Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Zehn Jahre nach der Jahrhundertflut im Landkreis Rosenheim

Wie haben sich Vorhersagen für extreme Unwetter verbessert? Ein Meteorologe gibt Antworten

Das Jahrhunderthochwasser Anfang Juni 2013, hier der überflutete Rosenheimer Stadtteil Oberwöhr, ist vielen Menschen im Raum Rosenheim noch in Erinnerung. Doch können bestimmte Wetterphänomene, wie hier ein Gebilde aus Gewitterwolken über dem Zellerhorn bei Aschau, einen Hinweis auf derartige drohende Naturkatastrophen geben?
+
Das Jahrhunderthochwasser Anfang Juni 2013, hier der überflutete Rosenheimer Stadtteil Oberwöhr, ist vielen Menschen im Raum Rosenheim noch in Erinnerung. Doch können bestimmte Wetterphänomene, wie hier ein Gebilde aus Gewitterwolken über dem Zellerhorn bei Aschau, einen Hinweis auf derartige drohende Naturkatastrophen geben?

Die Jahrhundertflut Anfang Juni 2013 hatte im Raum Rosenheim für Schäden im dreistelligen Millionenbereich gesorgt. Ein Meteorologe erklärt, was damals zur Naturkatastrophe geführt hat – und wie weit derartige Szenarien heute vorhergesagt werden können.

Kolbermoor/Rosenheim – Wohngebiete hatten sich in kürzester Zeit in eine Seenlandschaft verwandelt, Experten schätzten die Schäden, die entlang der Mangfall entstanden waren, damals auf rund 200 Millionen Euro: Die Bilder des Jahrhunderthochwassers vor zehn Jahren, das unter anderem weite Teile der Stadt Kolbermoor überflutet hatte, sorgen auch zehn Jahre danach bei damals Betroffenen noch für Gänsehautmomente. Welche besondere Wetterlage zu dieser Naturkatastrophe geführt hatte und wie weit es Experten heutzutage möglich ist, derartige Unwetterszenarien vorherzusagen, dazu hat sich Meteorologe Dirk Mewes vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in München im Interview mit dem OVB geäußert.

Anfang Juni 2013 hatte das Jahrhunderthochwasser unter anderem weite Teile der Stadt Kolbermoor und Teile der Stadt Rosenheim unter Wasser gesetzt, Hunderte Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Was war in Hinblick auf die Wetterlage das Außergewöhnliche, das diese Überschwemmungen heraufbeschworen hat?

Dirk Mewes: Mehrere Faktoren kamen bei diesem Ereignis zusammen. Schon im Vorfeld gab es eine rege Tiefdrucktätigkeit über den westlichen und mittleren Teilen Europas. Am Mittwoch, 29. Mai 2013, etablierte sich dann ein Tiefdrucksystem über Mitteleuropa, das von Südosten milde Luftmassen heranführte und die auf die über der Südhälfte Deutschlands liegende kältere Luft traf. Dadurch wurden Niederschlagsprozesse angeregt, die in den darauffolgenden Tag noch teils schauerartig verstärkt wurden. Erst ab 2. Juni 2013 gewann ein Hochdruckgebiet über dem östlichen Atlantik allmählich an Einfluss auf das Wetter in Deutschland. Bis dahin fielen im Zeitraum vom 30. Mai. bis 2. Juni 2013 zum Beispiel in Kreuth-Glashütte Regenmengen von 374 Liter pro Quadratmeter. In Brannenburg-Degerndorf waren es immerhin 183,8, an der Oberen Firstalm 322,8. Hinzu kam, dass die Böden kein Wasser mehr aufnehmen konnten und Schneeschmelze in den Alpen auch noch ihren Teil dazu beitrug. Hält man sich vor Augen, dass im langjährigen Mittel von 1981 bis 2010 im Mai 168 und im Juni 229 Liter pro Quadratmeter an der Oberen Firstalm fallen, so verteilte sich diese monatliche Regenmenge auf lediglich vier Tage.

Regenradar, 14-Tage-Vorhersage und stündliche Wetterprognosen: Vor allem online und über Apps hat man das Gefühl, dass die Wettervorhersagen immer genauer werden. Stimmt das? Haben sich die Systeme für die Vorhersagen in den vergangenen zehn Jahren so intensiv weiterentwickelt?

Mewes: Die Modellvorhersagen werden Schritt für Schritt dadurch verbessert, dass mehr und mehr Daten von Radarstationen, von Satelliten, von Flugzeugsensoren und von automatischen Stationen einfließen. Gleichzeitig wird die räumliche Auflösung der Modelle maßvoll erhöht und an der Optimierung der zugrundeliegenden mathematisch-physikalischen Gleichungssysteme gearbeitet. Ferner kommen bei vielen Größen wie Temperatur, Wind, Sonnenscheindauer statistische Verfahren zum Einsatz, die oft noch einen Zugewinn an Genauigkeit in der Prognose dieser Werte erzielen.

Beispiel Hochwasser 2013: Wie langfristig können heute Meteorologen derartige Wetterszenarien vorhersagen?

Mewes: Derartige Wetterereignisse werfen oft schon mehr als fünf Tage ihre Schatten voraus. Dadurch werden die Meteorologinnen und Meteorologen entsprechend alarmiert und verfolgen, wie die Vorhersagen sich mit Annäherung an das mögliche Ereignis verändern oder weitgehend stabil bleiben. Wenn sich die Zeichen mehren, dass die Vorhersagen hinsichtlich der räumlichen und zeitlichen Verteilung hoher Niederschlagsmengen oder heftiger Windböen weitgehend stabil verhalten, werden entsprechende Warnungen herausgegeben. In den Wintermonaten und Übergangsjahreszeiten helfen Modelle, die den Beitrag der Schneeschmelze zu den Niederschlagsereignissen simulieren.

