Nach der Anhörung in Berlin
„Erpressung“ und „Drohung“: Tirol sorgt im Streit um Brenner-Nordzulauf für Ärger in Bayern
Im Ringen um den Brenner-Nordzulauf schlagen die Wogen hoch: Bei der Anhörung vor dem Berliner Verkehrsausschuss wurde ganz schön viel Druck aufgebaut. Und auf einmal sind die Bayern böse auf die Tiroler.
Rosenheim/Berlin - Den harschen Ton hatte der große Abwesende vorgegeben: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), sonst beim Thema „Brenner-Nordzulauf“ von äußerster Verschwiegenheit, hatte sich geäußert. „Ich finde es hochgradig unseriös, dass die CSU nun die Planungen torpediert, die sie über all die Jahre selbst vorangetrieben hat“, sagte Wissing der „Augsburger Allgemeinen“ mit Blick auf die Anhörung vorm Verkehrsausschuss. Das war offenbar die Vorlage, die der Tiroler Ressortkollege René Zumtobel bei der Anhörung aufnahm. Auf viele Vertreter der Region Rosenheim wirkte es danach, als hätten sich Ampel und Tirol gegen Bayern zusammengetan.
Dabei geht es CSU und CDU nach eigenen Worten nicht um die Verhinderung der Nordzulauf-Trasse, sondern um deren Optimierung im Sinne von Mensch und Landschaft. Deswegen hatte die CSU schließlich die Beratung vorm Verkehrsausschuss angestoßen. Ziel: Der Bundestag möge bei seiner Abstimmung über den Nordzulauf von den Planern der Bahn mehr Rücksicht auf die Anwohner fordern.
So soll der Brenner-Nordzulauf akzeptabler werden
Dazu wären aber Änderungen der Planung notwendig. Die Untertunnelung des Inns auch zwischen Rosenheim und Stephanskirchen. Und die Verlagerung der Verknüpfungsstelle im Inntal in einen Tunnel im Berg. Davon wollen aber weder Wissings FDP noch die Partner in der Ampelregierung etwas wissen. Weil derlei Alternativen zur Planung zu viel kosteten und zu lange dauerten. Und vielleicht auch, weil die Union mit diesem Beispiel bautechnischer Bürgernähe beim Wähler punkten könnte.
Zumtobel vollstreckt im Sinne der SPD
Nach der Sitzung am Mittwoch (16. Oktober) kann man sagen: René Zumtobel erfüllte den Auftrag seiner Gastgeber von der Ampel vollkommen. Der Tiroler Landesrat von der SPÖ, vorgeschlagen von der SPD, machte Druck pro Brenner-Nordzulauf. Und das in einer Art und Weise, die der eine oder andere Vertreter der Region Rosenheim als „Erpressung“ kritisierte. So Stephanskirchens Bürgermeister Karl Mair, der Zumtobels Ansprache live im Paul-Löbe-Haus in Berlin verfolgt hatte. Sein Flintsbacher Amtskollege Stefan Lederwascher verfolgte die Sitzung zu Hause. Er sah in Zumtobels Auftritt „eine klare Drohung“. Oberaudorfs Bürgermeister Dr. Matthias Bernhardt kommentiert leicht süffisant: „Diese – milde formuliert – ‚Klarstellung‘ war bemerkenswert.“ Und Lothar Thaler von der Bürgerinitiative Brennerdialog sah in Zumtobels Beittrag „eine Drohkulisse“.
Kein Brenner-Zulauf? Zumtobel malt düsteres Bild an die Wand
Es war wirklich ein düsteres Bild, das Zumtobel an die Wand malte. Die Tiroler seien weit vorangekommen mit ihrem Anteil des Brenner-Nordzulaufs. Wenn sich aber nun die Deutschen verspäteten und damit nicht die Möglichkeiten zum Gütertransit erweiterten, drohten Blechlawinen. „Physik macht keine Kompromisse“, führte Zumtobel aus. „Wenn sich das zehn Jahre verzögert, dann werden wir weitermachen mit Maßnahmen wie den Dosiertagen.“ Dann werde man nicht zu viel von Bayern aus reinlassen. Es wirkte, als malte sich René Zumtobel die Mega-Staus auf bayerischer Seite aus: „Mir fehlt im Moment die Fantasie, mir vorstellen zu können, dass das zehn Jahre länger dauert“, sagte er.
Zumtobels Brenner-Ansage: Scheinheilig ist er nicht
Sepp Lausch, Rosenheimer Landtagsabgeordneter der Freien Wähler, hatte Zumtobel schon im Sommer unterstellt, er verfolge mit dem Druck auf Bayern vor allem Österreichs Agenda. Zumtobel dränge deswegen so auf den Brenner-Nordzulauf, weil er Österreichs Traum von einer schnellen Verbindung zwischen Innsbruck und Wien mit einer neuen Trasse auf Bayerns Kosten wahrmachen könne. Dazu bräuchte es nur noch einen Abzweig bei Rohrdorf. Jetzt, nach Zumtobels Blockabfertigungs-Ansage zieht Lausch mit leisem Spott den Hut. „Zumtobel ist ein Rhetorik-Profi“, sagt er auf OVB-Anfrage. „Scheinheilig ist er jedenfalls nicht.“
Zuvor hatte Zumtobels Landsfrau und Vorgängerin im Amt des Tiroler Verkehrslandesrats, Ingrid Felipe, für den – nach Ansicht vieler Betroffener und Bürgermeister nicht gegebenen – Dialog geworben. Schließlich habe man so in Tirol die Menschen überzeugen können. Felipe ist mittlerweile Vorstandsmitglied bei der DB Infra, sie hat ohnehin ein starkes Interesse daran, dass der Brenner Nordzulauf vorangeht. René Zumtobel wiederum erhielt viel Beifall für seine Ansprache – allerdings nicht von den Vertretern der Region Rosenheim.
Die dürften sich, bei aller Kritik an dem Tiroler, durch Zumtobel eher bestärkt fühlen und weiterhin mehr Tunnel fordern. Tirol habe deswegen einen so hohen Tunnel-Anteil, weil es dort nur elf Prozent besiedelbare Fläche gebe. Wasser auf Stefan Lederwaschers Mühlen: „Wir im Inntal haben nicht mal elf Prozent.“