OVB-Exklusivinterview
Wie schlimm steht es wirklich um das RoMed-Klinikum? Landrat Lederer mit klarer Botschaft
Ukraine-Krieg, Inflation und das Millionen-Defizit beim Romed-Klinikum: Es gibt viele Themen, welche die Region im Moment umtreiben. Jetzt spricht Landrat Otto Lederer im OVB-Exklusivinterview über die aktuelle Situation - und erklärt, worauf sich die Bürger einstellen müssen.
Rosenheim - Die heimischen Romed-Kliniken stehen vor einem Millionen-Defizit. Trotzdem will Landrat Otto Lederer an Geschäftsführer Dr. Deerberg-Wittram festhalten. Im OVB-Interview begründet er diese Entscheidung und erklärt, wie lange sich der Landkreis ein solches Defizit leisten kann.
Zuletzt war von bis zu 40 Millionen Euro Minus bei Romed die Rede. Wie ist Ihr Stand?
Otto Lederer: „Mein Stand ist immer noch der von Juli, dass wir bei 29 Millionen sind. Anfang des Jahres war das Defizit auf 23,5 Millionen berechnet worden. Das war, als wir noch nicht gewusst haben, wie die Tarifabschlüsse ausfallen, wie die Belegungen werden, wie die Krankenstände sein werden. Als das einberechnet wurde, sind wir auf die 29 Millionen gekommen. Und das ist immer noch mein Stand.“
Wie lange kann sich der Landkreis ein solches Defizit leisten?
Lederer: „Es gibt Landkreise, die schon seit Jahren ein- oder zweistellige Millionendefizite übernehmen müssen. Das ist eine große Belastung. Deswegen hoffen wir – damit meine ich nicht nur uns in der Region, sondern auch den deutschen Landkreistag – auf eine gerechte Finanzierung unserer Krankenhäuser. Das fordern wir ein, doch das liegt leider nicht im Fokus des Bundesgesundheitsministers. Dieser hat zunächst die Strukturreform in den Vordergrund gerückt. Wir sind aber der Meinung, dass die Finanzierung noch mehr eilt als eine Strukturreform. Deswegen fordern wir weiterhin, dass der Bund seine Aufgaben wahrnimmt. Die Bayerische Krankenhausgesellschaft ruft nun aus diesem Grund gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und weiteren Landesorganisationen auf, in Berlin zu protestieren.“
Sollte Lauterbach stur bleiben, was überlegt man sich dann? Bad Aibling mit Rosenheim zusammenzulegen?
Lederer: „Die nächste Aufsichtsratssitzung wird ein Strategieworkshop sein. Dabei machen wir uns intensiv Gedanken, schauen uns die Vorschläge an, die schon intern im Haus erarbeitet wurden, und werden Entscheidungen treffen. Wir werden unsere Hausaufgaben machen und versuchen, das Defizit so gut wie möglich in den Griff zu bekommen.“
Aber wie denn?
Lederer: „Dadurch, dass wir uns in bestimmten Gebieten weiter optimieren. Wir versuchen, die Vorgaben des Bundes noch ausgeklügelter umzusetzen, indem man da und dort vielleicht weitere Themen gemeinsam angeht. Wenn jedoch keine Hilfe vom Bund kommt, werden wir allein damit auch nicht in schwarze Zahlen kommen.“
Wie werden die Folgen für die Kreisumlage sein?
Lederer: „Dazu gibt es noch keine Übersicht. Gottseidank haben wir innerhalb Oberbayerns einen vergleichsweise geringen Hebesatz. Während andere weit über 50 Prozent liegen, sind wir noch deutlich darunter. Wir versuchen weiterhin, möglichst effektiv mit dem Geld umzugehen. Trotzdem wird es für die Kommunen – gerade, wenn man sich die enorm steigenden Baukosten ansieht – insgesamt eine große Herausforderung, Aufgaben und Investitionen zu stemmen. Daher ist auch unser Plädoyer klar: Das Geld für die Gesundheitsvorsorge muss das Geld sein, das wir alle über unsere Krankenversicherung einzahlen. Dass wir – wie im Moment – über Steuergelder die Gesundheitsstruktur querfinanzieren, ist eigentlich nicht Sinn der Sache.“
Dann wird der Bürger noch mehr belastet.
