Bahn stellt zwei Alternativen für Ostermünchen vor
Brenner-Nordzulauf mit neuem oder altem Bahnhof? Tuntenhausen muss sich jetzt entscheiden
Rückt die Gemeinde Tuntenhausen von einer ihrer Kernforderungen zum Brenner-Nordzulauf ab? Bisher machte sie sich für Erhalt und Sanierung von Bestandsstrecke und Bahnhof Ostermünchen stark. Nun stellte die Deutsche Bahn zwei Planungs-Alternativen vor.
Tuntenhausen – Ist es eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera? Die meisten Menschen in der Gemeinde Tuntenhausen lehnen den Brenner-Nordzulauf ab, wie die starke Unterstützung der Bürgerinitiativen im Brennerdialog Rosenheimer Land zeigt. Diese hatten erst im April eine Studie vorgestellt, wonach die Neubautrasse zwar zehn Milliarden Euro verschlinge, den Verkehr aber nur um sieben Minuten schneller mache und die Kapazität um 18 Züge erhöhe. Ihre Forderung: Ertüchtigung und Auslastung der Bestandsstrecke sowie Nachweis des tatsächlichen Bedarfs für den Brenner-Nordzulauf.
„Trasse ist nicht mehr zu verhindern“
Trotzdem bahnt sich die Trasse unaufhaltsam ihren Weg. Die Planungen der Deutschen Bahn schreiten voran. „Es wäre naiv zu glauben, dass der Brenner-Nordzulauf nicht kommt“, sagt Bürgermeister Georg Weigl auf Anfrage des OVB. „Das ist nicht mehr zu verhindern. Es sei denn, der Bundestag entscheidet sich 2025 aufgrund der Kosten oder des Bedarfs anders.“
Im Prozess der Vorplanungen hat die Deutsche Bahn für den Bereich Ostermünchen nun Einblick in ihre Planungswerkstatt gegeben und zwei Alternativen erarbeitet. „Unsere technischen Planungen sind in der finalen Phase. Jetzt werden die Kosten ermittelt und die Planungen anschließend bewertet. Im Herbst soll eine Entscheidung fallen“, erläuterte Dieter Müller, als Projektabschnittsleiter für die Planungsabschnitte Grafing-Ostermünchen und Ostermünchen-Innleiten verantwortlich. In der jüngsten Tuntenhausener Gemeinderatssitzung stellte das Ingenieurbüro die beiden Varianten vor. Noch sind keine konkreten Zahlen bekannt – weder zum Flächenverbrauch noch zu den Kosten. Doch die Gemeinderäte konnten sich zumindest ein Bild davon machen, was auf die Anwohner zukommen würde.
40 Hektar Land könnten verloren gehen
Zahlreiche Bürger waren zur Ratssitzung erschienen, darunter auch Betroffene, die beim Bau der Trasse im Streckenabschnitt von Weiching über Stetten, Berg und Aubenhausen bis Brettschleipfen wertvolle landwirtschaftliche Flächen verlieren. Allein in diesem Bereich würde die geplante Trasse nach Informationen der Bürgerinitiativen im Brennerdialog Rosenheimer Land eine Fläche von etwa 40 Hektar und damit die Existenz von mindestens sieben Landwirten vernichten.
Bürgermeister Georg Weigl betonte, dass die Ratssitzung als reine Information zur Meinungsbildung gedacht sei, der sich keine Diskussion anschließen werde. Erst in seiner Sitzung am 14. September soll der Gemeinderat entscheiden, ob er die Bestandsstrecke mit dem alten Bahnhof oder die neue vier- bis sechsgleisige Strecke mit modernem Bahnhof bevorzugt. Gleichzeitig machte Weigl klar: „Die Meinung unserer Gemeinde fließt als ein Faktor in die Abwägung ein. Die finale Entscheidung trifft die Deutsche Bahn.“
Kombination aus Bestand und Neubau
Bei der Kombination aus Bestands- und Neubaustrecke müsste die Staatsstraße 2080 etwa 15 Meter nach Norden verlegt werden, informierten die Planer. Im Bereich Ametsbichl und Kronbichl (Gemeinde Aßling) würde eine vierspurige Verknüpfungsstelle entstehen. In Weiching wären zwei große Überwerfungsbauwerke erforderlich, damit Höhenunterschiede ausgeglichen und beide Strecken zusammengeführt werden können. Der bestehende Bahndamm müsste im Zuge der Arbeiten um etwa fünf Meter erhöht werden. Die konkreten Varianten, aus denen sich auch persönliche Betroffenheiten ableiten lassen, sind in den Planungsunterlagen online einsehbar.
Bei der Beibehaltung des alten Bahnhofs Ostermünchen würde eine zweigleisige Neubautrasse an Stetten und Berg vorbeiführen. Der Sportplatz des SV Ostermünchen hätte auch bei dieser Variante keine Überlebenschance. Die Staatsstraße 2358 würde die Trasse mit Brückenbauwerken queren. Im Bereich Brettschleipfen-Aubenhausen wären die Überholgleise geplant, sodass die Strecke dort vierspurig wäre. Auf Nachfrage aus dem Gemeinderat informierte der Projektleiter der Bahn, dass auf der Bestandsstrecke eine Geschwindigkeit von 160 Kilometern pro Stunde (km/h) und auf der Neubaustrecke von 230 km/h erlaubt sei. Für den Güterverkehr in Deutschland sei eine Geschwindigkeit von 100 km/h erlaubt.
