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Skandalfirma aus Rosenheim

„Das ist schon außergewöhnlich“: So sieht der Insolvenz-Verwalter das FlexiCamper-Desaster

Im November 2023 wurde Siegfried H. wegen der FlexiCamper-Pleite festgenommen. Demnächst dürfte es zum Prozess kommen, meint Insolvenzverwalter Klaus Martin Lutz aus Rosenheim.
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Im November 2023 wurde Siegfried H. wegen der FlexiCamper-Pleite festgenommen (links: Symbolfoto). Demnächst dürfte es zum Prozess kommen, meint Insolvenzverwalter Klaus Martin Lutz aus Rosenheim (rechts im Bild).

Die Staatsanwaltschaft München hat Anklage erhoben, dem mutmaßlichen Drahtzieher Siegfried H. droht wegen des Skandals um die Rosenheimer Firma FlexiCamper Haft. Doch können die zahlreichen Betroffenen auf Wiedergutmachung hoffen? Nun äußert sich der Insolvenzverwalter.

Rosenheim – Die Staatsanwaltschaft München hat ihre Ermittlungen abgeschlossen und Anklage gegen Siegfried H. (61) und seine Lebensgefährtin Jessica K. (34) als Verantwortliche des FlexiCamper-Skandals erhoben. Derzeit prüft die Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München II die Anklage.

Siegfried H. als mutmaßlichem Drahtzieher droht bei einer Verurteilung Haft. Was aber dürfen die vielen Betroffenen hoffen, die oft Zehntausende von Euro für ein Wohnmobil vorstreckten, das ihnen dann nie geliefert wurde? Wohl nicht allzu viel. Der Insolvenzverwalter, der Rosenheimer Rechtsanwalt Klaus Martin Lutz von der Kanzlei Kugler Lutz Multrus Fricke, geht von ein bis zwei Prozent der Schadenssumme aus.

FlexiCamper-Skandal: Auch Finanzamt fordert Geld

Die Staatsanwaltschaft ging in der Formulierung ihrer Anklageschrift von nachweislich 7,7 Millionen Euro Schaden aus. Höher sind die Summen, mit denen Lutz sich beschäftigt. Forderungen von 13 Millionen Euro seien in seiner Kanzlei aufgelaufen, weitere sechs Millionen Euro harren noch der Überprüfung. Lutz spricht von 380 Betroffenen, die sich in der Kanzlei gemeldet haben: Kunden und Finanziers, sowie – das Finanzamt Greifswald. Die Behörde fordert allein 2,6 Millionen Euro.

Klaus Martin Lutz aus Rosenheim ist Insolvenzverwalter im FlexiCamper-Fall.

Eben diese FlexiCamper-Verbindlichkeiten gegenüber der Behörde machen besondere Arbeit. „Die Buchhaltung hat ja nie gestimmt“, sagt Lutz. „Man tut sich hart, irgendeine Steuerklärung zu machen.“ Man stehe in Verhandlungen mit der Behörde. Insgesamt könnte sich die Abwicklung der Insolvenz bis ins Jahr 2026 hineinziehen, sagte Lutz dem OVB, „da bin ich Realist“.

Die FlexiCamper-Masche: Kassieren, aber nicht liefern

Der FlexiCamper-Skandal erschütterte die Region Rosenheim im Sommer 2023. Im Mai 2023 hatte die Firma mit Sitz in Rosenheim Insolvenz angemeldet. In der Folge kam heraus, dass FlexiCamper womöglich nicht nur Geld in den Sand gesetzt, sondern Dutzende und Aberdutzende Kunden um Anzahlungen in erheblicher Höhe geprellt hatte. Jörg Gauder zum Beispiel zahlte über 50.000 Euro für ein Wohnmobil an, das er nie erhalten sollte.

FlexiCamper-Skandal: Droht Siegfried H. eine Freiheitsstrafe? (Symbolfoto)

Den beiden wird laut Behörde „vorsätzliche Insolvenzverschleppung, gewerbsmäßiger Bandenbetrug und Kreditbetrug in mehreren Fällen sowie Betrug in mehreren Fällen zur Last gelegt“. Konkret soll das Paar Bestellungen für Wohnmobile aufgenommen haben, obwohl eine Auslieferung an die Käufer wegen Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens gar nicht möglich gewesen sei. Die Geschäftsführung war chaotisch, manche Eigentumsverhältnisse waren nur mit größten Schwierigkeiten nachvollziehbar. Die Polizei nahm die beiden Haupverdächtigen im November 2023 fest.

FlexiCamper-Chef ist offenbar Wiederholungstäter

Das Desaster um FlexiCamper war nicht die erste Pleite, die Siegfried H. hinlegte. Bereits Ende der 80er-Jahre meldete das Familienunternehmen Hofreiter Insolvenz an, mit 30 Millionen Mark Schaden für die Gläubiger. 2002 wurde er wegen Insolvenzverschleppung verurteilt. 2016 implodierte die nächste Hofreiter-Firma: KTG Agrar. Dabei verloren 12.000 Anleger weit über 300 Millionen Euro. Anfang Juni 2023 stellte die Hamburger Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung und des Bankrotts in diesem Fall gegen eine hohe Geldauflage ein – nur wenige Tage, nachdem die Wohnmobilfirma Flexicamper Insolvenz anmeldete.

Droht Siegfried H. eine Haftstrafe?

So locker dürfte Siegfried H. diesmal nicht davonkommen. Insolvenzverwalter Lutz geht davon aus, dass das Gericht die Klage zulässt. Im Falle einer Verurteilung dürfte H. kaum ohne eine Freiheitsstrafe davonkommen. Die strafrechtlichen Tatbestände für eine Zulassung jedenfalls seien erfüllt, meint Lutz. H. sei „insolvenzrechtlich ja schön öfter in Erscheinung getreten“, sagt er, bei seinen vorherigen Verfehlungen habe er ohnehin schon Glück gehabt.

Die FlexiCamper-Angelegenheit könne angesichts dieser Umstände eine Haftstrafe von vier bis sechs Jahren nach sich ziehen. Immerhin hänge das Strafmaß auch von der Schadenshöhe ab. Die sei beträchtlich. „Das ist überhaupt ein außergewöhnlicher Fall“, sagt Lutz, dessen Kanzlei für die Aufbewahrung der Akten eine Archiv-Firma in Mittelfranken beauftragte - so umfangreich ist der Bestand an Geschäftspapieren.

„Der geht über Leichen“

Siegfried H. sei rücksichtslos, er gehe über Leichen, sagt Lutz. Kein Unrechtsbewusstsein habe er, er zeige keine Reue angesichts dessen, dass er den Lebenstraum vieler Menschen zerstört habe. Nun droht ihm also Haft. Ob das den Betroffenen hilft?

Einige der Camping-Fans, die von FlexiCamper über den Tisch gezogen wurden, seien regelrecht krank geworden, weiß Jörg Gauder (66) zu berichten. Auch ihm und seiner Frau habe das Desaster psychisch wie physisch einen Knick verpasst, sagt der Ruheständler. Dann aber haben die beiden abgeschlossen, noch ein bisschen länger weitergearbeitet, um sich ein anderes Wohnmobil leisten zu können. Mittlerweile reisen die beiden in Europa umher oder besuchen Freunde. „Wir haben uns gesagt, wir lassen uns von denen nicht zweimal das Leben kaputtmachen“, sagt Gauder.

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