Doch keine vier Gleise?
Wirbel um Brenner-Nordzulauf: Medienbericht über radikale Wende bei Bahn-Planungen – was steckt dahinter?
Der Brenner-Nordzulauf sorgt seit Jahren für Diskussionen in der Region Rosenheim. Ausgerechnet die DB Infra GO, zuständig für die Planungen, soll nun einen Paukenschlag gesetzt haben: Werden die Planungen für die Neubaustrecke durch den Landkreis wirklich auf Eis gelegt?
Rosenheim – „Schön wär's!“ Lothar Thaler von der Bürgerinitiative Brennerdialog Rosenheimer Land zeigt sich ein wenig ratlos ob der Kunde aus Berlin. Die Planungen für zwei zusätzliche Tempo-Gleise zwischen Grafing und Kiefersfelden auf Eis gelegt? Das ist doch eigentlich genau das, was die Nordzulauf-Skeptiker vom Brennerdialog wollen. Sie fordern in erster Linie die Ertüchtigung des Bestands. Und eine Untertunnelung von Rosenheim, um ein Nadelöhr zu umgehen.
Allerdings will Lothar Thaler der angeblichen Ankündigung der DB Infra GO nicht zu viel Gewicht beimessen. „Ich weiß nicht, ob das als seriös einzuordnen ist“, sagt Thaler zu der Nachricht, die der „Tagesspiegel“ am Gründonnerstag (17. April) verbreitete. „Ich bin auch nicht sicher, dass die Bahn das überhaupt entscheidet.“ Schließlich sei die politische Ebene das eine, die Bahn als Auftragsnehmer das andere.
Bald Abstimmung im Bundestag über Nordzulauf?
Das OVB fragte bei der Bahn nach. Die Antwort: „Medienberichte über einen angeblichen Stopp mehrerer Neu- und Ausbauvorhaben sind nicht zutreffend“, sagte eine Sprecherin. Der „Tagesspiegel“ hatte gemeldet, dass die DB drei Großprojekte „pausieren“ wolle. Darunter der Brenner-Nordzulauf. Grund für den vermeintlichen Planungsstopp sei die Unsicherheit bei der Finanzierung, meldet die Zeitung.
Allerdings durfte die Kompetenz der Bahn für einen Planungsstopp tatsächlich bezweifelt werden. Schließlich ist der Bund der Auftraggeber, und der Bundestag muss über die Planungen der Bahn abstimmen. Diese Abstimmung, die sogenannte „parlamentarische Befassung“, hätte demnächst über die Bühne gehen sollen. Wegen des Platzens der Ampelregierung und der vorgezogenen Neuwahlen am 23. Februar wurde die Abstimmung allerdings auf einen unbekannten Zeitpunkt verschoben. Verschoben – aber eben nicht aufgehoben.
Dementsprechend stellte die Bahn klar: Alle genannten Projekte – also auch den Nordzulauf – verfolge die DB weiter. Die Projekte befänden sich in „sehr unterschiedlichen Phasen“ der Planung oder Umsetzung. „So stehen Projekte zur parlamentarischen Befassung an, bei anderen Projekten werden Bahn und Bund gemeinsam die Entscheidung über den Wechsel der Leistungsphasen fällen – auch auf Basis der zur Verfügung stehenden Finanzmittel.“ Vermutlich war es durch diesen letzten Halbsatz zu der Nachricht eines Stopps gekommen. Diese Nachricht machte am Donnerstag (17. April) rasend schnell die Runde.
Ates Gürpinar äußert Skepsis
Auch Ates Gürpinar äußerte sich nach Lektüre des „Tagesspiegel“. Und zwar skeptisch. Und das, obwohl der Abgeordnete der Linken aus Rosenheim keine Notwendigkeit für den Brenner-Nordzulauf in den Dimensionen der Bahn-Planer sieht. Die Aussagen der DB Infra GO zum Stopp des Nordzulaufs seien mit Vorsicht zu genießen. „Wer ist Ross, wer Reiter, wenn eine hundertprozentige Tochter des Bundes Ansagen macht, die konträr zum Bundesverkehrswegeplan und internationalen Verträgen laufen?“
Er hegt allerdings die Hoffnung, dass angesichts notwendiger Kürzungen in vielen Bereichen die „günstigere und klimafreundlichere Variante“ erwogen werde. Diese Variante wäre nach seiner Ansicht die Ertüchtigung der bestehenden Bahnstrecke. Die Bundestagsfraktion der Linken erwäge jedenfalls eine parlamentarische Anfrage zu dem Thema, sagte Gürpinar dem OVB.
Auch Sepp Lausch, Landtagsabgeordeneter der Freien Wähler aus Großkarolinenfeld, meldete sich zu Wort. Man müsse aufpassen, nicht irgendwann „mit heruntergelassenen Hosen“ dazustehen, falls ein Kassensturz tatsächlich schlecht ausfalle. „Wir brauchen einen Plan B, mit den Alternativvorschlägen der Bürgerinitiativen.“
Nordzulauf-Fans bei der DB Infra?
Dass die Medienberichte jeglicher Grundlage entbehren, ist allerdings nicht sicher. Möglicherweise wollte jemand innerhalb der DB Infra GO mit einer Art „Finanzierungsvorbehalt“ darauf hinweisen, wie wichtig noch mehr Mittel für Projekte wären. Ates Gürpinar weiß zu berichten, dass so immer wieder auch ein gewisser Druck aufgebaut werde.
Brenner-Nordzulauf-Gegner finden sich bei der DB Infra GO jedenfalls nicht. Im Gegenteil. Dort arbeitet zum Beispiel Ingrid Felipe, und zwar als Vorstandsmitglied für Infrastrukturplanung und -projekte. Die ehemalige Grünen-Politikerin war stellvertretende Landeshauptfrau von Tirol und als Verkehrspolitikerin die Vorgängerin von René Zumtobel. Beide, Felipe wie Zumtobel, plädierten bei der Anhörung vorm Verkehrsausschuss am 16. Oktober 2024 dringend und entschieden für einen zügigen Bau des Brenner-Nordzulaufs.