Streit über Info-Tournee durch Region Rosenheim
Sprechstunden zum Brenner-Nordzulauf: Metergenaue Pläne – doch Ziel meilenweit verfehlt?
Die Bahn präsentierte metergenaue Pläne zum Verlauf des Brenner-Nordzulaufs, verfehlte ihr Versprechen laut den Gegnern der Trasse aber meilenweit: Kurz vor dem Finale der Planung zoffen Planer und Bürgerinitiativen nochmals. Und darum ging es.
Rosenheim – Die Bahn lädt zur Bürgersprechstunde – und erntet seitens der Bürgerinitiativen gegen einen Neubau der Brenner-Nordzulauf-Trasse Hohn und Kritik. Hauptärger: Die Bahn habe ihrer Informationspflicht formell Genüge getan, „mehr aber auch nicht“, wie es in einer Mitteilung der Initiative Brennerdialog heißt. Die Pläne seien bei den Besuchern der Bürgersprechstunden größtenteils auf Unverständnis gestoßen.
Das habe man über Fragebogen erfahren. Die Bahn sprach dagegen davon, dass man positive Rückmeldungen erhalten habe. „Es wurde vielfach gelobt, dass wir uns vor Ort den Diskussionen stellen und auf Basis von Fakten informieren“, sagte eine Sprecherin.
Brenner-Nordzulauf: 2000 Besucher bei Info-Stunden
Zwölf Termine, 2000 Besucher: Darauf konnten sich Bahn und Bürgerinitiativen in etwa einigen. Ob die Info-Tournee der Bahn als Erfolg zu betrachten sei, darüber gingen die Meinungen schon auseinander. Von „lediglich“ 2000 Besuchern sprachen die Trassengegner, als ein gutes Echo verbucht dasselbe Ergebnis hingegen die Bahn. In vielen Gemeinden seien die Besucherzahlen sogar über denen der Infomärkte in den Jahren 2018 und 2019 gelegen. „Das zeigt, dass die Bürger und Bürgerinnen durchaus Interesse an den konkreten Planungsergebnissen haben“, sagte die Bahn-Sprecherin.
Ursprünglich waren weite Teile des Landkreises Sturm gelaufen gegen die Bahn-Planungen. Im April 2021 verringerte sich die Zahl der Kritiker, als die violette Trasse als Vorzugsvariante der Bahn-Planer vorgestellt wurde. Damit sahen sich viele Gemeinden nicht mehr direkt betroffen, auch wenn die Planungen seinerzeit, vor drei Jahren, noch relativ grob waren. Bei ihren Bürgersprechstunden jetzt im Frühling 2024 präsentierte die Bahn ziemlich genaue Pläne – im Maßstab eins zu tausend. Mit diesen Unterlagen wird sich 2025 der Bundestag auseinandersetzen müssen.
Die neue Trasse: Wessen Vorgarten ist betroffen?
Ein Maßstab, so fein, dass ein Zentimeter auf dem Plan zehn Metern in der Realität entspricht. So konnten Betroffene fast auf den Meter genau feststellen, wie nah oder fern vom eigenen Grundstück in weniger als 20 Jahren Züge des Süd-Nord-Verkehrs entlangrauschen würden.
Das Projekt befinde sich allerdings auch nach Abschluss der Vorplanung weiterhin in einer „frühen Planungsphase“, sagte die Bahn-Sprecherin. Vorgestellt wurden diese Pläne in zwölf besonders betroffenen Gemeinden, von Oberaudorf im Süden des Landkreises Rosenheim bis Grafing im Landkreis Ebersberg.
Vorgegaukelt? Bürgerinitiative macht Bahn Vorwürfe
Der Brennerdialog lässt insgesamt kaum ein gutes Haar an der Tournee der Bahn. Die Uhrzeit der Planausstellungen – jeweils zwischen 16 und 20 Uhr – sei unter anderem für Pendler und Landwirte oftmals ungelegen gekommen.
Die Skizzen hätten auch nur die Planungen für das jeweilige Ortsgebiet gezeigt, die Gesamtwirkung des „Wahnsinnsprojekt“ also nicht offenbart. Durch die Konzentration auf Einzelgespräche sei versucht worden, „gezielt Eskalation mit potenziell geschädigten Personen“ zu verhindern. „Das war in der Tat eine ,Sprechstunde‘, es haben eigentlich nur die Bahnmitarbeiter gesprochen“, sagte Lothar Thaler vom Brenner-Dialog.
Bahnmitarbeiter: Vorzüglich geschult im Vorgaukeln?
In die Kritik mischt sich auch ein widerwilliges Kompliment. Mit Hilfe von Animationsfilmen hätten „hervorragend geschulte Mitarbeiter der Bahn“ eine Neubautrasse in idyllischen, grünen Landschaften „vorgegaukelt“. So seien die Auswirkungen verharmlost worden. Auch über den Flächenverbrauch – sei es durch die Gleise selbst oder durch die Baustelleneinrichtungen sei unzureichend Auskunft gegeben worden, ebenso wie über das Problem des Aushubs – zentrale Fragen für Landwirte.
Viele Fragen seien noch nicht geklärt, sagte die Konzernsprecherin auf entsprechende Nachfragen des OVB. „Daher können etwa zur konkreten Lage von Zwischenlagerflächen noch keine Aussage getroffen werden.“ Es sei der Anspruch der Bahn-Planer, „verlässliche Informationen zu liefern, keine Spekulationen“.
Die Bahn-Kritiker bleiben jedoch dabei: Die Frage, ob ein Neubau kommen müsse, sei von vornherein ausgeschlossen worden, es sei nur über das „Wie“ gesprochen worden. So habe man Diskussionen mit Vertretern der Bürgerinitiativen abwürgen wollen.
Wie‘s weitergeht: BI-Sprecher mit Klartext
Eines will BI-Sprecher Lothar Thaler klarstellen: Die Bürgerinitiativen seien ebenfalls für die Verlagerung von Gütern auf die Schiene und nicht gegen prinzipiell den Brenner-Nordzulauf. „Nur soll der auf den Bestandsgleisen laufen“, sagt der Sprecher des Brenner-Dialogs.
Man werde nun weiter auf die Politik einwirken, da 2025 der Bundestag über das Projekt entscheiden werde. Für den weiteren Verlauf der Planungen nach der so genannten Befassung durch das Parlament stehe weiterhin die Möglichkeit einer Klage im Raum, sagte Thaler dem OVB.