Ausnahmemusiker im Porträt
„Musik war meine heile Welt“: Das ist die bewegende Geschichte des Wasserburgers Christopher Rakau
Den Ausnahmemusiker Christopher Rakau kennen viele: Doch nur wenige wissen, welch bewegendes Schicksal sein Leben geprägt hat. Bestseller-Autorin Marie Theres Relin hat den Chor- und Akademie-Leiter getroffen. Ein sehr persönliches Gespräch mit einem Wasserburger, der lange nur in der Musik eine heile Welt fand.
Wasserburg – Man sieht den stattlichen, stets gut gekleideten Mann viel in den Straßen von Wasserburg. Er ist eine angesehene Persönlichkeit, immer sehr höflich, mit gewählter Sprache. Wer Musik liebt, kennt ihn. Aber kaum einer kennt seine Geschichte. Christopher Rakau (35) erzählt sie bei einem Treffen in seinem Klavierstudio.
Seine Wurzeln lagen in Danzig. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Mauerbau wurde die Familie über Deutschland verstreut. Seine Großmutter zog acht Kinder groß und heiratete erneut. Ihr zweiter Ehemann stammte aus Gars am Inn. Ein Jahr hatte sie auf ihr Ausreiseticket aus der DDR gewartet, überglücklich, saß sie am 9. November 1989 im Zug, als es plötzlich hieß „Jetzt seid ihr alle frei!“. Es war die Nacht des Mauerfalls.
Vater verstieß Frau und Kind
Ihr jüngstes Kind, Christophers Mutter, zog 1991 mit dem Zweijährigen nach. Die alleinerziehende Mutter wohnte mit ihrem Sohn im Ober-, die Großeltern mit neuem Opa im Untergeschoss. Christopher Rakaus leiblicher Vater kümmerte sich nicht weiter um die beiden, er hatte Frau und Kind „verstoßen“, berichtet der Sohn. Umso enger war das Verhältnis zu seiner jungen Mutter.
Eines Morgens im April 1998 wunderte sich der achtjährige Christopher, als er aufwachte, dass es draußen schon hell war und ihn keiner zur Schule geweckt hatte. Er ging ins Wohnzimmer, dort saßen seine Oma und der Verlobte seiner Mutter auf dem Sofa. „Ich muss dir etwas sagen“, meinte die Großmutter im ernsten Ton. Da sagte das Kind intuitiv zu den beiden: „Meine Mutter ist tot!“
Mutter starb mit 27
Er hatte sofort gespürt, dass „das Leben seiner Mutter sehr früh erfüllt war“., wie Christopher Rakau berichtet. Sie starb mit 27 Jahren bei einem tödlichen Autounfall. Die junge Frau war mit einem Kosovo-Albaner verlobt und im siebten Monat schwanger. Der Bruder des Verlobten sollte abgeschoben werden, 1998 war die politische Situation sehr angespannt. Um die Abschiebung ihres zukünftigen Schwagers zu verhindern, fuhr sie mit ihm zur Ausländerbehörde nach Weilheim, um einige Formalitäten zu regeln und ihre Heirat nachzuweisen. Auf dem Rückweg ereignete sich dieser bis heute völlig unerklärliche Unfall, Fahrer und Beifahrerin waren sofort tot, berichtet Christopher Rakau.
„Durch den Tod meiner Mutter kam Musik in mein Leben und in diesen schweren Jahren war Musik meine heile Welt, mein Zufluchtsort. Musik wurde mir zum Trost. Sie ist immer da, in guten als auch schlechten Zeiten“, sagt er. Inspiriert durch die Kirche, denn er war Ministrant, entwickelte er eine Faszination für die Orgel. „Wenn man Orgel lernen will, muss man erst Klavier lernen“, sagte man dem Buben und mit nur acht Jahren fing er an, sich einen Lehrer zu suchen. So nahm Christopher Rakau seine musikalische Erziehung als Kind selbst in die Hand, wie er erzählt.
