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Rund 400 Bürger bei Infoabend in Feldkirchen-Westerham

Containeranlage für 160 Flüchtlinge in Westerham: Viele Ängste, aber auch ein „Wir schaffen das“

Roxanne Scheurl (links), Abteilungsleiterin am Landratsamt Rosenheim, skizziert vor rund 400 Besuchern die Planungen für eine Flüchtlingsunterkunft für 160 Bewohner im Westerhamer Gewerbegebiet. Rosenheims Landrat Otto Lederer, Feldkirchen-Westerhams Bürgermeister Johannes Zistl und Ines Bertozzi (von links), Leiterin der Gemeindeverwaltung, hören aufmerksam zu.
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Roxanne Scheurl (links), Abteilungsleiterin am Landratsamt Rosenheim, skizziert vor rund 400 Besuchern die Planungen für eine Flüchtlingsunterkunft für 160 Bewohner im Westerhamer Gewerbegebiet. Rosenheims Landrat Otto Lederer, Feldkirchen-Westerhams Bürgermeister Johannes Zistl und Ines Bertozzi (von links), Leiterin der Gemeindeverwaltung, hören aufmerksam zu.

Rund 400 Bürger haben sich am Freitagabend (19. April) über eine geplante Flüchtlingsunterkunft für 160 Personen in Feldkirchen-Westerham informiert. Was die Bürger besonders bewegt – und wieso Bürgermeister Zistl die Einrichtung „noch nicht“ sieht.

Feldkirchen-Westerham – „Lederer nimm du sie!“: Mit diesem Satz, in roter Schrift auf ein weißes Stoffbanner gepinselt, hat eine kleine Gruppe Feldkirchen-Westerhamer am Freitagabend (19. April) die geschätzt rund 400 Besucher der Informationsveranstaltung zur geplanten Flüchtlingsunterkunft im Westerhamer Gewerbegebiet begrüßt. Dirigiert von Roland Zeddies, Vorsitzendem der AfD Mangfalltal/Bad Aibling, der sein Grüppchen immer wieder versuchte, standortmäßig noch besser in Szene zu setzen. Und dabei auch keine Unmutsbekundungen wie „Ich stell‘ mich doch jetzt nicht in den Regen“ gelten ließ.

Auch in der vollbesetzten Turnhalle war zunächst jener Roland Zeddies Thema. Denn dieser hatte im Vorfeld mit einem Flugblatt mit dem Titel „Asylantenheim kommt nach Westerham! Wollen Sie das?“, verschickt per E-Mail, versucht, die Stimmung anzuheizen. „Dadurch könnte der Eindruck entstanden sein, dass die Gemeinde und ich monatelang an dieser Unterkunft geplant haben“, nahm Zistl zu diesem Schreiben Stellung und bezog sich dabei vermutlich auf Passagen des Flugblatts wie „Was wollen Landrat Lederer und Bgm. Zistl da klammheimlich durchdrücken?“

Bürgermeister Johannes Zistl wehrt sich gegen Vorwürfe

Vorwürfe, gegen die sich der Rathauschef deutlich zur Wehr setzte. „Wir haben erst durch das Einreichen des Bauantrags von Bauvorhaben erfahren“, stellte Zistl klar und verwies darauf, dass Bürgermeister und Kommunen keine Informationen erhalten, „bevor der Pachtvertrag zwischen Landratsamt und Grundstücksbesitzer geschlossen ist“. Was das Landratsamt auch schon mehrfach betont habe.

Das Interesse an der Informationsveranstaltung zum geplanten Bau einer Flüchtlingsunterkunft in Westerham war so groß, dass die Sitzplätze letztlich nicht ausreichten.

Für das Vorhaben in Westerham ist der Pachtvertrag mittlerweile geschlossen, der Bauantrag bei der Gemeinde eingereicht. Was dort geplant ist, skizzierte Roxanne Scheurl, zuständige Abteilungsleiterin am Landratsamt, den Bürgern. Laut Scheurl sollen an der Walter-Gessner-Straße, gegenüber des Spinner-Werks, parallel zur Aiblinger Straße zwei hintereinanderliegende zweistöckige Containerriegel entstehen, in denen in mehreren Wohneinheiten maximal 160 Flüchtlinge untergebracht werden können. Flankiert werden sollen die zweistöckigen Gebäude von einem einstöckigen Verwaltungsgebäude, ebenfalls als Containerlösung.

