Generalsanierung in der Region
Stress-Test für Pendler aus Rosenheim? Das hat die Bahn in den nächsten Jahren vor
Alle reden vom Brenner-Nordzulauf. An die anderen Baustellen im Schienennetz denkt niemand. Doch genau da sind die Pläne schon sehr konkret. Für die Verbindung München – Salzburg und damit für die Region Rosenheim hat die Bahn ab 2027 Großes vor. Für die Pendler könnte das ein Stresstest werden.
Rosenheim – Deutschlands Schienenkonzern ist für viele Menschen auch in der Region Rosenheim ein Ärgernis. Das Netz der Bahn ist in die Jahre gekommen. Mehr noch, es ist an verschiedenen Stellen marode. Ein Lied davon singen kann, wer täglich zwischen München und Rosenheim pendelt. Nicht nur, dass die Züge dort oft oder gar meist nicht pünktlich sind. Manchmal schwankt der Zug bedenklich und so heftig, dass es Fahrgäste gegen Lehnen und Haltestangen schleudert. Aber – irgendwann kommen sie an. Wenn auch manchmal mit blauen Flecken. Doch was, wenn der Zug gar nicht mehr fährt? Schauen Pendler dann in die Röhre?
Ernstfall für Pendler: 2027 wird die Strecke München – Salzburg unterbrochen
2027 kommt es zum Ernstfall. Dann wird die Bahn die Strecke zwischen München und Rosenheim lahmlegen. Und zwar für fünf Monate. So ist es zumindest vorgesehen. Grund ist die Generalsanierung von insgesamt 40 Streckenabschnitten im hochbelasteten Netz bis zum Jahr 2030. Einer dieser Abschnitte führt durch die Region Rosenheim. Das Baupensum werde nicht nur für die Bahn, sondern auch für Reisende und Güterverkehrsunternehmen „herausfordernd“, warnt Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender DB AG. Und das geht viele Menschen an, wie ein Blick auf die Pendler-Statistik schließen lässt. Rund 28.000 Menschen pendeln jeden Tag in den Landkreis Rosenheim, rund 48.000 arbeiten auswärts, 8500 Menschen pendeln in die Stadt Rosenheim, rund 17.000 Menschen verlassen jeden Tag die Stadt für ihren Job. Natürlich arbeiten nicht alle Auspendler in München. Und längst nicht alle fahren mit der Bahn. Doch machen die Zahlen die Dimension deutlicher.
Auch Nordzulauf-Gegner loben die Bahn
Kurios: Die Bahn fällt aus. Total. Und doch gibt‘s diesmal nicht nur Tadel. Sondern auch viel Lob. Etwa von Prof. Dr. Roland Feindor. Der Rosenheimer hat sich als Kritiker der Planungen zum Brenner-Nordzulauf einen Namen gemacht. Zur Total-Unterbrechung der Strecke von München nach Rosenheim und von Rosenheim nach Salzburg sagt er: „Richtig und wichtig.“
Natürlich müsse die Infrastruktur überholt werden. Und es sei auch besser, das in einem Stück zu erledigen. „Unter dem rollenden Rad ziehen sich Renovierungen unendlich lang hin“, weiß Feindor. „Das gibt mehr Probleme für alle Beteiligten, wenn es immer nur langsam vorangeht, mit Kurzzeitsperrungen.“ So gestalte sich der ganze Prozess unübersichtlicher, teurer und schlechter, in einem Wort: quälender.
In sieben Jahren fit? Auf die Bahn wartet ein Riesenpensum
Die Bahn will also fit werden. Das geht nicht in einem Jahr. Sieben Jahre hat sich die Bahn für ihr Deutschland-Programm vorgenommen, los geht es 2024. Und zwar auf der Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim. Im Jahr 2025 folgen die Strecken Hamburg–Berlin und Emmerich–Oberhausen. Allein entlang der Riedbahn wird die DB im Zuge der Sanierung auch 20 Bahnhöfe deutlich aufwerten.
