Rosenheimer Riesenpleite
Insolvenzverfahren ist eröffnet: Was bei Kunden von FlexiCamper schon jetzt für Entsetzen sorgt
Das Insolvenzverfahren gegen die Wohnmobil-Firma FlexiCamper aus Rosenheim ist eröffnet worden. Die Ermittlungen könnten sich noch über Jahre hinziehen. Warum die geprellten Kunden aber schon jetzt entsetzt sind.
Rosenheim – Das FlexiCamper-Luftschloss ist zusammengebrochen, die Trümmer aufzuräumen wird lange dauern. Die Aufklärungsarbeiten haben in dieser Woche zumindest ein neues Stadium erreicht. Mit Verfügung der Direktorin des Amtsgerichts Rosenheim Anja Kesting ist jetzt das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma FlexiCamper eröffnet worden.
Die Frage der Fragen: Was werden die Gläubiger, was vor allem die geprellten Kunden der Wohnmobil-Firma aus Rosenheim erhalten? Der Insolvenzverwalter, der Rosenheimer Rechtsanwalt Klaus Martin Lutz, macht wenig Hoffnung. „Die Aussicht auf eine größere Befriedigung der Gläubiger besteht nach aktuellen Erkenntnissen nicht“, sagt er dem OVB. Eine Feststellung, die FlexiCamper-Kunden entsetzt. „Mein Rechtsverständnis ist ein anderes, was da passiert, ist erklärungsbedürftig“, sagt etwa der Kölner Jörg Gauder. „Es ist, als ob wir das Geld nie gezahlt hätten.“
Pleite-Firma aus Rosenheim: Sicher über 100 Geschädigte
Die FlexiCamper-Pleite verunsichert eine Szene, die in den vergangenen Jahren gewaltig Zulauf hatte. Unterwegs sein mit dem rollenden Heim hat Konjunktur. Und das Unternehmen FlexiCamper, Sitz in Rosenheim, versprach die Erfüllung des Traums vom Reisen in den eigenen vier Wänden. Verkauf von Neuwagen, Verleih, Verkauf von Gebrauchten – damit warb FlexiCamper. Im Mai platzte der Traum dann aber für dutzende und aberdutzende Kunden: FlexiCamper meldete Insolvenz an. Und viele Kunden mussten einsehen, dass sie für das Geld, das sie bereits hingeblättert hatten, nie ein Campingmobil erhalten würden. So wie eben Jörg Gauder. 58.000 Euro zahlte er an. Das versprochene Womo wird er wohl niemals lenken.
Rechtsanwalt Lutz spricht von rund 150 namentlich bekannten Kunden und „über 100 Kunden“, die noch offene Ansprüche an FlexiCamper haben. Jedenfalls nach aktuellem Stand. Der Schaden liege wohl bei acht bis zehn Millionen Euro. Als wäre die Lage durch die Vielzahl von Kunden nicht schon kompliziert genug, kommen noch weitere Ansprüche hinzu: Schließlich musste irgendjemand FlexiCamper Geld für das Geschäftsmodell vorgestreckt haben. Von zwölf Geldinstituten spricht Klaus Martin Lutz. Diese Seite hat auch Geld zu fordern. Und ist – in juristischer Hinsicht – in einer starken Position.
Riesen-Insolvenz: Chaos in der Buchhaltung macht es erst richtig kompliziert
Hinzu kommt, dass sich der Insolvenzverwalter auf keine ordentliche Buchhaltung stützen kann. Im Gegenteil. „Die Geschäftsunterlagen sind nicht so, wie man sie üblicherweise in einem normal aufgestellten Unternehmen vorfindet“, sagt Rechtsanwalt Lutz vorsichtig, um dann deutlicher zu werden. „Es ist eine Sisyphus-Arbeit“, sagt er dem OVB, „Wir haben mit hunderten Wohnmobilen zu tun, deren Unterlagen nicht strukturiert angelegt wurden.“
Man tue sich schwer, die Vorgänge bei Ankauf, Verleih und Verkauf nachzuvollziehen. Geschäftsführerin Jessica K. ist seit geraumer Zeit krankgeschrieben. Lutz bestätigit aber, dass er ihrem Lebensgefährten Siegfried H. in Kontakt stehe – „schriftlich“, sagt Lutz. „Der hilft sogar, wo er kann, was aus der Entfernung nicht immer einfach ist.“
Was die Gemengelage vollends verkompliziert: Es gibt sozusagen verschiedene Klassen von FlexiCamper-Kunden. Da wären die, die gezahlt und im Besitz ordnungsgemäßer Papiere sind. Diese Kunden haben kein weiteres Ungemach zu befürchten. Viele aber haben angezahlt und nichts bekommen. Oder sie fahren Wohnmobile, zu denen ihnen die Papiere fehlen. Die sind dann meist im Besitz der Bank.
Ein Mobil von FlexiCamper zu fahren, heißt nicht, es zu besitzen
Und was ist mit Menschen, die in Autos sitzen, die sie nur teilweise bezahlt haben? Könnten die nicht einfach die Restsumme draufpacken und somit für Rechtssicherheit sorgen? Das Insolvenzrecht hält für diese Kunden eine üble Überraschung parat. „Der Vertrag kann nicht mehr zustande kommen“, sagt Lutz. Das Auto muss also abgegeben werden“ Damit es in die „Masse“ gelangt: in das Portfolio der Sach- und Geldwerte, die von FlexiCamper bleiben, das dann unter den Gläubigern verteilt wird.
Die vielleicht 70 Wohnmobile, die unter anderem noch in Frasdorf und Rohrdorf stehen – sie gehören ohnehin „der Bank“. „Das Verbleibende, die Masse – das ist überschaubar“, sagt daher Anwalt Lutz. „Wenn wir die Kosten des Verfahrens mit hineinrechnen, kommt allenfalls eine geringe Quote dabei heraus.“ Die Geschädigten dürften auf Wiedergutmachung lediglich im einstelligen Prozentbereich rechnen.
Für die Geschädigten bleibt nur die Ruine ihres Traums
Annett Liedtke und Jürgen Deinhart aus dem Chiemgau haben 30.000 Euro angezahlt. Ihren Camper haben sie nie gesehen. Ihnen bleiben nur die Überreste eines geplatzten Traums: Trauer und Wut. Den Fortgang der Ermittlungen und des Verfahrens verfolgen sie mit einer Mischung aus Misstrauen und Skepsis. Insolvenzverwalter und Polizei tun aus ihrer Sicht zu wenig, sie fühlen sich nicht gerecht behandelt und außen vorgelassen. „Wir sind enttäuscht“, sagt Annett Liedtke. Zusammen mit anderen Geschädigten sammeln sie und ihr Lebensgefährte mittlerweile Spendengelder. Es gilt schließlich einen Anwalt zu bezahlen. Und weiternachzuforschen, ob FlexiCamper-Geschäftsführerin Jessica K. und ihr Lebensgefährte nicht doch Geld beseite geschafft haben. „Uns läuft die Zeit davon“ , sagt Liedtke.