Mit einem Banner mit dem Schriftzug „Lederer nimm du sie!“ hatte eine kleine Gruppe, dirigiert von Roland Zeddies (rechts), Vorsitzendem der AfD Mangfalltal/Bad Aibling, die Besucher der Informationsveranstaltung empfangen.

Roxanne Scheurl: „Das ist die Maximalzahl, die aber auch kein Muss ist.“

„Das ist die Maximalzahl, die aber auch kein Muss ist“, stellte Scheurl klar und verwies darauf, dass dem Eigentümer zugesichert worden sei, dass eine Überbelegung nicht infrage komme. Geplant sei, dass die ersten Bewohner im vierten Quartal 2024 dort einziehen. „Das geht dann häppchenweise“, so Scheurl. „Es ist nicht so, dass dann plötzlich an einem Montag 160 Personen da sind.“ Alle Bauarbeiten, die dort ausgeführt werden müssen, sollen zudem bei örtlichen Betrieben in Auftrag gegeben werden.

Wozu sie nach eigenen Angaben noch nichts sagen könne? Beispielsweise zur Nationalität der Personen, die dort untergebracht werden sollen. Das Landratsamt achte aber darauf, eine sinnvolle Mischung verschiedener Nationalitäten sowie alleinreisender Migranten und Familien hinzubekommen. Scheurl: „Uns ist wichtig, dass es auch Familienzimmer gibt. Wie so eine Art Wohneinheit, so dass man auch Familien in den Containern vorrangig unterbringen könnte.“

Flüchtlinge im Landkreis Rosenheim: So ist die aktuelle Situation

Nach Angaben von Rosenheims Landrat Otto Lederer, der nach Feldkirchen-Westerham gekommen war, um die Bürger über die in Westerham geplante Flüchtlingsunterkunft zu informieren, sind derzeit rund 4550 Flüchtlinge im Landkreis untergebracht, darunter knapp 100 unbegleitete Minderjährige. Laut Lederer stammen die meisten Flüchtlinge und Asylsuchende aus der Ukraine, gefolgt von Afghanistan, Nigeria, der Türkei und dem Jemen.

Aktuell würden den Landkreis alle zwei Wochen Busse mit rund 50 Flüchtlingen erreichen, die der Region durch die Regierung von Oberbayern zugeteilt bekäme. „Wir erfahren in der Regel zwei Tage vorher, wer kommt“, sagte Lederer und verwies darauf, dass es aufgrund der rechtlichen Vorgaben für den Landkreis nicht möglich sei, die Aufnahme abzulehnen.

Abweichend zu anderen Bundesländern gibt es nach Angaben des Landrats in Bayern keine Vorgabe, wonach die Flüchtlinge prozentual zur Einwohnerzahl der Kommunen verteilt werden müssen. „Das Landratsamt kann nicht zum Bürgermeister gehen und sagen: ,So, von den 50 im Bus bekommst du jetzt zwei und die musst du unterbringen. Das geht in Bayern so nicht.“ Was letztlich dann dazu führe, dass in einer Gemeinde überproportional viele, in anderen Kommunen dafür weniger Flüchtlinge untergebracht würden.

Der Pachtvertrag läuft nach Angaben der Landratsamt-Abteilungsleiterin über einen Zeitraum von zehn Jahren, womit die Behörde selbst „gehadert“ habe, aber: „Das Problem ist, dass man erstmal eine Fläche finden muss und jemanden, der dass verpachtet.“ In diesem Fall habe der Bauunternehmer das Areal gekauft und werde auch die Container kaufen. „Daher muss das ganze für den auch wirtschaftlich sein“, wie Scheurl betonte.

Was wiederum einem Bürger gehörig gegen den Strich ging. „Wieso muss das für den lukrativ sein? Wir haben ja auch nichts davon.“ Ein anderer Bürger, der nach eigenen Angaben „ebenfalls einen Migrationshintergrund“ habe, lehnte die geplante Unterkunft kategorisch ab. „Wie wäre es, wenn Sie an die Leute denken, die nicht so gut aufgestellt sind und dafür Wohnraum schaffen“, sagte der junge Mann und riet der Bevölkerung, „jetzt mal an sich, und nicht an andere zu denken.“

