Wieder endet eine Ära im Einzelhandel
Nach 45 Jahren „Freude am Einrichten“: Darum schließt Martina Pfeiffer-Zorn in Wasserburg
Die Gerüchteküche in Wasserburg brodelt: Beginnt das neue Jahr mit einer Ladenschließung, so wie das alte geendet hat? So ist es. Das Inneneinrichtungs-Geschäft „Wohnen und Wohlfühlen“, seit Jahrzehnten von Martina Pfeiffer-Zorn betrieben, schließt. Das sind die Gründe.
Von Irene Kristen-Deliano
Wasserburg – Die Wasserburger Autorin und Stadtführerin Irene Kristen-Deliano hat Martina Pfeiffer-Zorn (68) in ihrem Zuhause auf Schloss Weikertsham besucht, um mit der Inneneinrichterin über die Gründe für ihr Aufhören als Inneneinrichterin in Wasserburg zu sprechen.
Schon beim Eintreten in ihr Zuhause ist zu erkennen, dass es eine Oase, einen Platz zum Entspannen und Kraft schöpfen, darstellt. Ein Konzept, das Martina Pfeiffer-Zorn lange Jahre mit ihrem Tun auch an ihre Kunden weitergegeben hat. Sie bestätigt, dass es stimmt: Die Ära des Geschäftes Martina Pfeiffer in der Schmidzeile 2 werde Ende Februar zu Ende gehen.
Wie alles begann
Begonnen hat alles am 8. Januar 1979, damals in der Färbergasse 6. Aber wie kam die in München Geborene nach Wasserburg? Wie viele andere verdiente auch sie sich als Teenager mit Babysitten etwas Taschengeld. Die Eltern der beiden Buben waren an den Kammerspielen tätig. Mit der Künstlerfamilie besuchte sie erstmals Wasserburg. Der morbide Charme des Städtchens, die Häuser, die Bekanntschaft mit einer Restauratorin und deren alten Möbeln: All das hat sie nach eigenen Angaben in den Bann gezogen.
1978 siedelte sie mit ihrer Sandkastenfreundin und den damaligen Partnern in einen Bauernhof in der Nähe von Haag über. Das Leben auf dem Lande sollte ehrlich und natürlich sein, alles selbst produziert, alles Bio, so war die Lebensauffassung dieser Generation und der Martina Pfeiffer-Zorn bis heute treu geblieben ist. Auf der Suche nach einer neuen Aufgabe in ihrer jetzigen Heimat stieß sie auf eine Anzeige in der Wasserburger Zeitung. „Laden zu vermieten – frisch renoviert!“ Viele Ideen hatte sie für das Geschäft, eine davon eine nostalgische Boutique – An- und Verkauf. Ihr Herz schlug schon immer für Mode aus vergangenen Zeiten und alte Handarbeiten, berichtet sie. So eröffnete sie die Wasserburger Trödelei.
Lederjacken, wie James Dean sie trug, Petticoat und Spitzen
Die Ladeneinrichtung: sehr einfach. Kälberstricke von Bürstenbinderin Roitsch, Bambusstangen von Spiel- und Korbwaren Estermann, die als Kleiderstangen für die alten Herrenhemden mit Stehkragen, für Trachtenjacken mit viel Vergangenheit, Lederjacken, wie sie James Dean getragen hat, dienten. Kleider, Blusen und Mäntel aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben so manche Mädchen- und Frauenherzen höherschlagen lassen. Oder elegante 20er-Jahre-Roben oder Petticoat mit stark gereihten Röcken und Spitzenblusen.
In den allerersten Regalen von Ikea bot sie Großmutters Service oder Gewürzdosen an. Ihre Nachbarin, Tily Bulle, die damals die legendäre Burgstube führte, war eine große Gönnerin. Sie griff der damals 23-Jährigen unter die Arme, unter anderem bekam sie einen Crashkurs, wie die Wasserburger Gesellschaft so tickt. Die Burgstube war damals ein Anlaufpunkt für die Künstlerszene. Aber auch die ein oder andere Nachbarin entdeckte Gefallen an diesem neuen Geschäft und machte Reklame. So fand der Laden regen Anklang. Wo stand denn schon ein nostalgisches Kinderwagerl auf dem Gehsteig, das neugierig machte? Der Name des Geschäfts damals, Wasserburger Trödelei, wird auch heute noch von einigen Einheimischen verwendet.
Trödelei heißt auch: „Sich Zeit nehmen“
Die Bezeichnung Trödelei war Martina Pfeiffer-Zorn immer wichtig. „Doppeldeutig“, sagt sie, man solle alte Schönheiten entdecken und dabei auch „trödeln, sich Zeit nehmen“. Diese Fundgrube für Handarbeiten und Mode aus vergangenen Tagen erfuhr über die Jahre eine ständige Erweiterung des Angebotes. Somit entwickelte es sich zum Fachgeschäft für alle Bereiche des Wohnens.
