Camping- und Wohnmobil-Anbieter aus Rosenheim insolvent
FlexiCamper-Pleite: „Schöner Schein“ und „jede Menge Schulden“ – ein Insider packt aus
Weit über 100 Kunden der Rosenheimer Wohnmobil-Firma bangen um hart verdientes Geld. Nachdem FlexiCamper bereits im Juni vorläufige Insolvenz angemeldet hatte, häuften sich die negativen Nachrichten. Jetzt äußert sich ein enger ehemaliger Mitarbeiter. Er bestätigt viele Befürchtungen und geht sogar noch weiter.
Landkreise Rosenheim/Traunstein - Die Insolvenz des Rosenheimer Wohnmobil-Anbieters FlexiCamper zieht immer weitere Kreise: Nachdem sich bereits zahlreiche verärgerte Kunden des Unternehmens bei den OVB-Heimatzeitungen und rosenheim24.de gemeldet hatten, haben die Redaktion brisante Informationen erreicht. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Firma berichtet detailliert vom Arbeitsalltag, den Personen hinter der Fassade und den Geschäftspraktiken von Geschäftsführerin Jessica K. und dem Lebensgefährten Siegfried H..
„Er hat einfach sehr gut gezahlt“ – Ehemaliger Mitarbeiter über den Alltag bei FlexiCamper
Namentlich möchte der ehemalige Mitarbeiter der Pleite-Firma nicht in Erscheinung treten, denn: Seine Aussagen haben es in sich. Und die kann er auch belegen: „Ich habe bei FlexiCamper etwas mehr als eineinhalb Jahre gearbeitet – kurz vor der Insolvenz habe ich dann aber zum Glück den Absprung geschafft“, sagt er. „Warum ich dort gearbeitet habe? Er hat einfach sehr gut gezahlt, das Schmerzensgeld war quasi ausreichend.“
Mit „er“ meint der ehemalige Mitarbeiter Siegfried H., den ehemaligen Geschäftsführer der KTG Agrar AG. Auch dieses Unternehmen des Regensburger Landwirts ging pleite - mit Forderungen seitens der Gläubiger in Rekordhöhe von rund 400 Millionen Euro. Die Gläubiger sollen von ihrem Geld nur wenig wiedergesehen haben. Die Einigung war außergerichtlich, Geld wurde laut „Capital“ nur in niedriger zweistelliger Millionenhöhe ausgezahlt.
„Das wussten auch die meisten Mitarbeiter. Er hat sich Kunden gegenüber aber oft als Herr K. (Anm. d. Red.: Mit dem Nachnamen der eingetragenen Geschäftsführerin von FlexiCamper) ausgegeben. Jessica K., seine Lebensgefährtin, hatte nichts zu sagen; er hat die Geschäfte geführt.“ Siegfried H. beschreibt der Mitarbeiter als „cholerisch, wenn etwas nicht sofort nach seinem Willen ging, wurde er schnell sauer“, aber gleichzeitig auch „raffiniert, er hat sich ständig am Limit bewegt“.
Alle Konten im Minus – mit einer großen Ausnahme
Getrennt habe man sich schließlich im Guten, sagt der ehemalige Mitarbeiter weiter, bevor er einen Einblick in den täglichen Betrieb bei FlexiCamper gibt: „Ich habe mich immer geweigert, in den Verkauf zu gehen. Teilweise haben die ein und dasselbe Wohnmobil an drei Kunden verkauft. Immer mehr Umsatz, darum ging es. (...) Andererseits wurden sämtliche Fristen immer ausgereizt. Erst wenn ein Kunde mit dem Anwalt gedroht hat, hat man ihm einen Knochen hingeworfen.“ Statt im Verkauf war der Mitarbeiter im Büro tätig – in der Regel am PC und im Internet. Und auch dort will er zweifelhafte Vorgänge beobachtet haben: „Die Bewertungen auf den Portalen wurden verändert, Hauptsache schöner Schein. Da wurden schlechte Rezensionen einfach gelöscht und nur gute blieben stehen. Nicht nur in Rosenheim, sondern an allen Standorten der Firma.“
Auch in die Finanzen hatte der ehemalige Mitarbeiter tiefen Einblick – er berichtet: „Immer wieder neue Konten und Kreditkarten – jede Menge Schulden und alles in den roten Zahlen. Bereits 2021 und 2022 wurden viele Rechnungen einfach nicht bezahlt. Auf manche Konten konnte seltsamerweise auch gar nichts mehr eingezahlt werden. Wenn es dann mal dringend wurde, kam jemand mit einem Bargeld-Koffer.“ Darunter auch Personen, mit denen Siegfried H. bereits zu seiner Zeit als KTG-Geschäftsführer zusammengearbeitet habe. So sagt es der Mitarbeiter. Und er berichtet von einem Konto als Ausnahme: „Darauf waren zuletzt (Anm. d. Red.: Anfang 2023) über drei Millionen Euro.“ Über den Verbleib dieses Geldes kann der ehemalige Mitarbeiter keine Angaben machen. Seine Zusammenfassung fällt ernüchternd aus: „Es hat jeder gewusst, die fahren das früher oder später an die Wand und sind dann weg. Dass es aber so schnell geht, das hat wohl alle überrascht.“
Per Telefon und auch auf schriftlichem Weg hat unsere Redaktion im Zuge der Recherchen mehrfach versucht, Siegfried H. und Jessica K. zu kontaktieren. Die Anfragen zu den Vorwürfen des ehemaligen Mitarbeiters blieben bislang allerdings gänzlich ohne Antwort. Die Sichtweisen der Geschäftsführerin und deren Lebensgefährten zu den vorgebrachten Vorgängen im Unternehmen bleiben somit weiter im Dunklen. Und auch zur Zukunft der noch verbleibenden Mitarbeiter blieben beide eine Aussage schuldig. Vor Ort in Frasdorf heißt es lediglich, die Verantwortlichen seien „abgetaucht“. Die Redaktion bleibt dran und steht für ein Gespräch mit Siegfried H. und Jessica K. jederzeit zur Verfügung.
Polizei spricht von aufwendigen Ermittlungen
Genauer hinter die Kulissen schauen derzeit die Ermittler des Kommissariats 3 der Rosenheimer Kripo. Anzeigen in „niedriger zweistelliger Anzahl“ seien gegen FlexiCamper bislang eingegangen, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Die Ermittlungen seien aufwendig, die Angelegenheit kompliziert. Die Frage, wie lange die Fachleute für Wirtschaftskriminalität für ihre Nachforschungen benötigten, sei seriös nicht zu beantworten.
Zu den geprellten Kunden, die sich zuerst an die Redaktion wandten, gehört Jörg Gauder. Auch der Kölner hat Anzeige gegen FlexiCamper erstattet. Er will, dass Anbietern wie Jessica K. und Siegfried H. „das Handwerk gelegt wird“. Er will ebenfalls Betroffene zusammenbringen. Eventuell für eine Sammelklage. „Ich werde andere Geprellte übers Internet einladen“, sagte er dem OVB.