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Rund 180 Besucher informieren sich bei Bahn-Sprechstunde

„Es tut einfach wahnsinnig weh!“ Diese Schmerzen bereitet der Brenner-Nordzulauf in Tuntenhausen

Betroffene aus Tuntenhausen verfolgen interessiert die Erklärungen von Bahn-Vertreter Dieter Müller (Zweiter von rechts) zum Animationsfilm über die Streckenführung des Brenner-Nordzulaufs.
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Betroffene aus Tuntenhausen verfolgen interessiert die Erklärungen von Bahn-Vertreter Dieter Müller (Zweiter von rechts) zum Animationsfilm über die Streckenführung des Brenner-Nordzulaufs.

Die Bahn-Sprechstunde, in der Betroffene rund um die Planungen zum Brenner-Nordzulauf informiert werden sollen, hat am Donnerstag (18. April) in Ostermünchen bei Tuntenhausen Station gemacht. Welche Schmerzen das Projekt bereitet – und wo es auch positive Stimmen dazu gibt.

Tuntenhausen – „Es tut einfach wahnsinnig weh, das zu sehen.“ Wenn Evi Zehetmaier aus dem Weiler Brettschleipfen auf den großen Stellenwänden die Bahntrasse betrachte, die nahezu direkt vor ihrer Haustür als Teilstück des Brenner-Nordzulaufs entstehen soll, ist ihr der Kummer in der Stimme anzuhören. „Jeder, der dort vorbeischaut, weiß, wie idyllisch das ist“, sagt die junge Frau, die sich aber nicht nur Gedanken über die Zukunft ihres landwirtschaftlichen Anwesens und die eigene Lebensqualität macht, sondern auch über die Fauna: „Mir tun auch die vielen Tiere leid, deren Lebensraum zerstört wird.“

Abwartend, skeptisch, aber auch interessiert – so könnte der Gemütszustand eines Großteils der Besucher, die sich am Donnerstag (18. April) über den Tuntenhausener Teilabschnitt des geplanten Brenner-Nordzulaufs in der Turnhalle der Fritz-Schäffer-Schule in Ostermünchen informiert haben, umschrieben werden. 179 Besucher werden es nach Angaben von Bahn-Sprecherin Judith Göring am Ende der Bürgersprechstunde sein. Besucher, die die verschiedenen Karten an den Stellwänden studieren, die Computersimulationen an den Bildschirmen verfolgen und mit den Bahn-Mitarbeitern diskutieren.

„Wir suchen die direkte Kommunikation mit den Betroffenen“

„Wir suchen in Form dieser Bürgersprechstunden bewusst die direkte Kommunikation mit den Betroffenen“, sagt Dieter Müller, der das Projekt „Brenner-Nordzulauf“ im Teilabschnitt zwischen München-Trudering und Tuntenhausen verantwortet. Im Gespräch mit den Besuchern geht es dem Bahn-Vertreter dabei zum einen darum, etwaige Sorgen zu minimieren, aber auch die Vorteile der neuen Trasse, die seiner Meinung nach durchaus existieren, herauszustellen. So werde „der Bahnverkehr nach außen verlagert“, der neue Ostermünchener Bahnhof, der entstehen soll, sei zudem „besser erreichbar“. Dennoch könne er natürlich verstehen, dass „Leute, die direkt betroffen sind“, manchmal „aufgebracht“ sind.

Evi Zehetmaier lässt sich direkt an der Karte von Bahn-Vertreter Tom Steinhardt erklären, wieso oberhalb ihres Hofs bis zu sechs Gleise verlaufen.
Dieter Müller, Teilprojektleiter der Bahn für den Brenner-Nordzulauf-Abschnitt zwischen München-Trudering und Tuntenhausen, zeigt auf der Karte, wo der neue Ostermünchener Bahnhof entstehen soll.
Bürgermeister Georg Weigl (Mitte) und Ehrenbürger Hans Thiel (rechts) diskutieren mit einem Bahn-Mitarbeiter über die Situation um den Sportplatz, die für Ehrenvorsitzenden Thiel eine „Herzenssache“ ist.

