Gemeinde gegen Landkreis Rosenheim
Klage gegen Flüchtlingsunterkunft: Was sich Feldkirchen-Westerham vom Gerichtsurteil erhofft
Wann sich die Gemeinde Feldkirchen-Westerham und der Landkreis Rosenheim wegen des Baus einer Flüchtlingsunterkunft vor dem Verwaltungsgericht gegenüberstehen, ist noch offen. Fest steht aber bereits jetzt, was sich die Kommune vom Verfahren erhofft: Klarheit rund um die Gesetzgebung.
Feldkirchen-Westerham/Rosenheim/München – Nahezu unberührt liegt es da, das Grundstück an der Walter-Gessner-Straße in Feldkirchen-Westerham, wo nach Vorstellungen des Landratsamtes Rosenheim schon bald bis zu 160 Flüchtlinge wohnen sollen. Geplant war, dass die ersten Bewohner dort noch heuer in eine Container-Wohnanlage einziehen sollen. Ein Vorhaben, das zumindest vom Zeitplan her auf der Kippe steht. Denn die Gemeinde Feldkirchen-Westerham hatte Mitte Juli beim Verwaltungsgericht München Klage gegen die seitens des Landratsamtes erteilte Baugenehmigung eingereicht. Ein Termin für das Verfahren steht noch nicht, wie beide Streitparteien jetzt auf OVB-Anfrage bestätigten.
Mitte April hatte das Landratsamt Rosenheim der Feldkirchen-Westerhamer Bevölkerung erstmals die Planungen für die Container-Wohnanlage in Westerham präsentiert. Nur wenige Tage später versuchte die Kommune, durch baurechtliche Entscheidungen die Unterkunft zu verhindern. Wobei beispielsweise Bürgermeister Johannes Zistl (Ortsliste Vagen) stets betonte, sich nicht gegen die Unterbringung der Flüchtlinge in seiner Gemeinde wehren zu wollen, aber die geplante Größenordnung der Unterkunft am dortigen Standort für überdimensioniert erachtet.
Geplante Nutzungsdauer nach Ansicht der Gemeinde „mindestens fraglich“
Argumente, die die Entscheidung des Landratsamts letztlich nicht beeinflussten. Die Aufsichtsbehörde erteilte dem Komplex die Baugenehmigung, woraufhin Feldkirchen-Westerham Klage beim Verwaltungsgericht einreichte. Wobei sich die Klage nicht gegen die Unterkunft, sondern gegen die lange Nutzungsdauer von elf Jahren richtet. „Es ist mindestens fraglich, ob eine Befristung auf einen derart langen Zeitraum wirklich noch erforderlich und verhältnismäßig im Sinne der gesetzlichen Vorschriften ist“, begründete Zistl in einer Gemeinderatssitzung Ende Juli die Entscheidung für den Klageweg.
Eine Maßnahme, die Zistl gegenüber dem OVB jetzt nochmals detailliert erläuterte. „Wir nehmen die Verantwortung, Flüchtlinge aufzunehmen, gerne an. Daran hat sich nichts geänderte“, so Zistl. „Ziel der Klage ist ausdrücklich nicht die Verhinderung der Anlage, sondern die Verringerung der Nutzungsdauer.“ Daher richte sich die Klage gegen die Baugenehmigung auch „auf den avisierten Nutzungszeitraum, der mit elf Jahren aus unserer Sicht deutlich zu lange ist und so erheblich in die Planungshoheit der Kommune eingreift“. Zistl glaubt, dass die lange Laufzeit „vermutlich unter anderem der Wirtschaftlichkeitsberechnung eines Investors geschuldet“ sei. Was nach Auffassung des Rathauschefs keine Rolle spielen darf: „Rendite soll und darf aber in einer Baugenehmigung keine Berücksichtigung finden.“
Blick ins Baugesetzbuch (BauGB): Sonderregelung für Flüchtlingsunterkünfte
Paragraph 246 im Baugesetzbuch (BauGB) befasst sich mit Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte, die die Errichtung derartiger Einrichtungen erleichtern sollen und in bestimmten Situationen andere baurechtliche Vorgaben außer Kraft setzen. Absatz 14 regelt beispielsweise die Möglichkeit für höhere Verwaltungsbehörden, bei „dringend benötigten Unterkunftsmöglichkeiten“ von Vorschriften des Gesetzbuches „in erforderlichen Umfang“ abzuweichen. Eine Passage, die sich das Landratsamt Rosenheim bei der Baugenehmigung für die Flüchtlingsunterkunft in Westerham zunutze gemacht hatte. Die Gemeinde hatte nämlich den Bauantrag mit dem Hinweis auf eine Überschreitung der Baugrenzen abgelehnt, das Landratsamt diese Entscheidung aber als höhere Verwaltungsbehörde kassiert und die Baugenehmigung erteilt.
Einen Austausch mit dem Landratsamt über das Thema hat es nach Angaben des Bürgermeisters seit Einreichen der Klage übrigens nicht gegeben. Was ihn aber auch nicht überrascht. „Das Landratsamt benötigt dringend Plätze und der Eigentümer baut in der geplanten Größe, sofern die Laufzeit lange genug ist, damit es sich für ihn rentiert“, so Zistl. „Änderungen in der Planung sind deshalb im Moment weder vom Eigentümer noch vom Landratsamt als Mieter gewünscht. Alle Beteiligten warten auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts.“
Paragraph 246 aus dem Baugesetzbuch „ist klärungsbedürftig“
Was übrigens auch für die Gemeinde gilt. „Mittlerweile denke ich, ist eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts – nicht nur für Feldkirchen-Westerham – dringend erforderlich“, findet Feldkirchen-Westerhams Bürgermeister, der auf ähnlich gelagerte Fälle in anderen Kommunen, „die je nach Auslegung der Sonderregelung aus dem §246 Baugesetzbuch positiv oder negativ ausfallen können“, verweist. Zistl: „Der Paragraph ist klärungsbedürftig und diese Klärung kann ein Urteil liefern und so die Rechtssicherheit bei der Auslegung, vor allem des §246, Absatz 14, herstellen.“
Das Landratsamt will sich hingegen im Vorfeld des Verfahrens nicht groß zu dieser Angelegenheit äußern. „Nachdem seitens der Gemeinde Klage eingereicht wurde, gilt es die Entscheidung abzuwarten“, teilte Behördensprecher Michael Fischer auf OVB-Anfrage mit. „Vor diesem Hintergrund wollen wir keine Einschätzung über den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens abgeben.“