei und weiteren Krisen- und Kriegsgebieten. Sie waren bei der Ankunft allein, was nach Erfahrungen von Stelzmann jedoch nicht immer heißt, dass sie Waisen sind. Viele ständen in Kontakt zu ihren Familien, die noch im Herkunftsland leben würden oder in ein anderes Land in Europa geflüchtet seien. Unterwegs wurden viele Familien aus unterschiedlichen Gründen getrennt oder auseinander gerissen. Jugendliche schlagen sich oft allein durch, so die Erfahrung.

Angekommen oder zugewiesen in den Landkreis Rosenheim, benötigen die Teenager vor allem eins, weiß die Leiterin des Kreisjugendamts: „Sicherheit.“ Zentrales Bedürfnis sei es, sich aufgehoben zu fühlen. Also zur Ruhe zu kommen: ein Bett zum Schlafen haben, was zum Anziehen und zu Essen. In der Wasserburger Unterkunft sollen sie diesen Ort der Stabilität finden. Und in bis zu zwölf Wochen auf das weitere Leben vorbereitet werden. Es gehe darum, zu klären, welchen Bildungsstand die Teenager hätten, Sprachkurse zu organisieren, sie mit den Gegebenheiten in Deutschland vertraut zu machen, Anschlussmaßnahmen zu organisieren. Etwa im ehemaligen Klösterl am Ex-Romed-Krankenhaus, der zweiten Einrichtung für junge Geflüchtete in Wasserburg. Manche Jugendliche wechseln in stationäre Einrichtungen wie jene oder auch in ambulante betreute Wohngruppen, manchmal gelinge auch die Zusammenführung der versprengten Familie.

Bildungsstatus sehr unterschiedlich

Die Verständigung: mit Gesten, Piktogrammen und über Sprach-Apps, bei größeren Abklärungen kommen auch Dolmetscher ins Haus. Integrationsklassen an den Berufsschulen kümmern sich in der Regel um die Bildung, berichtet Stelzmann. Der Status ist unterschiedlich, sagt sie: von gut ausgebildeten jungen Leuten, die Englisch sprechen, bis zu Jugendlichen, die weder lesen noch schreiben können und erst alphabetisiert werden müssen.

Und auch die seelische Verfassung sei unterschiedlich: Es gebe junge Geflüchtete, die nach vorne schauen würden und das neue Leben mit Freude annähmen, aber auch Jugendliche, die unter Traumata leiden würden. Wenn dies der Fall ist, greift die Erstaufnahmeeinrichtung in Wasserburg laut Stelzmann auf einen externen psychologischen Fachdienst zurück.

Blick in das Wohnzimmer der ersten Gruppe. Hier stehen schon eine Couchgarnitur und ein Tisch.

Alltag durchorganisiert

Der Alltag in der Wasserburger Erstaufnahme-Einrichtung ist laut Leiter Niederbuchner durchorganisiert, wie es sich für junge Menschen unter 18 gehört: aufwecken, frühstücken, Schulbesuch oder Sprachunterricht, Mittagessen, zweite Lehreinheit am Nachmittag, Freizeit, Abendessen, 22 Uhr Nachtruhe. Auch in dieser Zeit ist immer ein Bereitschaftsdienst vor Ort im Haus, die Betreuer übernachten hier und dürfen von 22 bis 6.30 Uhr schlafen. Die Jugendlichen werden in Zwei-Bett-Zimmern mit Dusche untergebracht. Auf jedem Stockwerk gibt es einen Gemeinschaftsraum mit Fernseher und Computeranschluss sowie Sitzgelegenheiten wie einer Couch. Das erinnert an ein Wohnzimmer.

Jedes Zwei-Bett-Zimmer hat ein eigenes Bad mit Dusche.

Einmal am Tag soll, so Niederbuchner, per Catering ein warmes Essen geliefert werden. Frühstück und Abendessen werden selber hergerichtet. Dabei helfen die Jugendlichen, die auch viele alltägliche Erledigungen lernen: ihre Wäsche zu waschen beispielsweise. Je nach Alter gibt es laut Stelzmann ein Taschengeld: unter 50 Euro etwa im Monat für 16-Jährige.

Vormünder kümmern sich um Mündel

Um die Teenager kümmern sich außerdem hauptberufliche Vormünder, die vom Amt bestellt werden. Das sind laut Stelzmann in der Regel Fachleute wie Sozialpädagogen. Sie sind Ansprechpartner, vor allem auch, wenn es um Fragen wie Aufenthalts- und Bleiberechte sowie Asylstatus geht, erklärt sie.

Freuen sich auf die neue Herausforderung: Einrichtungsleiter Maximilian Niederbuchner und Kreisjugendamtsleiterin Sabine Stelzmann.

„Das wird hier ein Haus, in dem viele ein- und ausgehen“, erläutert die Leiterin des Jugendamts. Sie spricht von einer „spannenden neuen Aufgabe“ für die Behörde als Betreiberin einer solchen Einrichtung. „Wir haben die Notwendigkeit gesehen, also beschlossen: Wir machen es selber“, erklärt sie. In der Tat: 151 unbegleitete Flüchtlinge unter 18 Jahren lebten im Dezember im Landkreis Rosenheim, Tendenz steigend seit 2022. 2015 war der Höchststand: Damals waren 1.421 im Landkreis registriert, so die Pressestelle des Landratsamts.

„Sehr gute Erfahrungen“ mit jungen Flüchtlingen

Niederbuchner war stellvertretender Leiter des Wohnheims, als es noch die Berufsschüler beherbergte, kennt das Haus also wie seine Westentasche. Er hat nach eigenen Angaben „sehr gute Erfahrungen“ mit jungen Migranten gemacht. Als Berufsschüler seien sie in der Regel sehr engagiert, sehr motiviert und bemüht gewesen. „Viele haben in kürzester Zeit eine erstaunliche Sprachgewandtheit entwickelt“, so Niederbuchner. Stelzmanns Erfahrungen mit diesen jungen Flüchtlingen ist ebenfalls gut: In der Turnhalle in Raubling habe es wenig Konflikte gegeben. Noch wissen die dort Untergebrachten nicht, dass es bald Richtung Wasserburg geht. Dort finden die Jugendlichen in der neuen Erstaufnahme-Einrichtung ein neues Zuhause auf Zeit, das optimal auf die Bedürfnisse junger Menschen auf der Flucht eingehen kann, ist das Kreisjugendamt überzeugt. Doch es gibt laut Stelzmann ein großes Problem: den Personalmangel. Das Landratsamt suche noch händeringend nach Fachkräfte mit pädagogischer oder sozialer Ausrichtung, auch Hauswirtschaftlerinnen und Verwaltungskräfte. Je zwölf Jugendliche seien etwa sechs Vollzeitstellen notwendig, bei Teilzeit noch mehr. Um weitere Gruppen zu eröffnen, benötigt das Kreisjugendamt dringend weiteres Personal.

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