Gleise, Oberleitungen, Weichen und Bahnhöfe: Noch ist nicht ganz klar, was die Bahn im Bereich von Rosenheim auf den neusten Stand bringen wird. Was gemacht werden müsse, diese Prüfung laufe noch, sagt ein Sprecher der Bahn auf Anfrage des OVB. Voraussichtlich wird die Bahn während der fünfmonatigen Sperrung zwischen Isar und Inn rund 600 Stelleinheiten für Signale, Weichen, Leit- und Sicherungstechnik sowie 50 Weichen, 80 Kilometer Gleise, 50 Kilometer Oberleitung und drei Bahnübergänge erneuern.
Nicht betroffen sind die Schwellen, sie werden schon 2023 überprüft und gegebenenfalls ausgewechselt. Hintergrund dieser Überprüfung ist das Zugunglück in Garmisch-Partenkirchen 2022. Noch ist die Unfallursache nicht abschließend geklärt, doch spricht vieles dafür, dass Schäden an den Schwellen den Unfall mitverursacht haben könnten. Nach eigenen Angaben wird die Bahn bis Ende des Jahres 480.000 Schwellen ausgetauscht haben – fünfmal so viele wie in einem normalen Jahr.
Der Schienen-Ersatzverkehr wird noch ausgearbeitet. Ein Teil der Menschen könne über andere Strecken wie die Bahnstrecke über Holzkirchen reisen, der andere werde mit Bussen transportiert. Wie viele Busse eingesetzt werden sollen, sei noch nicht berechnet, sagte der Bahnsprecher.
Nicht das einzige Detail, an dem nachgebessert werden muss. Die Initiative „Pro Bahn“ pocht darauf, dass sich die Bahn wirklich auf die Sanierung fokussiere und nicht fünf Monate lang einen wichtigen Abschnitt sperre, um dann immer wieder nachzubessern. „Bei der S-Bahn in München werden immer zwei Wochen für die Instandsetzung angesetzt. Und trotzdem gibt es dann doch noch immer weitere Sperrungen“, sagt Andreas Barth von Pro Bahn. „So sollte es bei München - Salzburg nicht sein.“ Vor allem aber sollte die Bahn vor der Großsperrungen in die Ausweichstrecken investieren. „Es wird sicher übers Mangfalltal umgeleitet“, nimmt er an. Da müsse dann aber auch Nahverkehr neben Fernverkehr möglich bleiben. Insgesamt klingt er skeptisch: „Wir sind, was Infrastruktur betrifft, zu langsam.“
Bahn in der Region: Planungsaufwand wie selten zuvor
Die Ingenieure der Bahn haben derzeit so viel wie selten zu tun. Für den Brenner-Nordzulauf laufen noch immer die Vorplanungen, die 2025 den Bundestag passieren sollen. Außerdem plant die Bahn derzeit die Terminals, in denen Güter von Lastwagen auf die Schiene umgeladen werden können: In Augsburg, Regensburg und München sollen neue Stationen für den Kombinierten Verkehr entstehen, sogenannte KV-Terminals.
In Regensburg und München-Riem gibt es bereits solche Verlade-Bahnhöfe. Doch ihre Kapazitäten reichen nicht mehr aus. In Regensburg zum Beispiel gibt es ein Terminal mit vier Gleisen von jeweils 490 Metern Länge. Im neuen Terminal sollen die 720 Meter lang sein, so dass lange Güterzüge nicht mehr geteilt werden müssen. Regensburg wird dann jährlich 230.000 Container umschlagen können statt wie bisher 130.000 Ladeeinheiten. Noch mehr sollen in München verladen werden. Das neue KV-Terminal am Rangierbahnhof soll die Kapazitäten auf 300.000 fast verdoppeln. Fertig werden soll es 2031 – dann soll auch der Brenner-Basistunnel knapp vor der Inbetriebnahme stehen.