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Interview mit Direktor der Milcherzeuger

„Macht betroffen“: Nach Tierdrama in Griesstätt und Bad Aibling – Milch-Experte nimmt Stellung

Wie konnte es zu den schrecklichen Tierdramen in Griesstätt und Bad Aibling kommen? Auf beiden Höfen wurden mehrere tote Rinder entdeckt (Symbolbild). Dr. Hans-Jürgern Seufferlein, Direktor des Verbands der Milcherzeuger Bayern, nimmt dazu Stellung.
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Wie konnte es zu den schrecklichen Tierdramen in Griesstätt und Bad Aibling kommen? Auf beiden Höfen wurden mehrere tote Rinder entdeckt (Symbolbild). Dr. Hans-Jürgern Seufferlein, Direktor des Verbands der Milcherzeuger Bayern, nimmt dazu Stellung.

Nachdem auf landwirtschaftlichen Höfen in Griesstätt und Bad Aibling zahlreiche tote Tiere gefunden wurden, ist der Schock in der Region nach wie vor groß. Wie Dr. Hans-Jürgen Seufferlein, Direktor des Bayerischen Milcherzeuger-Verbands, über das Kontrollsystem denkt, verrät er im OVB-Exklusiv-Interview.

Griesstätt/Bad Aibling – Zwei Fälle von Tierwohlgefährdung in kürzester Zeit im Landkreis Rosenheim: Nachdem das Veterinäramt erst Ende März auf einem Bauernhof in Griesstätt zahlreiche tote Rinder und Schafe entdeckt hatte, wurde nur zwei Wochen später ein ähnlicher Fall in Bad Aibling bekannt. Dort wurden ebenfalls mehrere tote Rinder entdeckt. Ein weiteres Tier musste aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes noch vor Ort eingeschläfert werden, wie das Landratsamt Rosenheim mitgeteilt hatte. In beiden Fällen wurde die Behörde durch einen anonymen Hinweis aus der Bevölkerung auf die Missstände aufmerksam.

Region schwer schockiert

Die Vorfälle haben die Bürger in der Region schockiert. Beide Male gab es Gerüchte, dass die Höfe keine Milchviehwirtschaft mehr betrieben hätten. Entsteht dann eine Lücke im Kontrollsystem? Dr. Hans-Jürgen Seufferlein ist Direktor des Verbands der Milcherzeuger Bayern (VMB). Er nimmt Stellung zu der Thematik.

Zu den Gerüchten, dass beide Höfe keine Milchviehwirtschaft mehr betrieben haben: Wie werden Betriebe, die aus der Milchviehwirtschaft aussteigen, bezüglich Kontrollen behandelt?

Dr. Hans-Jürgen Seufferlein: Die erste Frage bei Meldungen wie jüngst im Landkreis Rosenheim ist für den VMB als Regionalstelle QM-Milch immer: Ist es ein Milchviehbetrieb und wird aktuell noch Milch an Molkereien geliefert und wann hat das letzte Audit von QM-Milch stattgefunden? Wenn noch Milch geliefert würde, würde seitens der Zertifizierungsstelle sofort ein unangemeldetes Audit auf dem Betrieb stattfinden. Wenn aber, wie bei den Fällen in Rosenheim, dies schon länger nicht mehr der Fall gewesen sein soll, entfällt auch ein derartiges Audit. Dies aber ist zu trennen von den staatlichen Kontrollen, die bei Betrieben mit Tierhaltung weiter erfolgen.

Keine Unterscheidung bei Kontrollen von Höfen

Das Landratsamt Rosenheim teilt auf Anfrage mit, dass ein landwirtschaftlicher Hof die Aufnahme der Tätigkeit der Tiere, also beispielsweise die Milcherzeugung, einmalig beim zuständigen Veterinäramt melden müsse. „Milchliefernde landwirtschaftliche Betriebe werden grundsätzlich nicht anders oder vermehrt durch das zuständige Veterinäramt kontrolliert“, so die Behörde.

Welche Zertifikate benötigen Landwirte, die ihre Milch an Molkereien oder Ähnliches verkaufen wollen?

Dr. Hans-Jürgen Seufferlein: Rohmilch, die in den Verkehr gebracht wird, wird von neutralen Prüforganisationen, in Bayern vom Milchprüfring Bayern, auf die in der Rohmilchgüteverordnung festgelegten Kriterien untersucht. Sie ist Grundlage für die Probenahme, Güteuntersuchung, Berechnung des Milchpreises und die Aufzeichnungspflichten. Dafür gibt es aber kein Zertifikat. Des Weiteren gibt es ein mittlerweile flächendeckend eingeführtes Audit für Qualitätsmanagement Milch (QM-Milch), mit dem der gesamte Produktionsprozess Milch transparent und rückverfolgbar gemacht wird.

