Das passierte am 14. Verhandlungstag
Mordprozess im Fall Hanna: Welche Befunde der Gerichtsmediziner Fragen aufwerfen
Es bleibt vieles unklar im Prozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W. Auch die Aussagen der Gerichtsmediziner brachten am Donnerstag (23. November) wenig Gesichertes aus der Tragödie von Aschau im Chiemgau ans Licht. Wo sich am Landgericht Traunstein noch Fragen stellen.
Aschau/Traunstein – Es ist noch einiges abzuklären in diesem Prozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W. Der Mordprozess ging am Donnerstag in seinen 14. Tag, ohne dass danach ein Ende abzusehen wäre. Eine Frage: Schlug der Täter mit einem Handy auf Hanna W. ein?
Die beiden Gutachter Prof. Jiri Adamec und Prof. Elisabeth Mützel berichteten von einem Versuch mit einem Handy. Die Kopfverletzungen hätten zunächst dazu passen können. Allerdings, so sagte es Mützel, erlaube der Versuch, den man dazu in der Gerichtsmedizin angestellt habe, „keine eindeutige abschließende Interpretation“. Es sei aber so, dass das Handy bei entsprechendem Kraftaufwand zersplittert sei, berichtete Adamec. Glassplitter wurden aber nicht festgestellt.
Mordfall Hanna: Was feststeht
Festzustehen scheint hingegen, dass Hanna im Bärbach oder spätestens in der Prien ertrunken ist. Gerichtsmedizinerin Mützel berichtete von einem „Schaumpilz“ vor Mund und Nase, ein typisches rechtsmedizinisches Zeichen. Vier bis fünf Minuten dauere es, bis ein Mensch unter Wasser sterbe; in diesem Fall dürfte unter anderem das kalte Wasser – die Prien hatte am Morgen des 3. Oktober 2022 wohl gerade mal zehn Grad – das Ende beschleunigt haben.
Reißende Prien führte Hochwasser
Es hatte stark geregnet, die Prien führte am Morgen des 3. Oktober 2022 Hochwasser. Laut den beiden Experten hatte Hanna in dem Augenblick, da sie ins Wasser gelangte, kaum eine Chance mehr. Das Wasser des Flusses strömte an jenem Morgen mit rund zehn Stundenkilometern. Vielleicht nicht schnell genug, um die teilweise schweren Verletzungen Hannas schlüssig zu erklären.
Zumindest lassen das die Ausführungen von Mützel und Adamec nicht als wahrscheinlich erscheinen. Aber die Prien floss zu schnell, als dass jemand dagegen hätte anschwimmen können. „Selbst Michael Phelbs würde da weggetrieben werden“, sagte Adamec. Und dann die Kälte – da habe Hanna realistischerweise „keine Chance mehr gehabt, wieder rauszukommen“, sagte Mützel.
Hannas Tod: Verletzungen werfen Fragen auf
Zwei Befunde vor allem werfen Fragen auf: die Frakturen eines Halswirbels sowie beider Schulterblätter Hannas, genauer: der Schulterdächer. Das ist der oberste Punkt der Schulterblätter bei einem stehenden Menschen. Ein Bruch ist selten, den symmetrischen Bruch beider Schulterdächer habe sie überhaupt noch nicht gesehen, sagte Elisabeth Mützel. Wie entstanden die Verletzungen?
Von den Verletzungen der Schultern und den Gutachten ausgehend, hatte Staatsanwalt Wolfgang Fiedler in seiner Anklageschrift einen Angriff angenommen, bei dem der Angeklagte Sebastian T. Hanna von hinten attackiert habe. T. habe sich dann mit solcher Vehemenz auf sein liegendes Opfer gekniet, dass die Schulterdächer dabei gebrochen seien.
Verteidigung setzt auf Verletzungen durch Prien
Die Verteidigung mit Regina Rick, Harald Baumgärtl und Dr. Markus Frank setzt hingegen darauf, Zweifel an dieser Rekonstruktion zu wecken. Welche Verletzungen könnten durch das Treiben in Bärbach und Prien entstanden sein, als der Körper möglicherweise gegen Steine oder Brückenpfeiler prallte? Einige Blutergüsse und Schürfungen ließen sich möglicherweise dadurch erklären.
Das stellten die Gutachter gar nicht in Abrede. Wie Gutachterin Mützel vorstellte, seien jedoch vor allem die Verletzungen an Hals und Schulter als Folge des Mitgerissenwerdens in der Prien nicht zu erklären. Vorstellbar sei stumpfe Gewalt, etwa durch Draufknien oder -springen. Mützel sagte, man müsse sich fragen: „In welcher Situation kommen diese Verletzungen in dieser Kombination zustande?“ Was auch Walter Holderle als Anwalt von Hannas Familie bestätigt: Um eine Rekonstruktion des Morgens zu erreichen, müsse man die Gesamtheit der Verletzungen im Auge behalten.
Ein Drohnenflug über die Prien?
Harald Baumgärtl regte an, dass ein Video von den elf Fluss-Kilometern angefertigt werde, die Hannas Körper in der Prien zurücklegte. Schließlich wolle man erfahren, was sich an Hindernissen im Fluss aufbaue. Laut Richterin Jacqueline Aßbichler soll dem bald nachgekommen werden. Regina Rick brachte einen weiteren externen Gutachter ins Spiel. Denkbar wäre, dass der Stuttgarter Biomechaniker Syn Schmitt, bekannt als Gutachter beim Genditzki-Freispruch, eine Computersimulation beisteuert. Es könnte, mit den Daten von Opfer und Angeklagtem gefüttert, simulieren, was sich am Morgen des 3. Oktober am Bärbach abgespielt hat. Was Nebenkläger-Anwalt Holderle begrüßt: Ein Gutachten könne Klarheit bringen.
Wie das Wasser den Ermittlern die Arbeit erschwert
Ein weiterer Gutachter, Holger Muggenthaler aus Jena, sagte zum Todeszeitpunkt aus. Eine konkrete Uhrzeit könne man mit den herkömmlichen Methoden nicht feststellen, nicht nach einer Zeit in einem reißenden Fluss. Somit könnten die Geodaten erneut in den Vordergrund rücken, die in den nächsten Wochen ohnehin nochmals vor Gericht verhandelt werden sollen. Zunächst wird am Mittwoch, 29. November, nochmals ein Ermittler der Kriminalpolizei zu Wort kommen. Die Termine am Freitag, 24. November, und am Dienstag, 28. November, fallen hingegen aus.