Psychisch kranker Raublinger fuhr mit Leiche nach Italien
„Er hat wahre Vaterliebe gezeigt“ - und wurde dann doch vom Sohn (32) getötet: Urteil gefallen
Traunstein/Raubling – Das Urteil im Prozess gegen Tobias A. ist gefallen. Der 32-Jährige hat seinen Vater getötet und ist mit seiner Leiche im Kofferraum nach Neapel geflohen.
Update, 15.22 Uhr - Urteil gefallen
Das Urteil ist gefallen. Wie zu erwarten war, muss der 32-jährige Raublinger in der Psychiatrie bleiben. Fürs Traunsteiner Landgericht ist zwar klar, dass er am 12. August 2024 seinen 60-jährigen Vater tötete. Wegen seiner psychischen Erkrankung, eine paranoide Schizophrenie, ist er aber schuldunfähig und nicht zu bestrafen, so der Vorsitzende Richter Volker Ziegler: „In seinem Zustand wäre er weiterhin gefährlich.“
Gleich zu Beginn der Urteilsbegründung bringt Richter Ziegler die ganze Dramatik auf den Punkt: „Der Vater hat sich intensiv um seinen Sohn gekümmert, ihn aufgenommen und betreut – er hat das getan, was man sich von einem Vater nur wünschen kann und Vaterliebe gezeigt. Er hat es versucht, aber das tragische Geschehen konnte er nicht aufhalten.“
Zuerst Schläge und dann massive Stiche in den Brustbereich – wegen des hohen Blutverlusts starb der 60-Jährige schließlich. Zum Schluss, als der Mann bereits bewusstlos war, setzte der Angeklagte auch noch einen Schnitt durch die Kehle. „Das ist nicht anders zu erklären, als durch die massiven Wahnvorstellungen“, so der Richter. Der Angeklagte glaubte, Mafia-Mitglieder befänden sich in der gemeinsamen Wohnung und hätten ihm die Tötung befohlen.
Die genauen Hintergründe habe man im Prozess aber nicht aufklären können: „Der Angeklagte lebte in einer ganz anderen Gedankenwelt, zu der wir keinen Zutritt haben“, so Volker Ziegler. Nach der Tat wickelte der 32-Jährige seinen Vater in Decken und hievte ihn ins Auto. Damit fuhr er über 1000 Kilometer in einen Vorort von Neapel. Als er dort eine Garage aufbrechen wollte, kam ihm die italienische Polizei dazwischen – und entdeckte schließlich auch die Leiche des Vaters im Auto.
Update, 14.38 Uhr - Das soll mit dem Raublinger passieren, der seinen eigenen Vater tötete
Die Plädoyers sind gehalten – und keiner zweifelt daran, dass es der 32-jährige Angeklagte war, der am 12. August 2024 seinen Vater umbrachte. Darin sind sich Staatsanwalt Wolfgang Fiedler und Verteidiger Harald Baumgärtl einig. „Er hat ihm zuerst ins Gesicht geschlagen, ihm dann mit einem Ausbeinmesser sechs Stiche in den Brustbereich versetzt und ihm dann tief in den Hals gestochen“, fasst der Staatsanwalt zusammen, was in der gemeinsamen Wohnung der beiden Männer passiert war.
Dass der 32-Jährige wegen seiner psychischen Krankheit, einer paranoiden Schizophrenie, zugestochen hat, auch daran zweifelt niemand. „Er meinte, in der Wohnung hätten sich zwei Männer der Mafia befunden. Sie hätten ihn zur Tat gezwungen“, erklärt Verteidiger Baumgärtl. Genauso wie der Staatsanwalt spricht sich auch Baumgärtl für eine Unterbringung in der Psychiatrie aus. Für Staatsanwalt Fiedler war die Tat ein Totschlag.