Stichwort Wetter-App: Haben Sie einen Tipp, welche das Wetter besonders gut hervorsagen kann?

Mewes: Hier bleibt es jedem selbst überlassen, durch Vergleich die geeignete Wetter-Applikation zu finden. Einen Platz auf dem Smartphone oder Tablet sollte jedoch die „WarnWetterApp“ des Deutschen Wetterdienstes (DWD) finden. Diese ist für die verbreiteten Betriebssystem verfügbar. In der Grundversion informiert die App über bestehende Warnungen des Deutschen Wetterdienstes und weiterer Behörden.

Gibt es für den Laien irgendwelche kurzfristige Anzeichen, beispielsweise spezielle Wolkenformationen, die darauf hindeuten könnten, dass eine extreme Wetterlage wie Starkregen bevorstehen könnte?

Mewes: Starkregen und Gewitter sind mit dunklen, hochreichenden Quellwolken verbunden, die im oberen Teil einen Eisschirm aufweisen. Diese wird auch als Cumulonimbus bezeichnet. Etwas über den eigenen Wahrnehmungsbereich hinaus kann jedoch mit den Radarinformationen gesehen werden. In der „WarnWetterApp“ des DWD werden die aktuellen Messungen mit einer interpolierten Verlagerung der Schauer- und Gewitterzellen verknüpft. Diese Verlagerung der Radarechos erfolgt bis 1,5 Stunden in die Zukunft hinein. Dann gehen die Niederschlagsechos in den Radarbildern in Modellvorhersagen des Niederschlages über.

Der Landkreis Rosenheim setzt bei drohenden Hagelschauern auf die „Impfung“ der Wolken per Silberjodid durch die sogenannten Hagelflieger. Ein aus Sicht des DWD erfolgsversprechendes Vorgehen?

Mewes: Das Thema ist recht kontrovers. Aus Sicht der Hagelflieger wird sicherlich von einem erfolgreichen Einsatz des Silberjodids ausgegangen. Potenzielle Gewitterwolken mit Hagel sollen durch die Bereitstellung zusätzlicher Partikel (Silberjodid) dazu gebracht werden, ihre Wolkentröpfchen und Eispartikel dort anzulagern. Wenn diese dann nicht mehr durch den in der Wolke vorherrschenden Aufwind getragen werden und weiter vereisen können, fallen diese als Regentropfen aus. In wissenschaftlichen Untersuchungen konnte jedoch bisher kein Nachweis erbracht werden, dass tatsächlich durch das menschliche Eingreifen Hagelschläge immer wirksam verhindert wurden.

Mit welchen Arten von Unwettern muss die Region Rosenheim aufgrund ihrer Lage und Beschaffenheit besonders rechnen?

Mewes: Durch die Nähe zu den Alpen sind in den Übergangsjahreszeiten und im Sommer hier sehr häufig Gewitter zu erwarten, die nicht selten Unwettercharakter haben. Neben heftigem Starkregen, großem Hagel gibt es häufig auch kräftige Wind- oder orkanartige Böen. Vornehmlich in den Übergangsjahreszeiten treten recht oft Niederschlagsereignisse auf, die durch den Stau an den Alpen, bei entsprechender Ausrichtung des Windes, verstärkt werden. Im Winter und im Frühjahr kommt dann noch der Anteil durch die Schneeschmelze hinzu. Im Winter können in Zusammenhang mit entsprechenden Wetterlagen, bei den polare auf feucht warme Luftmassen treffen, erhebliche Neuschneemengen zusammenkommen. Auch hier spielt bei nördlicher Anströmung der Alpen häufig der Stau eine wichtige Rolle. Das sind nur die meteorologischen Ereignisse. Teilweise triggern diese aber auch Murenabgänge oder Lawinen im Alpengebiet.

Müssen sich die Menschen aufgrund des Klimawandels vermehrt auf derartige Extremwetterlagen wie Anfang Juni 2013 im Raum Rosenheim einstellen?

Mewes: Der Klimawandel wird neue Anforderungen stellen. Durch die jetzt schon zu verzeichnende Erwärmung weltweit und mit besonderem Fokus auf Deutschland wird in den Sommermonaten neben längeren Hitze- und Dürreperioden auch mit heftigen Starkregenereignissen zu rechnen sein. Denn je wärmer eine Luftmasse wird, um so mehr ist diese in der Lage, Feuchtigkeit zu speichern. Diese ist dann im Zusammenspiel mit der Sonne und weiteren Faktoren der Treibstoff für heftige Gewitterentwicklungen. Es zeigt sich schon jetzt in den Untersuchungen eine leichte Zunahme der Ereignisse, bei denen mehr als 30 Liter pro Quadratmeter Niederschlag in kurzer Zeit fallen. Weitere Projektionen gehen davon aus, dass in den Wintermonaten die Niederschläge etwas zunehmen werden. Jedoch ist es nicht immer Schnee. Untersuchungen in den Alpengebieten haben ergeben, dass die Grenze sicheren Schneefalls sich ebenfalls allmählich in höhere Regionen verlagert.

Kommentare