Experten mit klarer Meinung
Droht nun noch mehr Leerstand in Rosenheim? Welchen Einfluss das Homeoffice hat
Immer weniger Menschen arbeiten klassisch im Büro. Das belegen Umfragen des Münchner Ifo-Instituts. Auch nach dem Ende der Pandemie arbeiten viele Angestellte daheim. Doch wie ist die Situation in Rosenheim? Und wie sinnvoll ist die Umwandlung von Bürogebäuden in Wohnraum?
Rosenheim - Auf dem Areal zwischen Bahnhof und Brückenberg entsteht das derzeit größte Bauprojekt Rosenheims. Neben Studenten- und Seniorenwohnungen werden in den „Lokhöfen“ auch rund 10.600 Quadratmeter Bürofläche zur Verfügung stehen. „Eine genaue Büroanzahl lässt sich schwer angeben, da Unternehmen kaum noch die klassische Aufteilung in einzelne Büros vornehmen“, sagt Kirsten Bauseler. Sie ist die Sprecherin des Unternehmens „S&P Commercial Development“, das sich um die Entwicklung des Quartiers am Rosenheimer Bahnhof kümmern. Von den 10.600 Quadratmeter sind Kirsten Bauseler zufolge bereits über 70 Prozent vermietet. „Derzeit sind wir außerdem bereits mit weiteren Mietern in fortgeschrittenen Gesprächen.“
Vermietungsstand entspricht Vor-Coronazeiten
Dass die Anfragen für Büroflächen seit der Corona-Pandemie zurückgegangen sind, kann sie demnach nicht bestätigen. „Der Vermietungsstand entspricht in etwa unserer Erfahrung von Vor-Coronazeiten“, sagt Bauseler. Beobachten lasse sich jedoch, dass Mieter wesentlich eingehender das Objekt prüfen und gegebenenfalls auch weniger Fläche als in der Vergangenheit anmieten.
Dennoch hat der Homeoffice-Trend für mehr Leerstand im Bürobereich gesorgt hat. „Das betrifft aber hauptsächlich ältere Büroflächen“, erklärt Bauseler. Also Büros mit ungünstigen Eingängen, ohne Aufzüge sowie fehlender Klimatisierung und IT-Infrastruktur. „Von Immobilien, die nicht den Standards der Technik entsprechen, gibt es auch in Rosenheim einige“, sagt Thomas Wüstefeld. Er ist der Inhaber der Immobilienagentur „Felder. Der Gewerbespezialist“ und kümmert sich unter anderem um die Vermietung von Büroflächen.
Moderne Büroflächen sind gefragt
„Nachdem die Nachfrage eine Zeitlang zurückgegangen ist, wird sie jetzt wieder intensiver“, sagt der Experte - vor allem nach modernen und gut gestalteten Büroflächen in der Innenstadt. Zwingende Voraussetzung seien jedoch Parkplätze.
Es ist eine Beobachtung, die auch Kirsten Bauseler gemacht hat. „Unserer Erfahrung nach haben gerade moderne Bürogebäude, die flexibel aufteilbare Flächen bieten und energetisch sehr gut aufgestellt sind, sehr gute Chancen am Markt und werden von renommierten solventen Unternehmen sogar gesucht.“ Als Konkurrenz zum Homeoffice will man den Mitarbeitern ihrer Auffassung nach attraktive Räume bieten, in denen sie gerne zusammenkommen.
Ergonomische Arbeitsplätze wichtig für Firmen
Das bestätigt auch Andreas Bensegger, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses. „Gut ausgestattete ergonomische Arbeitsplätze mit der entsprechenden, begleitenden Infrastruktur sind für Firmen nach wie vor ein mindestens genauso wichtiges Argument beim Anwerben von Fachkräften wie die Möglichkeit des Homeoffice selbst“, sagt der Rosenheimer Unternehmer.
