Ticker: Der 24. Verhandlungstag im „Hanna-Prozess“
Zweifel an angeblichem „Täterwissen“: Verteidigung stützt sich weiter auf „Unfall-These“
Traunstein – Er sitzt bereits seit über einem Jahr hinter Gittern – doch eindeutige Beweise gegen Sebastian T. (22) gibt es immer noch nicht. Weil er den Mord an Hanna W. (†23) einem Mitgefangenen gestanden haben soll, wird nun die Glaubwürdigkeit des Knast-Zeugen näher beleuchtet. Auch die Sprachnachrichten der Schulfreundin des Angeklagten sollen noch einmal auf dem Prüfstand stehen.
Das Wichtigste in Kürze:
Update, 13.55 Uhr – „Gestern hab ich so Schiss gehabt, dass ich auch umgebracht werde.“
Den Sprachnachrichten der Schulfreundin Sebastian T.s zufolge sieht es also aus, als habe der fragliche Spaziergang am 5. Oktober 2022 stattgefunden. Am 5. Oktober um 15.04 Uhr sandte die Schulfreundin aber eine Sprachnachricht an ihre Schwester: „Ich war ja gestern bei T. und da hat er mir erzählt, dass ein Mädl beim Eiskeller umgebracht worden ist. Seitdem lässt er mich nicht mehr allein. Und ich hab’ voll Paranoia. Gestern hab ich so Schiss gehabt, dass ich auch umgebracht werde.“
Weil es sich nur dann um den eindeutigen Nachweis für die Offenbarung von Täterwissen handeln würde, wenn Sebastian T. nachweislich am 3. Oktober über den „Eiskeller-Mord“ gesprochen hätte, kippt schon während der Anhörung der Sprachnachrichten die Stimmung im Gerichtssaal. Eine gewisse Müdigkeit wird spürbar. Die Reaktionen des Angeklagten auf die vielen Sprachnachrichten seiner besten Freundin lassen auf Rührung schließen.
„Unfall-These“ weiter im Fokus der Verteidigung
Als die Freundin in einer Nachricht davon spricht, dass sie nichts von Sebastian T. „wolle“, sondern von einem anderen, wirkt er irritiert und schüttelt kurz den Kopf. Beim Abhören ihrer Sprachnachrichten an ihn selbst wird er rot und lächelt. Für Hanna W.s Eltern war der Verhandlungstag sicherlich enttäuschend. Die zahlreichen Termine müssen eine unglaubliche Last für die Familie der Verstorbenen sein.
Nach der Entlassung des Kripo-Zeugen kommt es dann erneut zu einem kleineren Wortgefecht zwischen der Vorsitzenden Richterin Jacqueline Aßbichler und Verteidigerin Regina Rick. Es geht dabei um Beweisanträge und den Belastungszeugen aus der Justizvollzugsanstalt. Rick erwähnt außerdem ein Gerücht: Ein Mann soll bereits früher einmal im Bärbach verunglückt sein. Die Strategie der Rechtsanwälte von Sebastian T. stützt sich demnach weiter auf die Unfall-These.
Die Verhandlung wird dann unterbrochen. Sie wird am 16. Januar um 9 Uhr fortgesetzt. Dann soll das hydrologische Gutachten Thema werden.
+++ chiemgau24.de berichtet auch dann wieder live aus dem Gerichtssaal +++
Update, 11.25 Uhr – „Sag denen, dass ich mich vertan habe“
Nun wird ein Zeuge von der Kripo Rosenheim in den Zeugenstand gerufen. Er spielt viele der Sprachnachrichten vom Smartphone der besten Freundin des Angeklagten vor. Die Stimmung des Mädchens reicht von hysterisch bis kindlich aufgeregt. Ihre Sprachnachrichten an die Mutter, den Vater und einen ihrer Freunde stellen die polizeiliche Vernehmung der Hauptbelastungszeugin als ein filmreifes Ereignis dar, bei dem Polizeibeamte laut werden und das Mädchen auch als Verdächtige vernommen wird.
„Als ob ich jemanden umbringen würde“ sendete das Mädchen am 17. November 2022 an ihren Vater. „Nur weil ich die Erste war, mit der sich T. getroffen hat.“ An einen Freund schickte die Schulfreundin folgende Sprachnachricht: „T. ist tatverdächtig, und ich soll mir einen Anwalt holen“, und später: „Sie haben meine Jacke untersucht, weil sie glauben, dass es T. war.“ Das Mädchen sagte auch, dass sie vielleicht in Untersuchungshaft müsse.