Der Umzug in die Schmidzeile 1985 war laut Inhaberin ein folgerichtiger Schritt zur Vergrößerung der Ladenfläche. Es fügte sich. Mit den Hausbesitzern, der Familie Irlbeck, hatte man sogleich einen guten Draht gefunden, berichtet Martina Pfeiffer-Zorn. Die historischen Räume in der Schmidzeile schufen nach ihren Angaben den adäquaten Rahmen für die englischen, französischen und fernöstlichen Antiquitäten. Ergänzt durch altes Porzellan, Glas und Silber, neue Lampen und eine exklusive Auswahl an Wohntextilien und Stoffkollektionen.
Umbenennung in „Wohnen und Wohlfühlen“
Über Generationen hinweg schätzten die Kunden ihre Fachkompetenz, maßgeschneidert – persönlich – auf die jeweilige Lebenssituation abgestimmt.Vor etwa 25 Jahren folgte die Umbenennung des Geschäfts, passend zu Martina Pfeiffers Credo: Wohnen und Wohlfühlen. Sie war die Lokomotive der Firma. Ihre Einladungen zu Jubiläumsfesten, Events und Ausstellungen und Modeschauen waren immer sehr beliebt und wurden von einem großen Freundeskreis des Ladens angenommen.
„Leute zusammenbringen“ sei ihr ein großes Anliegen, sagt sie. So ist es nicht verwunderlich, dass sie anlässlich des Umzugs in die Schmidzeile 2 eine Modenschau unter den Arkaden präsentierte. Ein ungewöhnlicher Laufsteg, berichtet die Wasserburger Zeitung. Ein nicht alltägliches Ereignis, allein 250 Gäste kamen. Zum zehnjährigen Bestehen der Trödelei 1989 gestaltete sie mit Rainer Devens eine Ausstellung zum Thema Musik sowie eine Party im Café Central.
Seit 1990 Schlossbesitzerin
1990 war Martina Pfeiffer auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Ihr wurde die Ruine des Schlösschen Weikertsham aus dem 16. Jahrhundert angeboten. Sie fackelte nicht lange, nahm die Herausforderung an. Die Renovierung und Wiederherstellung nahm mit vielen Mühen Gestalt an. 1994 erhielt sie den Denkmalpreis der Hypo-Kultur-Stiftung für ihre außergewöhnlichen Leistungen bei der Restaurierung.
Im Schloss hatte Martina Pfeiffer viele neue Möglichkeiten, ihr Können zu zeigen. Regelmäßige Frühjahrs- und Weihnachtsausstellungen ließen das ganze Haus in einem neuen Kleid erstrahlen. Von weit reisten die Kunden an, um sich inspirieren und auch verführen zu lassen. Oft waren diese Events mit Kunstausstellungen verbunden. 2010 endete diese Ära und noch heute wird Martina Pfeiffer-Zorn gefragt, ob sie nicht doch noch mal wieder eine Ausstellung ausrichten möchte.
Mit Textilien soziale Unterschiede darstellen
Eine weitere Herzensangelegenheit und Leidenschaft war das Sammeln von antiken Textilien und Mode, um damit soziale Unterschiede darzustellen. Wie zum Beispiel, die zehn-mal geflickten Schuhe einer Wäscherin oder jene einer Adeligen, die kaum eine Straße berührt haben, also von der Sänfte ins Schloss. Aber auch andere weibliche Attribute wie etwa Sonnenschirme, Strümpfe, Hauben, Handschuhe, Mieder und Damenkleidung, legen in ihrem Fundus Zeugnis ab. Eine umfassende Spitzensammlung und feinste Handarbeiten sind Beispiele von weiblichem Können und Fleiß. „Irgendwann sollen diese Objekte den Weg in dementsprechende Museen finden“, wüscht sich Martina Pfeiffer-Zorn.
Ihre starke Bindung zu den Kunden, welche ihr Wissen, ihren Geschmack und ihre Erfahrung schätzen, zeichnen ihren Geschäftssinn über die Jahre aus. Das Gespür für Qualität und die damit verbundene Nachhaltigkeit sind von ihrer Klientel hochgeschätzt. . Sie gilt als Frau, die Trends erkennt und Trends schafft. Viele Häuser und Wohnungen, teils über mehrere Generationen, zeugen von ihrer Kreativität und ihrem Einfühlungsvermögen.
Aber nun vollendet sie bald ihr 68. Lebensjahr, auch sie kann die Augen nicht vor dem Ruhestand verschließen. Nach 45 Jahren im Wasserburger Geschäftsleben zieht sie sich zurück. Das Geschäft ist bis zum 24. Februar 2024 noch jeweils am Donnerstag und Freitag von 10 bis 17 Uhr und am Samstag von 10 bis 16 Uhr geöffnet.