Lederer: „Das ist eben die Frage. Man muss sich das Gesundheitswesen mal genau anschauen. Ich habe gelesen, dass es private Klinikkonzerne gibt, die ihre Gewinne deutlich steigern konnten. Vor dem Hintergrund sehen wir, dass es möglicherweise eine Schieflage gibt. Man muss sich von Seiten des Bundes genau ansehen: Wo fließen die Gelder hin? Und wie viel Geld kommt tatsächlich beim Patienten an, wie viel versickert in der Bürokratie?“
Wie viel versickert bei Romed? Geht zu viel in den Überbau oder in Boni, zu wenig an den Patienten? Das kritisiert die AfD.
Lederer: „Das Interessante ist, dass solche Kritik meist von Leuten kommt, die wenig Einblick in diesen Bereich haben, zumindest in unsere Zahlen. Wenn dann zum Beispiel von Boni geschrieben wird, dann sollte man sich zunächst mit den Fakten auseinandersetzen. Für uns ist es schwierig, Aussagen zu Personalangelegenheiten zu treffen, weil wir hier dem Datenschutz unterliegen. Aber diese Kritik so pauschal in den Raum zu stellen, wohl wissend, dass man hier als Unternehmen in der Öffentlichkeit schlecht parieren kann, ist kein guter Stil.“
Zielscheibe ist Geschäftsführer Dr. Deerberg-Wittram. Stehen Sie zu Ihrem Geschäftsführer?
Lederer: „Wir haben den Geschäftsführervertrag verlängert, und wir haben Vertrauen in unseren Geschäftsführer. Dass die Zeiten schwierig sind, wissen wir alle. Neun von zehn kommunalen Kliniken schreiben rote Zahlen. Dies dann an einer einzigen Person festzumachen, ist nicht seriös. Man muss sich schon das ganze System anschauen. Und das ist genau die Kritik, die der Landkreistag und der Städtetag in Richtung Berlin sendet. Selbstverständlich müssen auch wir uns weiter entwickeln. Aber wenn es neun von zehn Häusern so geht, dann handelt es sich offensichtlich um ein strukturelles Problem, nicht um ein individuelles.“
Wenn man sich München ansieht – düster!
Lederer: „Obwohl in München viele große Kliniken sind, haben sie trotzdem ein sattes Minus zu verzeichnen. Man kann nicht einfach sagen, die kleinen Häuser müssen sich beschneiden und dürften keine speziellen Leistungen mehr anbieten. Man muss differenzieren und genau hinsehen, ob tatsächlich nur große Häuser rentabel arbeiten können. Und wenn man die Strukturen bei Romed betrachtet, stellt man fest: Wir haben uns mit der Spezialisierung unserer Kliniken schon gut vorbereitet. Vielleicht kann man da und dort noch weiter optimieren. Aber dass das System an sich krankt, ist mittlerweile offensichtlich geworden.“
Das tut es auch auf anderen Gebieten. Seit wann befinden wir uns in einer Abwärtsspirale?
Lederer: „Ich glaube, dass wir uns in Deutschland sehr darauf konzentriert haben, die Daseinsfürsorge zu optimieren. Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes. Was dabei aber auf der Strecke blieb, ist das Thema Eigenverantwortung. Wir merken das zum Beispiel im Bereich Unwetter. Immer wieder wird dafür geworben, Elementarversicherungen abzuschließen und Eigenvorsorge zu betreiben. Doch leider fällt diese Botschaft nicht überall auf fruchtbaren Boden.“
Nach eineinhalb Jahren Krieg in der Ukraine – wie sieht es mit den Flüchtlingen aus? Sind die angekommen, sind alle untergebracht?
Lederer: „Wir bekommen pro Monat in etwa 100 Personen zugewiesen, entweder Asylbewerber oder Flüchtlinge aus der Ukraine. Die versuchen wir – leider noch immer – zunächst in Turnhallen unterzubringen und dann zu verlegen, entweder in Wohnraum, den wir anmieten, oder in Pavillons beziehungsweise Container-Anlagen. Das ist nicht ganz einfach. Sie kennen den angespannten Wohnungsmarkt bei uns. Wir haben derzeit fast 280 Liegenschaften angemietet, um die Menschen unterzubringen. Dennoch befinden sich derzeit über 200 Personen in unseren Turnhallen, in Bruckmühl und in Raubling. Die Belegung in Prien konnten wir auflösen. Die beiden anderen Turnhallen wollen wir auch überflüssig machen, aber zurzeit brauchen wir sie leider noch. Unter den gegebenen Umständen ist es nicht machbar, 100 Personen pro Monat mit adäquatem Wohnraum zu versorgen.“
Wo kann man noch bauen? Wie steht es um Containerdörfer oder Tiny Houses?
