Wird das Puzzle am Tag 25 vervollständigt?
„Clash of Clans“: Warum eine Antwort aus Finnland den Mord-Prozess Hanna mitentscheiden könnte
Fehlen womöglich nur noch wenige Mosaiksteinchen für ein vollständiges Bild? Am Dienstag, 16. Januar, steht Tag 25 im Mordprozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W. (23) am Landgericht Traunstein an. Und Gutachter wollen wichtige Fragen klären.
Aschau/Traunstein – Man kann sie drehen, man kann sie wenden: Die Aussage eines Richters, der am Donnerstag, 11. Januar, seine Eindrücke vom womöglich wichtigsten Belastungszeugen im Hanna-Prozess schilderte, ist je nach Standpunkt zu deuten.
Mit den Augen eines Verteidigers betrachtet, hat der Zeuge aus der JVA Traunstein damals, bei einem anderen Verfahren, vor allem gelogen. Er hat vor der Polizei falsch ausgesagt, um seine Mutter in einer Familienrechtssache zu belasten. Und damit entscheidend Vertrauen verspielt.
Der Richter, der am Donnerstag, 11. Januar, in Traunstein über seine Erfahrungen mit dem Haftzeugen aussagte, habe daran keine Zweifel gelassen, sagte Rechtsanwalt Harald Baumgärtl nach dem 24. Verhandlungstag. „Was im Gesamtergebnis die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen sehr in Frage stellt“, schloss der Verteidiger des Angeklagten Sebastian T. (22).
Nebenklägeranwalt hält JVA-Zeugen für glaubwürdig
Das sieht Walter Holderle, Anwalt von Hannas Eltern, anders. Er betont die anerkennenswerte Kehrtwende des JVA-Zeugen in jenem über eineinhalb Jahre zurückliegenden Verfahren.
„Er hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, bei der Polizei die Unwahrheit gesagt zu haben“, fasste Holderle die Aussage des Richters zusammen. Und der Richter habe dem Zeugen geglaubt. Weil der Jurist – auch mit seiner Erfahrung aus einer früheren Tätigkeit als Familienrichter – sehr gut dargelegt habe, warum er dem jungen Mann die Aussage abgenommen habe, könne man den Mithäftling auch im aktuellen Mordprozess als „absolut glaubwürdig“ ansehen.
Überraschungszeuge mit womöglich entscheidender Wirkung
Sollte das Gericht zu dem selben Schluss kommen, landet Sebastian T. wohl im Gefängnis. Denn nach der Aussage des Mithäftlings hat er die Tat vor etwas über einem Jahr in der JVA Traunstein eingestanden. Sebastian T. habe ihm anvertraut, dass er Hanna am frühen Morgen des 3. Oktober 2022 angegriffen habe. Er habe sie bewusstlos geschlagen, damit sie sich nicht mehr wehren könne. So schilderte es der Mann, der sich als „Überraschungszeuge“ kurz nach Beginn des Prozesses am 12. Oktober 2023 gemeldet hatte.
Gericht ändert den Tatvorwurf
Wie die Tat nunmehr einzuschätzen sein könnte, teilte die Vorsitzende Richterin bereits am Donnerstag, 4. Januar, in einem rechtlichen Hinweis mit: Im Falle einer Verurteilung stehe Körperverletzung plus Mord im Raum. Den Mord hätte der Täter demnach begangen, um das vorangegangene Verbrechen des brutalen Angriffs zu „verdecken“. Aber auch Totschlag komme in Frage, sagte Richterin Jacqueline Aßbichler.
Hannas Tod, ein Unfall?
Die Strategie der Verteidigung hatte lange Zeit darin bestanden, Hannas Tod dagegen als mögliche Folge eines Unfalls darzustellen. Die junge Frau sei auf dem Heimweg vom Club „Eiskeller“ in den Bärbach gestürzt und habe erst beim Treiben in den reißenden Hochwassern jener fatalen Nacht ihre schweren Verletzungen – darunter die Brüche beider Schulterdächer, eine Fraktur an einem Halswirbel und mindestens fünf tiefe Wunden am Kopf – erhalten.
