Karriere und Kind, Beruf und Familie
Kinderbetreuung: Was sich Eltern wünschen – die Stadt Wasserburg hat es untersucht
Karriere- und Kinderwunsch, Berufs- und Familienleben lassen sich oft nicht gut unter einen Hut bringen. Das A und O ist dabei die Kinderbetreuung. Doch was brauchen Eltern? Die Stadt Wasserburg hat es untersucht. Herausgekommen sind Erkenntnisse, die nicht nur für die Innstadt gelten.
Wasserburg – Die Stadt Wasserburg will wissen, was noch zu tun ist, um die Berufstätigkeit von Eltern weiter zu fördern. Und hat sich dabei Hilfe aus der Forschung und Statistik geholt. Das Institut für Sozialplanung, Jugend- und Altenhilfe, Gesundheitsforschung und Statistik (SAGS) wurde beauftragt, die Bevölkerungsentwicklung zu untersuchen und daraus Prognosen für die Zukunft der Kinderbetreuung vor und während der Schulzeit zu erstellen. Auch die Wasserburger Eltern wurden mit ins Boot genommen. Das sind die erstaunlichen Ergebnisse, die im Haupt- und Finanzausschuss vorgestellt wurden.
Geburtenzahl geht in Wasserburg zurück
9,8 Prozent aller Menschen im Landkreis Rosenheim sind unter zehn Jahre alt, in Wasserburg sind es nur 9,1 Prozent. Wird noch die Geburtenzahl hinzugezogen, die 2023 laut Daten von Statistischem Landes- und städtischem Einwohnermeldeamt erstmals wieder unter 100 (99) gefallen ist, könnte vermutet werden: Wasserburg droht zu überaltern. Zum Vergleich: 2018 wurden hier noch 130 Kinder geboren, 2021 waren es sogar 136.
Diplom-Statistiker Christian Rindsfüßer (SAGS Institut) hatte eine mögliche Erklärung: Viele Paare seien aufgrund der vielen Krisen in der Welt verunsichert und würden sich vorerst doch lieber gegen Kinder entscheiden. Das war rund um das Jahr 2010 anders, damals wurde die Kinderbetreuung intensiv ausgebaut, viele Frauen und Männer fassten anscheinend neue Zuversicht, was die Familienplanung anging.
Wasserburgerinnen bekommen im Durchschnitt 1,45 Kinder
Von 2021 bis 2023 bekamen die Frauen in Wasserburg laut Daten des Statistischen Landesamts nur 1,45 Kinder. Anderes Bild beispielsweise in Soyen: Hier sind es 2,28. Oder Tuntenhausen: 2,02 Kinder pro Frau. Nur Ramerberg fällt noch ins Auge: Hier beträgt die ermittelte Zahl 1,26, noch einmal weniger als in Wasserburg.
Die Innstadt ist laut Rindsfüßer traditionell eine Kommune, in der statistisch gesehen pro Frau weniger Kinder geboren werden als in anderen Orten in der Region. Stirbt Wasserburg also aus, auf lange Sicht gesehen? Denn hier stehen den etwa 100 Geburten 165 Todesfälle gegenüber. Doch auch dafür gibt es eine Erklärung: In Wasserburg gab es bis 2024, als im Dezember das Caritas-Heim schloss, drei Seniorenheime, in denen viele Hochbetagte leben.
Betreuungsquote steigt
Rindsfüßer hat auch die Weg- und Zuzüge analysiert. Familien mit kleinen Kindern ziehen oft raus aus der Stadt aufs Land, werden die Kinder größer, geht es nicht selten zurück. Tatsache ist laut SAGS: Die unter Zehnjährigen werden in Wasserburg bis 2044 deutlich abnehmen: von derzeit etwa gut 500 auf etwa 370 in 20 Jahren. Mit Zuwanderung sind es bis 2044 dann etwa 409 Kinder unter zehn Jahren. Das sind in der Regel die Mädchen und Buben, die eine Betreuung benötigen: in Krippe, Kindergarten, Kita, Hort, offener oder gebundener Ganztagsschule, Mittagsbetreuung oder Tagespflege.
Die Betreuungsquote im Landkreis Rosenheim bei unter Dreijährigen, also denjenigen, die in einer Krippe angemeldet werden, lag im vergangenen Jahr laut Statistik bei 30 Prozent. Sie ist im Raum München weitaus höher: 50 Prozent. Zwischen drei und sechs Jahren sind im Landkreis 90 Prozent aller Kinder in einer Betreuung.
„Wasserburg aktuell sehr gut aufgestellt“
In Wasserburg stehen derzeit 585 Plätze zur Verfügung. Statistisch gesehen liegt der Bedarf jedoch nur bei 504. Die Differenz erklärt sich laut Rindsfüßer durch die Tatsache, dass manche Kinder doppelt angemeldet, manche aufgrund eines erhöhten Betreuungsbedarfs als Folge einer Behinderung anders gewichtet werden.
Die Zahl der Integrationskinder ist in Wasserburg sehr hoch. Bürgermeister Michael Kölbl (SPD) sieht die Stadt gut aufgestellt: Der Bedarf sei gedeckt, durch den Ausbau der Betreuung und neue Einrichtungen (Haus für Kinder am Burgstall beispielsweise) sowie Wiedereröffnungen (ehemals „Gänseblümchen“) oder Ausbaumaßnahmen wie jene an der Kita in Reitmehring seien ausreichend Angebote geschaffen worden. Und da die Kinderzahlen eher zurückgehen, könne es auch erst einmal ausreichen. Claudia Einberger, bei der Stadt zuständig für die Bedarfsplanung, fasst die Lage so zusammen: „Wir sind aktuell im Kindertagesbereich (Krippe/Kindergarten/Mittagsbetreuung in Schulen) mit den Platzzahlen sehr gut aufgestellt.“
Eine traumhafte Situation also? So ist es trotzdem nicht, darauf wies auch Bettina Knopp (Grüne), die Referentin für Schule und Kindergarten des Stadtrates, hin. Eine Elternbefragung hat vor allem aufgezeigt, dass es bei den Angeboten für Schulkinder noch ein wenig hapert. Eltern wünschen sich nach Unterrichtsschluss eine Betreuung, am liebsten mit warmen Mittagessen und flexiblen Abholzeiten.
Deshalb ist die gebundene Ganztagsschule, in der Kinder zu festen Zeiten angemeldet werden, nicht so beliebt wie die offene. Schwierigkeiten bereiten außerdem die vielen Ferien: 35 Prozent der Eltern, die sich an der Umfrage beteiligt haben, benötigen ein Angebot, vor allem im Sommer und Herbst sowie an Ostern, für das fast 90 Prozent auch zahlen würden. Was den Wasserburger Eltern zudem wichtig ist: qualifiziertes Personal in den Einrichtungen.
Ein Drittel der Eltern nicht zufrieden
Zentrale Frage in der Erhebung: Ermöglichen die zur Verfügung stehenden Betreuungsangebote die Berufstätigkeit im geplanten Umfang? Ein Drittel der Eltern sagt: nein. Das gibt zu denken, findet Knopp. Dritte Bürgermeisterin Edith Stürmlinger (Bürgerforum) ist der Meinung, deshalb müsse die Stadt nacharbeiten: vor allem was die Abholzeiten, die Ferienbetreuung und Freitagsbetreuungen angehe. Dieser Meinung schloss sich der Hauptausschuss an, ein Beschluss fiel nicht.