Die Leiche wickelte der Angeklagte dann in Decken und einen Teppich und hievte sie aus der Wohnung in den Firmenwagen des Vaters. Ein Nachbar beobachtete ihn dabei. Danach putzte der 32-Jährige die Wohnung. Mit dem Auto und der Leiche des Vaters an Bord fuhr er dann die über 1000 Kilometer nach Neapel.
„In der Nähe der Autobahnausfahrt Neapel-Ost wollte der Angeklagte in eine Garage einbrechen. Dabei wurde er erwischt und von der Polizei festgenommen“, so Staatsanwalt Fiedler. Und auf der Fahrt nach Italien sprach der Angeklagte seinem längst getötetem Vater noch auf die Handy-Mailbox: „Hallo Papa. Ich bins. Ich bin total verzweifelt. Es ist die reinste Tragödie. Es ist einfach nur krank.“
Während des ganzen Prozesses sagte der Raublinger praktisch gar nichts. Und auch sein „letztes Wort“ will er nicht nutzten: „Ich möchte nichts mehr dazu sagen“, so der Angeklagte. Das Gericht wird noch heute das Urteil verkünden.
Update, 13.21 Uhr - Psychiater erklärt Hintergründe
Jetzt ist der psychiatrische Gutachter an der Reihe. Auch wenn der Angeklagte als psychisch krank gilt, ist noch weitgehend unklar, wie es zu der schlimmen Tat kam. Der Sachverständige setzt im Jahr 2023 an. Schon damals wurde bei dem heute 32-Jährigen eine paranoide Schizophrenie erkannt. Der Verlauf habe als eher unproblematisch gegolten. Medikamente wurden verschrieben und der Mann fand auch einen Arbeitsplatz.
Zum Jahreswechsel 2023/2024 habe der Angeklagte dann die Medikamente aber eigenständig abgesetzt. Dann habe ein Verfolgungswahn eingesetzt, so der Gutachter – der Verfolgungswahn habe mehr und mehr mit „der Mafia“ zu tun gehabt. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn sei eigentlich gut gewesen, so der Psychiater, der viele Male mit dem Angeklagten sprach.
Dann, an jenem 12. August vorigen Jahres, „muss es zu einer kurzfristigen Eskalation“ gekommen sein. Die genauen Hintergründe konnte auch der Sachverständige nicht herausfinden. Es habe aber Konflikte zwischen Vater und Sohn gegeben, ob Türen im Haus versperrt werden sollten oder nicht. Auch hier könnte der „Mafia-Wahn“ des Sohnes wieder eine Rolle gespielt haben.
„Die Mafia“ habe dem Angeklagten dann wohl befohlen, den Vater zu „beseitigen“. Deswegen sei der 32-Jährige mit der Leiche dann auch ausgerechnet ins weit entfernte Neapel gefahren. Der Angeklagte sitzt währenddessen ganz ruhig auf der Anklagebank. Immer wieder hält er seine Augen für längere Zeit geschlossen. „Vielleicht, weil ihm langsam bewusst wird, was passiert ist“, so der Psychiater.
Die psychische Krankheit des Angeklagten werde momentan, unter anderem mit Beruhigungsmitteln, behandelt. „Er hat aktuell keine Wahnvorstellungen und ist relativ stabil“, glaubt der Gutachter. Er empfiehlt dem Gericht, den Raublinger in der Psychiatrie unterzubringen. Bei der Tat sei er schuldunfähig gewesen. Heute werden auch die Plädoyers und wahrscheinlich das Urteil vor dem Traunsteiner Landgericht gehalten
Update, 11.42 Uhr - Leiche in Kuscheldecken gewickelt
Zu Beginn des heutigen, dritten Verhandlungstages wird als Beweismittel auch das Tatmesser vor Gericht präsentiert. Staatsanwalt Wolfgang Fiedler hat es – sauber verpackt – dabei und holt es schließlich aus einem Plastikgefäß. Es handelt sich um ein sogenanntes Ausbeinmesser, das eigentlich zur Verarbeitung von Fleisch hergenommen wird. Die Klinge ist 15 Zentimeter lang.