Wahlverteidigerin Regina Rick hatte bereits den im Falle des „Badewannen-Mordes“ unschuldig verurteilten Manfred Genditzki freibekommen – mit dem Nachweis, dass den Tod des angeblichen Opfers kein Mörder, sondern ein Unfall verursacht hatte.
Nun sagt der Wasserkundige aus
Ein Unfall auch im Fall Hanna – ist das denkbar? Nebenkläger-Anwalt Walter Holderle hatte schon nach den Gutachten der Gerichtsmediziner gesagt: Nein. Die Kombination der Verletzungen sei durch einen Unfall und das Treiben in der reißenden Prien nicht erklärbar. Bereits Gutachterin Prof. Elisabeth Mützel von der LMU München hatte erklärt, dass man sich fragen müsse, „in welcher Situation kommen diese Verletzungen in dieser Kombination zustande?“
Die Verteidigung hatte argumentiert, die schweren Verletzungen unter anderem am Kopf hätte sich Hanna auch in einer Wasserwalze zuziehen können, wie sie sich etwa am Fuße einer Staustufe bilde. Daher kommt nun am Dienstag, 16. Januar, ein Hydromechaniker zu Wort.
Geladen ist Prof. Andreas Malcherek. Er lehrt an der Bundeswehr-Uni Neubiberg Hydromechanik. Heißt: Er beschäftigt sich mit dem Verhalten von Flüssigkeiten, insbesondere mit fließenden Flüssigkeiten. Er wird mitteilen, welche Kräfte womöglich am 3. Oktober 2022 in der Prien walteten.
Forensiker kommt nochmals zum Einsatz
Auch Prof. Jiri Adamec wird nochmals aussagen. Er forscht am Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität in München unter anderem auf dem Gebiet der forensischen Traumatomechanik. Er wird wohl sagen können, ob sich die Verletzungen Hannas mit den von Malcherek beschriebenen Kräften vereinbaren lassen.
Adamec hatte sich in einem Punkt bereits festgelegt. Die Prien führte in der Nacht von Hannas Tod ungewöhnlich viel Wasser, da sie durch anhaltende Regenfälle stark angeschwollen war. Der Druck des Wassers sei so stark gewesen, dass Schwimm-Legende Michael Phelps nicht hätte dagegenhalten können. Schon zuvor hatte der Vortrag eines IT-Forensikers der Polizei die Unfall-These schwer erschüttert. Er hatte nachgewiesen, dass Hanna noch versucht hatte, einen Notruf per Kurzwahltaste abzusetzen. Schwer vorstellbar, dass ein Mensch, der gegen Fluten kämpft, einen Notruf absetzt. Selbst wenn er die Kraft von Michael Phelps hat.
Die finnische Frage: Hat Sebastian T. ein Daddel-Alibi?
Sollten nicht noch weitere Anträge eingebracht werden, sind neben der Prien und der Wahrscheinlichkeit, sich in ihr schwerste Verletzungen zuzuziehen, nur noch wenige Fragen offen. Die wohl wichtigste davon betrifft das Mobiltelefon des Angeklagten: Hat Sebastian T. zum Zeitpunkt der Tat auf seinem Smartphone gespielt? Das ist die These der Verteidigung.
„Clash of Clans“ soll der Angeklagte gespielt haben. Um das zu überprüfen, wurde eine Anfrage an den finnischen Software-Entwickler „Supercell geschickt. Offenbar können die Finnen genau belegen, ob ein Spiel nur im Hintergrund läuft oder vom Spieler aktiv, mit Steuerbefehlen, bedient wird. Lange kann die Antwort nicht mehr auf sich warten lassen. Denn „Supercell“ bietet auf seiner Homepage sogar ganz normalen Spielern Datenservice an: „Auf Anfrage stellen wir dir gern eine elektronische Kopie deiner persönlichen Daten zur Verfügung.“