Junge wurde als hochbegabt eingestuft
Der Junge wurde als hochbegabt eingestuft. „Mit zwölf Jahren war mir völlig klar: Ich werde Berufsmusiker!“ Sein Umfeld, seine Lehrer, rieten ihm davon ab, „such dir einen sicheren Job“, aber für ihn stand das nicht zur Debatte, berichtet er. Mit 13 Jahren hatte er seine ersten Konzerte, war aktiv in der Kirchenmusik, leitete ein Ensemble und hatte im Alter von 14 Jahren seine ersten Klavierschüler. „Ich musste schon in jungen Jahren erwachsen werden“, auch deshalb, weil seine Großmutter früh pflegebedürftig wurde. Alle Schwierigkeiten intensivierten sein Verhältnis zur Musik, berichtet er. Die Großmutter präsentierte ihren Enkelsohn als Wunderkind und unterstützte ihn finanziell, nicht zuletzt, um sich selbst in ein besonderes Licht zu stellen, so seine Einschätzung. Der größte Teil seiner Ausbildung sei aber durch die Waisenrente und Versicherung des Unfalls seiner Mutter finanziert worden.
Christopher Rakau studierte in Salzburg am Mozarteum und in München an der Musikhochschule. Das Verhältnis zu seiner Großmutter kippte, als sie von ihm verlangte, sich nach dem Studium arbeitslos zu melden und nur noch sie zu pflegen. Christopher Rakau weigerte sich. So stellte die Großmutter sämtliche Zahlungen ein, behauptete, er hätte ihren Schmuck gestohlen und zeigte ihn bei der Polizei an. „Von einem Tag auf den anderen war ich mittellos“, erzählt er weiter.
Der Liebe wegen nach Wasserburg
Der Liebe wegen zog er nach Wasserburg, die Frau ging, er blieb. Ohne Hilfe und Unterstützung nach dem Studium räumte er sechs Wochen bei Rewe Regale ein. In dieser Zeit sortierte er sein Leben neu und entschied bewusst, da er noch immer keine Alternative zur Musiker-Karriere hatte: „Musik ist mein Leben!“
Er etablierte sich nach eigenen Angaben schnell als Künstler, arbeitete als Lehrer im musikpädagogischen Institut und gründete 2017 den Gospelchor „The Heaven Singers“, der mittlerweile auf bis zu 100 Sänger und Sängerinnen aus fünf verschiedenen Landkreisen herangewachsen ist. Im selben Jahr eröffnete er sein Klavierstudio, 2018 folgte das Studio daneben. In Corona-Zeiten 2020, zog er sich aus dem öffentlichen Dienst zurück und gründete die KuRa Kultur gGmbH, die Stiftung ist heute der gemeinnützige Träger der Musikakademien in Wasserburg, Rosenheim und München.
Akademie mit über 300 Schülern
An den vier Standorten werden nach seinen Informationen mittlerweile über 300 Schülern und Schülerinnen im Alter von 4 bis 78 Jahren unterrichtet. „Meine älteste Schülerin, betreue ich selbst, sie hat erst mit Anfang 70 den Weg zur Musik gefunden.“ Sein Team bestehe aus 17 internationalen Künstlern – von Mexiko über Italien bis England. Es kümmere sich um die musikalische Früherziehung und die individuelle Förderung gemäß den Fähigkeiten, Bedürfnisse und Möglichkeiten und das zum kostengünstigen Preis. Andererseits stehe die KuRa Kultur gGmbH auch für leistungsgerechte Bezahlung der jungen internationalen Profis.
Um all das finanzieren zu können, findet am 18. Mai ein Benefizkonzert statt: Die gefeierte Edlinger Opernsängerin Judith Spießer präsentiert zusammen mit dem Starpianisten Marcelo Amaral „Perlen der Romantik“. Bürgermeister Michael Kölbl stellt den Rathaussaal zur Verfügung.
„Musik ist die Nahrung meiner Seele“
„Ich liebe das Leben und das Leben liebt mich“, sagt der Genussmensch Christopher Rakau dankbar. „Flügel und Wurzeln, das braucht man, um im Leben voranzukommen. Und Musik ist und bleibt die Nahrung meiner Seele!“
Hier gibt es Tickets für das Benefizkonzert am 18. Mai
Kartenverkauf unter: www.reservix.de/tickets-perlen-der-romantik-benefizkonzert-zu-gunsten-der-kura-kultur-ggmbh-in-wasserburg-rathaussaal-am-18-5-2025/e2383112
Perlen der Romantik: Benefizkonzert zu Gunsten der KuRa Kultur gGmbH
Judith Spießer & Marcelo Amaral
Sonntag (18. Mai) um 18 Uhr im Rathaussaal, Marienplatz 2, 83512 Wasserburg
Ticket 28 Euro/ 21 Euro