„Aufgebracht“ –ein Wort, das Evi Zehetmaiers Gemütslage keineswegs trifft. Wenn sie über die Auswirkungen, die der Brenner-Nordzulauf auf ihr Zuhause haben wird, spricht, schwingt eher eine gehörige Portion Traurigkeit in ihrer Stimme mit. „Es nützt mir ja nichts, wenn ich die Bahn-Mitarbeiter hier lautstark attackiere“, sagt die Landwirtin, die der Meinung ist, „dass es besser ist, ruhig mit den Leuten zu reden, wenn man etwas erreichen will“.

Die Träume von Evi Zehetmaier aus Brettschleipfen sind zerplatzt

Doch welche Auswirkungen wird der Trassenabschnitt dort oberhalb ihrer Heimat Brettschleipfen auf ihre Familie haben? „Wir hatten eigentlich mal vor, unseren Hof zukunftsfähig zu machen und zu investieren“, sagt die junge Frau. Auch die Landwirtschaft auf Vollerwerb umzustellen sei im Hinterkopf gewesen. Träume, von denen sie sich aber mittlerweile verabschiedet hat. Zu nah rücke die Trasse an ihren Hof ran, zu unklar seien die Auswirkungen, die durch die Baustelle sowie die Strecke entstünden. „Wir haben beispielsweise Pferde bei uns auf dem Hof“, erzählt Zehetmaier. „Wer weiß, ob unsere Kunden ihre Pferde dort noch unterstellen wollen, wenn die Baustelle da ist?“

Existenzängste, mit denen sich Sebastian Kendlinger senior zwar nicht mehr selbst herumschlagen muss. Dafür aber sein Sohn, der den Lippnhof bei Stetten weiterführt. Ein Hof, der seit über 500 Jahren besteht – und dem nach Angaben Kendlingers aufgrund des Brenner-Nordzulaufs nun das Aus droht. Zumindest aber der Verlust des Bio-Zertifikats, nachdem die Bahn für den Bau Weidenflächen beansprucht, die die Kendlingers aber für die Tiere benötigen. „Das ist ganz klar eine Enteignung“, findet der ehemalige Landwirt. „Wenn ich das sehe, was dort passieren soll, dann blutet mir das Herz.“

Nach den Bürgersprechstunden in den Bundestag

Die Vorplanungen sind mittlerweile abgeschlossen, nach den Bürgersprechstunden der Deutschen Bahn in den betroffenen Kommunen soll der Bau des Brenner-Nordzulaufs dann im Deutschen Bundestag thematisiert werden. Die aktuelle Planung der Bahn sieht dabei für das Gemeindegebiet Tuntenhausen unter anderem vor, dass im Kreuzungsbereich der Staatsstraße 2358 zur Straße nach Stetten ein neuer Bahnhof für Ostermünchen entstehen soll – unter anderem mit barrierefreiem Zugang, Bushaltestelle und Park-and-Ride-Platz für Pendler. Doch Ostermünchen ist nicht der einzige Gemeindeteil, der mit dem Brenner-Nordzulauf in Berührung kommt. So zieht sich die geplante Trasse mit vier Neubaugleisen und stellenweise zwei zusätzlichen Überhol- und Abstellgleisen von Weiching über Stetten, Berg und Brettschleipfen bis in den Gemeindeteil Aubenhausen. Ausführliche Informationen sowie demnächst auch neue Animationsfilme zum Streckenverlauf gibt es online unter www.brennernordzulauf.eu.

Auch Sepp Lausch, Landtagsabgeordneter der Freien Wähler und wohnhaft in Petzenbichl bei Großkarolinenfeld, ist nach Ostermünchen gekommen, da eine der Baustelleneinrichtungen „wohl direkt vor meiner Haustür“ liegen wird. Seine Hoffnung: „Ich glaube nicht, dass das Thema bis zur Bundestagswahl vom Bundestag entschieden wird“, sagt der Landtagsabgeordnete. „Vielleicht stellt dann eine neue Bundesregierung fest, dass dafür gar keine Finanzmittel da sind.“ Was ihn an den Planungen besonders stört: „Dass es Bürger erster und zweiter Klasse gibt“, sagt der Großkarolinenfelder und verweist auf Tunnellösungen, die aber erst im späteren Verlauf in Richtung Österreich geplant seien.