Dass Homeoffice nach wie vor ein großer Faktor ist, zeigt ein Blick auf die aktuelle Umfrage des ifo-Instituts. So bieten insgesamt 61 Prozent der Unternehmen die Möglichkeit an, von daheim zu arbeiten, im Schnitt werden 6,4 Tage Homeoffice pro Monat ermöglicht. „Die Zahlen zeigen, dass sich in den meisten Firmen ein Zustand einpendelt, dass die Arbeitnehmer ein oder zwei Tage pro Woche im Homeoffice sind, und nicht permanent wie zeitweise in der Pandemie“, erklärt Bensegger. Zumal Homeoffice vor allem bei IT-Firmen und Dienstleistern eine Rolle spielt.
Vermietung von 28 Büroräumen im Stellwerk
Das weiß auch Dr. Florian Wiesböck. Er ist der Geschäftsführer vom „Stellwerk 18“. Dort werden insgesamt 28 Büroräume vermietet. „Homeoffice war auch vor der Pandemie schon ein wichtiges Thema“, sagt er. Einen stärkeren Trend könne er jedoch nicht beobachten. Zumal im Büro ein Mehrwert angeboten werde, den es im Homeoffice nicht gebe: den Austausch und das Miteinander.
Es sind Gründe wie diese, warum weder Andreas Bensegger noch Thomas Wüstefeld glauben, dass Homeoffice dazu geführt hat, dass Büros in der Stadt leer stehen. Dass es dennoch leerstehende Flächen gibt, beweist ein Spaziergang durch Rosenheim. Hierbei handelt es sich Wüstefeld zufolge jedoch vor allem um ältere Büroflächen. Diese sollten seiner Meinung nach in Wohnraum umgewandelt werden. Zumindest dann, wenn dazu die Möglichkeit besteht.
17 Baugenehmigungen seit Januar 2021
Doch das scheint - mit Blick auf die Zahlen - alles andere als einfach zu sein. So hat es seit Januar 2021 lediglich 17 Baugenehmigungen gegeben, bei denen eine Umnutzung beantragt wurde. Das teilte Christian Baab, stellvertretender Pressesprecher der Stadt Rosenheim, auf OVB-Anfrage mit. Bei einigen seien Nutzungsänderungen von Wohneinheiten zu Büros beantragt worden, bei anderen wurden Arztpraxen zu Wohnungen umfunktioniert.
„Es ist zunächst die Aufgabe des Eigentümers, sein Angebot einschließlich der Mietpreise so an die Marktbedingungen anzupassen, dass er auf eine Nachfrage trifft“, sagt Andreas Bensegger. Auch die Politik habe die „permanente Aufgabe“, die Attraktivität des Standorts Rosenheim zu sichern und könne auf diesem Weg ebenfalls die Nachfrage an Büroimmobilien beeinflussen. „Rosenheim steht aber insgesamt gut da, wie auch die jüngste IHK-Standortumfrage gezeigt hat“, erklärt der Unternehmer. Sollte es tatsächlich zu einem strukturellen Angebotsüberhang bei Büroimmobilien mit flächendeckenden Leerstand in Rosenheim kommen, wäre es sinnvoll, wenn andere Nutzungen durch entsprechende Genehmigungen unbürokratisch ermöglicht werden. „Davon sind wir aktuell aber noch weit entfernt“, sagt Bensegger.
Wohnraumnutzung ab dem ersten Obergeschoss
Bereits im vergangenen Jahr hatte sich die CSU dafür eingesetzt, Wohnraumnutzung im Kernbereich der Innenstadt bereits ab dem ersten Obergeschoss bauleitplanerisch zu ermöglichen. Bisher würden einige Bebauungspläne eine sogenannte horizontale Nutzungstrennung vorsehen, die vorschreibt, dass eine Wohnnutzung erst ab dem zweiten Obergeschoss oder darüber hinaus möglich ist. „Diese strikte Nutzungstrennung ist aus Sicht der CSU-Fraktion jedoch nicht mehr zeitgemäß und führt bereits jetzt zu unnötigen Leerständen in Obergeschossen des innerstädtischen Kernbereichs“, heißt es in einem entsprechenden Antrag.
Laut dem stellvertretenden Pressesprecher der Stadt Rosenheim wird die Schaffung von Wohnraum ab dem ersten Obergeschoss im Kernbereich der Innenstadt je nach Einzelfall entschieden, „um Bebauungspläne nicht aufwändig ändern zu müssen“.