Die meisten Bürger trieb an diesem Abend neben der Kostenfrage, zu der Landrat Otto Lederer aufgrund vertragsrechtlichen Aspekten keine Angaben machen konnte, jedoch die Frage nach der Sicherheit um: „Ich habe eine Frau und eine Tochter – um die mache ich mir Sorgen“, sagte ein Mann aus Feldolling, der befürchtet, dass die Security dort nur dazu da sei, „dass die sich nicht gegenseitig abschlachten“. Ein anderer Bürger riet der Gemeinde polemisch, am besten jeder Frau „einen Rottweiler“ zur Verfügung zu stellen. Ein weiterer Bürger schlug in die selbe Kerbe: „Keiner tut denen was. Aber die müssen vor sich selbst geschützt werden.“

Landrat Otto Lederer ruft „humanitäre Verpflichtung“ ins Gedächtnis

Wortmeldungen, die Landrat Otto Lederer so nicht stehen lassen wollte. Auch er sei kein Freund der aktuell geltenden Asylregelung, aber: „Von den 4500 sind fast 2500 Geflüchtete aus der Ukraine. ich bin schon der Meinung, dass wir eine humanitäre Verpflichtung haben, diese unterzubringen.“ Lederer: „Ich möchte diese Unzufriedenheit, die ich persönlich mit der Flüchtlingssituation habe, nicht an diesen Menschen auslassen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen.“

Auch Bürgermeister Zistl nahm zu den Befürchtungen rund ums Thema Sicherheit Stellung. „Genau diese Ängste haben wir natürlich auch“, so Zistl „Es gibt keine Garantie, dass da nichts passiert.“Er habe sich aber im Vorfeld der Veranstaltung mit zahlreichen Bürgermeister-Kollegen unterhalten. Und die hätten ihm in Bezug auf derartige Einrichtungen stets das Gleiche erzählt. Zunächst stünden „Drama und Angst, Populismus und Vorwürfe“ im Raum. Zistl: „Dann steht die Containerenanlage und es kommen die ersten Geflüchteten. Und dann hören die Problem auf.“ Das größte Problem sei nach Einschätzung der anderen Rathauschefs die Lärmbelastung, weil das halt „ein anderer Schlag Leute“ ist, die da kämen: „Aber das bekommen wir in den Griff.“

Helferkreis-Leiterin Sonja Harig: „Wir schaffen das!“

Bei den 160 Personen seien „garantiert auch fünf Deppen dabei“, so Zistl weiter. „Aber das ist doch bei uns nicht anders.“ Ebenso hoch sei jedoch auch die Wahrscheinlichkeit, dass darunter „einige sind, die die Chance wollen und auch verdient haben“. Er sei überzeugt davon, dass „wir gesellschaftlich in der Lage sind, diese Menschen aufzunehmen und zu integrieren“. Was auch Sonja Harig, Leiterin einer der beiden Helferkreise für Geflüchtete in der Gemeinde, so sah: „Wir müssen da im Vorfeld nicht solche Gedanken haben, dass wir das nicht schaffen. Wir schaffen das!“

Zistl findet „die Errichtung an dieser Stelle zu groß“

Wobei Feldkirchen-Westerhams Rathauschef während der 2,5-stündigen Informationsveranstaltung aber auch mehrfach betonte, dass ihm persönlich „die Einrichtung an dieser Stelle zu groß“ sei. Er favorisiere mehrere kleinere Einheiten, die die Integration der Geflüchteten deutlich erleichtern würden, welchen Zweck die geplante Einrichtung „nicht erfüllt“. Daher werde sich der Gemeinderat in seinem kommenden Sitzungen mit dem Thema beschäftigen um „eine Lösung zu finden“. „Ich sehe diese geplante Anlage noch nicht. Aber das werden schließlich andere entscheiden müssen“, deutete der Rathauschef bereits an, dass es im Hintergrund wohl um eine juristische Prüfungen der baurechtlichen Faktenlage gehen könnte.

So bleiben für die rund 400 Besucher nach der Informationsveranstaltung, die laut Zistl letztlich „für ein derartig emotionales Thema sehr ruhig“ abgelaufen war, noch viele Fragen offen. Und AfD-Vertreter Roland Zeddies? Der hatte sich während der Versammlung nicht zu Wort gemeldet, sondern sich zum Schluss wie ein Türsteher am Ausgang der Turnhalle positioniert. Seine Meinung zur geplanten Flüchtlingsunterkunft tat der Feldkirchen-Westerhamer auf einem kleinen Schild, aufgeklebt auf seiner Brust, kund. Dort stand in roter Schrift auf weißem Grund zu lesen: „Nein zum Heim.“

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