Lederer: „Wir haben landkreiseigene Flächen, die wir zum Großteil schon genutzt haben, zum Leidwesen dieser Kommunen, die dann besonders viele Flüchtlinge zu integrieren haben. Wir sind aber nach wie vor angewiesen auf Privatgrundstücke, die wir anmieten, um dann solche Anlagen errichten zu können. Wir sind nach wie vor auf den allgemeinen Wohnungsmarkt angewiesen, denn neu zu bauen ist derzeit schwierig.“
Wie klappt denn die Integration zum Beispiel der geflüchteten Ukrainer?
Lederer: „Wir als Landkreis sind primär für die Unterbringung zuständig – ist das schon eine große Herausforderung. Eine noch größere Herausforderung ist es, diese Menschen zu integrieren. Ob das Kita oder Schule für die Kinder sind, ob das bei den Erwachsenen Integration in den Arbeitsmarkt ist oder grundsätzlich Integration in unsere Gesellschaft. Da stoßen wir genau so wie beim Wohnungsbau an unsere Grenzen. Ob in Kita, Schule oder auch bei der Integrationshilfe: Überall herrscht Fachkräftemangel. Selbst wenn wir die Gebäude errichten, Schule oder Kindergarten vorhanden sind, ist es eine große Herausforderung für Kommune und Schulen, das notwendige Personal in ausreichender Stärke zu finden. Diese Botschaft versuchen wir nach Berlin und Europa zu senden: Wir sind bereit, Menschen aufzunehmen und zu integrieren, aber es gibt Grenzen, Ressourcen etwa, die nur limitiert vorhanden sind. Integration, die nicht gelingt, weil die Voraussetzungen fehlen, ist für beide Seiten negativ.“
Auf einer Skala von eins bis sechs: Wie würden Sie die Unterstützung des Bundes benoten?
Lederer: „Da bin ich sehr, sehr unzufrieden. Zwischen ungenügend und mangelhaft würde ich das derzeit sehen. Wir haben mehrere tausend Asylbewerber und Flüchtlinge im Landkreis. Davon ist nicht ein einziger in einer Liegenschaft des Bundes. Ich erwarte mir hier von Bundesseite her deutlich mehr Engagement. Man kann nicht auf der einen Seite zusätzliche freiwillige Aufnahmeprogramme ins Leben rufen und die Kommunen dann bei der Unterbringung und Integration im Regen stehen lassen.“
Zumal das Auswirkungen auf die Landtagswahl haben kann. Sehen Sie Zuwanderung dabei als Thema?
Lederer: „Das Thema Zuwanderung beschäftigt die Menschen sehr. Und wenn Unterbringung und Integration nicht gewährleistet werden kann, dann profitieren in der Regel die extremen Parteien davon. Ich gehe fest davon aus, dass das Thema eine wichtige Rolle bei den Wahlen spielen wird. Was mir aber noch wichtiger erscheint: Es hat auch Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Sowohl für die einheimische Bevölkerung, die zum Teil Angst vor Überforderung hat, wie auch für die Flüchtlinge, die, wenn sie zu uns kommen, selbstverständlich ein gewisses Maß an Unterstützung erwarten dürfen.“
Die Stimmung verschärft sich, auch wegen der Inflation. Sehen Sie die Gesellschaft vor einem Umbruch?
Lederer: „Unsere Gesellschaft hatte durch die Ereignisse der vergangenen Jahre – Corona, Ukraine-Krieg, Energiekrise, Inflation – große Herausforderungen zu bewältigen. Wenn dann noch Gesetzesentwürfe in den Raum gestellt werden, die diese Verunsicherung weite verstärken, dann verändert sich die Gesellschaft. Auch weil man sich von der Politik zu wenig unterstützt fühlt.“
Was ist denn eigentlich besser gelaufen als gedacht?
Lederer: „Vor einem Jahr dachten wir, unsere Wirtschaft wird die Herausforderungen dieser Krisen nur schwer verkraften können. Tatsache ist, dass die bayerische Wirtschaft diese Härten verhältnismäßig gut gemeistert hat. Wir haben wenig Arbeitslose, wir nehmen noch Steuern ein und wir hatten Glück, dass der Winter nicht so kalt wurde wie befürchtet. Die Energieversorgung war auf Kante genäht, aber sie hat gehalten.“
Können wir noch, oder ist damit die Widerstandskraft aufgebraucht?
Lederer: „Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft müde ist. Aber es wäre hilfreich, wenn wir auf allen Ebenen in dieser schwierigen Zeit klar Kurs halten und stärker auf die Menschen schauen, die das alles am Laufen halten. Deswegen wäre es wichtig, dass wir versuchen, aus der Krisenbewältigung der vergangenen Jahre zu lernen und uns besser auf neue Herausforderungen einzustellen.“