Neubaustrecke mit modernem Bahnhof
Die Variante „Neubau“ kommt als vierspurige Strecke von der Verknüpfungsstelle bei Aßling nach Weiching. Moosach und Faulbach sollen mit Gewölbebrücken überquert werden. Der neue, barrierefreie Bahnhof ist am Ortseingang von Ostermünchen geplant – direkt gegenüber dem Autohaus Daxenbichler. Er soll über zwei 220 Meter lange Außenbahnsteige verfügen. Der Neubau, so betonte der Projektleiter der Bahn, sei eine große Chance für die Gemeinde, denn damit könne eine Ausweitung des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV) nach Tuntenhausen erfolgen. Bus- und Bahnanbindung rückten damit auch in zentralere Lage der Gemeinde Tuntenhausen, was eine bessere Anbindung beider Ortsteile (Tuntenhausen und Ostermünchen) an den ÖPNV zur Folge hätte und allen Bürgern zugute käme.
Vom Gemeinderat nachgefragt wurde die Möglichkeit einer Trogbauweise im Bereich von Stetten und Berg. Das sei nach Informationen der Planer technisch nicht umsetzbar, da dafür der Einschnitt ins Gelände nicht tief genug sei. Zwar hatten die Planer keine konkreten Angaben zu den Mehrkosten der Trogbauweise, aber, so Müller: „Es gilt das Gebot der Wirtschaftlichkeit.“ Im weiteren Verlauf wird die Neubaustrecke im Bereich zwischen Aubenhausen und Brettschleipfen mit Überholgleisen sechsspurig.
Flächenverbrauch wird bis September ermittelt
Die Frage nach dem jeweiligen Flächenverbrauch der beiden Varianten konnten die Planer zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantworten. Die konkreten Zahlen sollen dem Gemeinderat für seine Entscheidung im September noch zugearbeitet werden. Allerdings machte Dieter Müller klar, dass die Neubaustrecke nicht automatisch doppelt so viel Fläche verbrauche wie eine Kombination aus Bestands- und Neubaustrecke. Durch die neue Trasse würden auch Flächen freigesetzt, im Bereich der alten Strecke böten sich dann beispielsweise neue städtebauliche Ansätze. Auf Nachfrage aus dem Gemeinderat räumte er allerdings auch ein, dass noch nicht klar sei, wie die alte Strecke zurück gebaut werden solle. Dafür gebe es noch keine Pläne.
Muss sich der Rat entscheiden?
Eine Frage aus dem Gemeinderat bezog sich auch auf die Umsetzungsdauer der unterschiedlichen „Mordsprojekte“ und die zu erwartenden Einschränkungen für Pendler. „Die Verlegung des Bahnhofes ist günstiger, da man auf der grünen Wiese bauen und die alte Strecke während der Arbeiten nutzen kann“, so Müller.
Bürgermeister Georg Weigl machte nach der Präsentation klar, dass es eine schwierige Entscheidung sei und der Gemeinderat auch entscheiden könne, keine Entscheidung zu treffen. Er appellierte an alle Betroffenen: „Meldet Euch bei mir. Lasst uns alle wichtigen Fragen klären. Uns muss klar sein, dass es keine Änderung der Trasse mehr geben wird. Wir können nur Anpassungen erreichen.“
Jüngste Investitionen in die Bestandsstrecke
Die Deutsche Bahn hat in den vergangenen Jahren in Bestandsstrecke und alten Bahnhof Ostermünchen investiert. So wurden 2020 für 31.000 Euro der Bahnsteigbelag ausgebessert und die Schraffur am Bahnsteig erneuert.
Bereits 2016 errichtete die Deutsche Bahn in Ostermünchen fünf Schallschutzwände mit einer Gesamtlänge von 1.855 Metern. Im Rahmen des Programms „Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen des Bundes“ wurden hier rund 2,5 Millionen Euro investiert.
Von 2021 bis 2022 verlängerte die Deutsche Bahn bestehende Lärmschutzwände in Ostermünchen und Großkarolinenfeld um etwa 1000 Meter. Das Projekt war Teil der Lärmsanierung zwischen München und Kufstein. Wie die Bahn damals in einer Pressemitteilung informierte, setze sie an der bestehenden Bahnstrecke München–Rosenheim–Kufstein auf einer Länge von 16,4 Kilometern Schienenstegdämpfer und auf 6,4 Kilometern Schutzwände im Wert von insgesamt knapp 13 Millionen Euro.
Ebenfalls im Jahr 2022 entstand am bestehenden Bahnhof in Ostermünchen im Auftrag des Staatlichen Bauamtes Rosenheim eine neue Bushaltestelle für circa 90.000 Euro.