Georg Weigl: „Ich sehe da überhaupt keine Zwei-Klassen-Gesellschaft“

Vorwürfe einer Ungleichbehandlung, die Georg Weigl (CSU), Bürgermeister von Tuntenhausen, so nicht stehen lassen will. „Ich sehe da überhaupt keine Zwei-Klassen-Gesellschaft“, sagt Weigl. Schließlich könne die Bahn ja nicht die komplette Strecke untertunneln. Er sei seit 2015 in den Foren rund um die Planungen des Brenner-Nordzulaufs dabei gewesen und habe „da nie festgestellt, dass irgendjemand bevorzugt wird“.

Weigl, der die Sprechstunde der Deutschen Bahn als „für die Bürger ganz wichtig“ bezeichnet, will auch keinen Hehl daraus machen, dass durch die neue Trasse auch Vorteile für die Gemeinde entstehen könnten. „Wir werden zum Beispiel einen Bahnhof nach modernsten Standards bekommen“, sagt der Rathauschef. Skeptisch zeigt er sich hingegen gegenüber dem seitens der Bahn kommunizierten positiven Effekt, ein Rückbau eines Teils der Bestandsstrecke könne der Kommune neues Entwicklungspotenzial eröffnen. Weigl: „Ich weiß ja nicht, was mit der Bestandsstrecke passiert und ob da vielleicht irgendwelche Altlasten im Boden sind.“

Ihm jedenfalls sei wichtig, sich nicht mit Dingen zu beschäftigen, die sowieso kommen werden, sondern: „Für uns steht im Vordergrund, dass wir uns zum Wohl der Gemeinde selbst einbringen.“ Denn eins müsse den Bürgern, die das manchmal vielleicht nicht gerne hören wollen, auch klar kommuniziert werden: „Die Planung steht nun einmal.“

Es gibt auch Befürworter des Projekts

Eine Planung, die nicht nur Gegner, sondern auch Befürworter hat, wie bei der Bürgersprechstunde auch klar wird. Wie beispielsweise ein älterer Mann aus dem Gemeindeteil Aubenhausen, der nach eigenen Angaben selbst direkt vom Trassenverlauf betroffen ist. „Derzeit führt die Bahnstrecke bei mir daheim vorne rum, danach halt hintenrum“, sagt der Mann, der ergänzt: „Das macht für mich letztlich aber keinen Unterschied.“ Am meisten Sorge habe er vor der Baustelleneinrichtungen und den Bauarbeiten. Sonst sei er „aber eher ein Befürworter“ der Trasse, weshalb er nach eigenen Angaben „lieber nicht“ mit Namen auftreten will.

Als Befürworterin der Trasse kann Evi Zehetmaier aus Brettschleipfen keineswegs bezeichnet werden. Sie hat auf dem Plan gerade entdeckt, dass der Abstand zwischen ihrem Hof und der Trasse doch etwas größer sein wird, als zunächst gedacht, „was mich aber jetzt auch nicht beruhigt“. Was sie überhaupt nicht versteht: Wieso quasi vor ihrer Haustür sogar sechs Gleise entlangführen müssen, was sie auch direkt mit einem Bahn-Mitarbeiter diskutiert. „Da sind zwei Abstellgleise dabei, die beispielsweise dazu dienen, einen defekten Zug abzustellen, ohne dass der Zugverkehr beeinträchtigt wird“, erklärt der Bahn-Vertreter der Landwirtin direkt an der Schautafel.

Evi Zehetmaier hat ihre größte Hoffnung noch nicht aufgegeben

Eine Erklärung, die die junge Frau aus Sicht der Bahn zwar nachvollziehen kann, die es für die aber auch nicht besser macht. Sie ist überzeugt davon, dass viele direkte Betroffene in den kommenden Monaten und Jahren versuchen werden, mit einem Anwalt dagegen vorzugehen. „Ohne Anwalt wird es nicht gehen“, ist sich Zehetmaier sicher. Und wenn es nur darum gehe, kleinere Veränderungen herbeizuführen. Doch auch ihren größten Wunsch hat Evi Zehetmeier noch nicht aufgegeben: „Ich habe noch immer die Hoffnung, dass wir das komplett aufhalten können.“

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