„Niemals würde er sowas tun. Never!“
Spannend wird es, wenn es um das Datum des fraglichen Spaziergangs mit Sebastian T. geht, bei dem er seiner Schulfreundin Täterwissen offenbart haben könnte. Dies wäre nur der Fall, wenn er ihr noch am 3. Oktober 2022 von dem „Eiskeller-Mord“ erzählt hätte – also wenige Stunden nach dem Fund der Leiche und noch vor den ersten Presseberichten. Die Sprachnachrichten der Schulfreundin klingen diesbezüglich nach dem 17. November eindeutig. So schickte sie an ihre Mutter: „Ich hab mich im Datum vertan. Das war nicht am 3., sondern am 5.“
Das Gleiche wiederholt sie auch in anderen Nachrichten an einen Freund: „Ich hab das nicht mehr gewusst. Ich merk‘ mir sowas doch nicht.“ Am 16. November hatte sie deswegen auch eine Sprachnachricht an Sebastian T. selbst geschickt: „Ich hab mich verplappert. Ich hab gesagt, das war am 3. Wenn du noch mal bei der Polizei bist, sag denen, dass ich mich vertan hab’.“ Ein paar Tage später sendet sie einem Freund: „Wir müssen ihm helfen. Ich weiß, dass er’s nicht war. Niemals würde er sowas tun. Never!“
Update, 10.05 Uhr – „Mein Vater hat mich auch erpresst.“
Der 24. Verhandlungstag im Hanna-Prozess beginnt. Der erste Zeuge am heutigen Tag ist ein Richter. Er leitete ein Verfahren gegen den Belastungszeugen aus der Justizvollzugsanstalt Traunstein. Dieser wurde im aktuellen Prozess als Überraschungszeuge eingeführt und hatte angegeben, dass Sebastian T. (22) ihm während seiner Untersuchungshaft im Dezember 2022 den Mord an Hanna W. (†23) gestanden habe. Die Vernehmung des Richters soll nun zur Feststellung der Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen beitragen.
Der Richter sagt aus, dass der Mitgefangene von Sebastian T. als Zeuge in einem Verfahren gegen seine eigene Mutter aussagen sollte. Die Frau stand wegen des Vorwurfs der Nötigung zu einer Falschaussage vor Gericht. Als Zeuge in dem Verfahren hatte der Mitgefangene grundsätzlich das Recht, die Aussage gegen seine Mutter zu verweigern. Zuerst habe der Belastungszeuge dann falsche Angaben gemacht, dies aber dann offen gestanden und richtiggestellt.
Der „Knast-Zeuge“ hatte angegeben, dass der Vater ihn beeinflusst habe, seine Mutter anzuzeigen und gegen diese auszusagen. Verteidiger Markus Frank hält dem Zeugen einen Auszug aus dem Verfahrensprotokoll vor. Der Mitgefangene von Sebastian T. soll damals gesagt haben: „Ich habe die Aussagen so gemacht, wie es gerade passt“, und: „Mein Vater hat mich auch erpresst.“ Der Richter sagt dazu, dass er durch seine jahrelange Erfahrung als Familienrichter solche Fälle zur Genüge kenne und Kinder häufig an Loyalitätskonflikten leiden, wenn Eltern miteinander streiten und vor Gericht landen.
Vorbericht:
Der Mordprozess gegen Sebastian T. (22) läuft inzwischen seit zwei Monaten – doch noch immer schweigt er zu den Vorwürfen. Nachdem ein Mitgefangener ausgesagt hatte, dass der Angeklagte ihm den Mord an Hanna W. (†23) gestanden habe, kam die Glaubwürdigkeit des „Knast-Zeugen“ stark unter Beschuss der Verteidigung. Auch die Seriosität der Aussagen der besten Freundin Sebastian T.s wurde bezweifelt: Ihre Angaben wiesen darauf hin, dass der Angeklagte über „Täterwissen“ verfügt haben könnte.
Die Glaubwürdigkeit des Knast-Zeugen
Zwar hatte die Vorsitzende Richterin, Jacqueline Aßbichler, die Behauptung der Verteidigung, „dass Mithäftlinge in so gut wie jedem Verfahren mit angeblichen Geständnissen der Angeklagten herangezogen werden“, als nicht belegbar und haltlos zurückgewiesen. Dennoch soll am 24. Verhandlungstag beleuchtet werden, warum der Mitgefangene in einem Verfahren gegen seine eigene Mutter falsche Angaben machte. Dazu wird der Richter des Verfahrens angehört. Auch die Sprachnachrichten der besten Freundin Sebastian T.s stehen auf dem Programm: Sie sollen zur Klärung beitragen, wann der Angeklagte seiner Freundin tatsächlich von dem „Mord in Aschau“ erzählte.
Was bisher bekannt ist
Hanna W. (†23) machte sich am 3. Oktober 2022 um 2.26 Uhr auf ihren 885 Meter langen Heimweg vom Club Eiskeller in Aschau. Um 2.31 Uhr soll die Medizinstudentin versucht haben, ihre Eltern anzurufen. Kurz danach – um 2.33. Uhr – befand ihr Handy sich wohl schon im Bärbach, Hanna selbst muss kurz danach in das kalte Wasser geraten sein. Ihr Leichnam wurde zwölf Stunden später im Fluss Prien gefunden: Sie war lediglich mit Unterwäsche, Oberteil und Turnschuhen bekleidet. Bei diversen Suchaktionen konnte Hannas Ring im Bereich des Kampenwand-Parkplatzes Aschau im Bärbach gefunden werden. Jacke, Hose und Smartphone wurden später in der Prien entdeckt. Der Leichnam der jungen Frau zeigte diverse Verletzungen, darunter mehrere tiefe Wunden am Kopf und Strangulationsmale im Hals-Nacken-Bereich. Am auffälligsten war der symmetrische Bruch beider Schulterdächer. Die Rechtsmedizin stellte als Todesursache „Tod durch Ertrinken“ fest.