Finden Sie diese bereits bestehenden Kontrollsysteme ausreichend?

Seufferlein: Rohmilch-Gütekontrollen und auch Systeme wie QM-Milch haben unserer Erfahrung nach einen ausreichenden Kontrollrhythmus. Insgesamt kritisieren unsere Landwirte ein deutliches Zuviel an Kontrollen, vor allem die ganz überwiegende Zahl derer, bei denen es nichts zu beanstanden gibt. Audits für QM-Milch werden gegenwärtig im dreijährigen Zyklus wiederholt.

Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?

Seufferlein: Verbesserungspotenzial gibt es immer. Man wird aber wohl solche Fälle, wie jüngst in Griesstätt und Bad Aibling, und auch den vor wenigen Jahren in Rimsting leider nicht vermeiden können, vor allem aber nicht mit mehr Kontrollen.

Dr. Hans-Jürgern Seufferlein, Direktor des Verbands der Milcherzeuger Bayern.

Wie sehen Kontrollen auf landwirtschaftlichen Höfen aus, wenn diese Milchviehwirtschaft betreiben? Wer kontrolliert? Wie oft finden Kontrollen statt?

Seufferlein: Der VMB kann hier nur von den Audits für QM-Milch sprechen. Diese finden, wie schon erwähnt, im dreijährigen Turnus durch neutrale und anerkannte Zertifizierungsstellen statt. Sind beim Audit Mängel festgestellt worden oder in bestimmten Bereichen eine Mindestpunktzahl nicht erreicht worden, verkürzt sich das Intervall auf 18 Monate. Und wenn ein sogenanntes K.-o.-Kriterium nicht bestanden wurde, muss das Audit wiederholt werden. Davon zu trennen sind die staatlichen Veterinärkontrollen.

Wie bewertet der Verband der Milcherzeuger Bayern e.V. diese Vorfälle von Tierwohlgefährdung in der Region Rosenheim?

Seufferlein: Wenn man die Fälle im Einzelnen ansieht, macht es betroffen und es stellt sich die Frage, warum diese Vorfälle nicht früher oder rechtzeitig wahrgenommen wurden. Viele Personen kommen doch regelmäßig auf einen landwirtschaftlichen Betrieb. Ohne etwas entschuldigen zu wollen: Meist verbergen sich menschliche Schicksale hinter den Ereignissen, die aus einem Mix aus Überforderung und nicht angenommener Hilfeleistung bestehen.

Wie konnte es zu den schrecklichen Tierdramen in Griesstätt und Bad Aibling kommen? Auf beiden Höfen wurden mehrere tote Rinder entdeckt (Symbolbild).

Steht der Verband im Austausch mit zuständigen Behörden, wie beispielsweise dem Veterinäramt?

Seufferlein: Eher weniger. Wir agieren vornehmlich auf der Ebene der Wertschöpfungskette Milch und sind im ständigen Austausch mit den Marktpartnern, Systemgebern und Zertifizierungsstellen. Um es nochmals anzusprechen: Für die staatlichen Kontrollen auf den Tiere haltenden Betrieben sind die an den Landratsämtern angesiedelten Veterinärbehörden zuständig, bei größeren Betrieben die Kontrollstelle für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV), die wiederum dem bayerischen Umweltministerium unterstehen.

Wie reagiert der Verband, wenn gegen einen Betrieb, der Mitglied im Verband der Milcherzeuger ist, wegen Tierwohlgefährdung ermittelt wird? Ist so etwas schon einmal vorgekommen?

Seufferlein: Der Verband der Milcherzeuger Bayern hat selbst keine Mitglieder, setzt sich für die Belange aller bayerischen Milcherzeuger und der Milchwirtschaft ein, basiert auf einem Delegiertensystem mit gewählten ehrenamtlich tätigen Vertretern aus BBV-Kreisverbänden, Milcherzeugergemeinschaften und genossenschaftlich geführten Molkereien. Wir helfen, informieren, beraten und unterstützen. Natürlich müssen die Milchviehhalter die gesetzlichen Vorgaben einhalten. Darüber urteilen dann aber Staatsanwaltschaften und Gerichte.

„Qualitätsmanagement Milch“

Der Milchsektor hat im Jahr 2002 den Verein „Qualitätsmanagement Milch“, kurz „QM Milch“ ins Leben gerufen. Träger sind der Deutsche Bauernverband (DBV), der Milchindustrie-Verband (MIV) und der Deutsche Raiffeisenverband (DRV). Mehr als 90 Prozent der deutschen Milchbauern wirtschaften laut dem DBV nach den Vorgaben des Vereins.

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