„Ein richtig scharfes, spitzes Messer“, sagt Volker Ziegler, der Vorsitzende Richter, als er es in Händen hält. Insgesamt neun Stiche und Schnitte sind es, die der Angeklagte seinem Vater versetzte. Sie landeten im Brust- und Halsbereich. Als erster Zeuge sagt ein Spurensicherer der Rosenheimer Polizei aus. Auch wenn der Angeklagte zu Hause in der Nähe von Raubling nach der Tat noch die Wohnung wischte: Blutspuren fanden sich an etlichen Stellen.
Am Türrahmen, an der Treppe, in der Küche oder im Eingangsbereich des Hauses fand man Blutspuren. In der Wohnung tauchte auch eine blutbespritzte Brille und ein befleckter Schuh auf. Auch im Auto, mit dem der Sohn den getöteten Vater nach Italien fuhr, wieder Blutspuren. Es handelte sich um den Firmenwagen des Vaters, ein weißer SUV, Marke Skoda Kodiaq, mit Miesbacher Kennzeichen.
„Die Leiche war in zwei Kuscheldecken eingewickelt, zusätzlich ganz außen in einen Teppich“, so der Polizist. In den frühen Morgenstunden des 12. August 2024 brachte der 32-Jährige seinen Vater um. Am Nachmittag des 13. August wurde er in Pomigliano d‘Arco, einem Vorort von Neapel, festgenommen. Rätsel bereiten dem Gericht bisher nur Schäden am linken Kotflügel des SUV. Sie müssen wohl aber auch auf der über 1000 Kilometer langen Fahrt nach Italien passiert sein.
Vorbericht:
Am Landgericht Traunstein neigt sich der Prozess gegen Tobias A. dem Ende zu. Dem 32-Jährigen wird vorgeworfen, am 12. August 2024 in Raubling seinen 60-jährigen Vater mit einem Küchenmesser getötet zu haben. Anschließend soll er die Leiche in Decken und einen Teppich gewickelt und im Kofferraum seines Autos nach Neapel transportiert haben, wo er am 13. August von italienischen Beamten festgenommen wurde. Am 7. April wird nun das Urteil in dem Fall erwartet.
Aussagen der Familie über den psychischen Zustand des Angeklagten
Mehrere Nachbarn und die Vermieterin sagten aus, sie hätten Tobias A. am Morgen der Tat in schwarzer Kleidung mit starrem Blick gesehen. Ein Nachbar beobachtete, wie er einen zusammengerollten Teppich ins Auto lud. Die Schwester und Tante erstatteten eine Vermisstenanzeige, nachdem der Vater nicht zur Arbeit erschien. Sie berichteten von Tobias’ psychischen Problemen, die sich nach einer Haftstrafe verschlimmert hätten. Trotz einer Diagnose von paranoider Schizophrenie verweigerte er Medikamente.
Sprachnachrichten geben Einblick in Tobias A.s Gemütszustand
Eine Sprachnachricht, die Tobias A. nach der Tat an die Nummer seines Vaters schickte, wurde vor Gericht abgespielt: „Was mit mir passiert ist, ist die reinste Tragödie. Es ist einfach nur krank.“ Während die Aufnahmen im Gerichtssaal liefen, zeigte sich der Angeklagte sichtlich mitgenommen. Ein Kriminalbeamter berichtete, dass Tobias A. am Morgen nach der Tat an einem Geldautomaten Geld abgehoben habe. Die Polizei habe daraufhin schnell gewusst, dass er in Richtung Süden unterwegs war.
Nachdem er an einer Mautstelle bei Neapel festgenommen worden war, wurde auch die mutmaßliche Tatwaffe in seinem Auto gefunden – mit eindeutigen DNA-Spuren. Am 7. April soll ein weiterer Polizeibeamter dazu aussagen. Zudem werden die Gutachten zweier Rechtsmediziner sowie das psychiatrische Gutachten von Dr. Josef Eberl erwartet, bevor Richter Volker Ziegler das Urteil der Kammer verkündet.