Geplanter Ausbau der Autobahn A8
Dritte Spur für die A8? Hoffnung für Ausbau-Gegner im Kreis Rosenheim – wegen Studie aus Dresden
Dritte Spur oder doch nur Standstreifen? Am geplanten Ausbau der A8 scheiden sich die Geister. Vor allem in der Region Rosenheim befürchten Gegner eines großen Ausbaus Lärm und Umweltschäden. Ein Gutachten nährt jetzt die Zweifel.
Rosenheim – Es fließt Wasser auf die Mühlen der Gegner eines Ausbaus der Bundesautobahn 8. Und dieses Wasser kommt aus den neuen Bundesländern: Die Technische Universität Dresden hat eine Studie vorgelegt, die Zweifel am Sinn eines Ausbaus auf sechs Spuren plus Standstreifen nährt. Die Kosten des Projekts seien höher zu veranschlagen als der Nutzen. Gegnern des Projekts macht die Studie Mut. „Ich habe schon mal schwärzer gesehen“, sagt Marlis Neuhierl-Huber vom Verein „Ausbau A8 – Bürger setzen Grenzen“.
Die Studie war noch von der scheidenden grünen Bundesumweltministerin Steffi Lemke in Auftrag gegeben worden. Das Resultat der Untersuchung wirkt wie eine Grätsche für den Bundesverkehrswegeplan, der aktuell Projekte des Bundes bis 2030 gewichtet. Denn in den Planungen für die Autobahn zwischen München und Salzburg – sie stammen im Kern aus dem Jahre 2013 – ist noch von einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,2 die Rede.
Ausbau A8: Mehr Kosten als Nutzen?
Ein Wert über eins ist noch gut für die Planer, er steht für ein positives Ergebnis. Nach der Studie der Dresdener Forscher ist der Nutzen viel geringer. Die „1“ vorm Komma ist bei ihnen verschwunden, die Verkehrsökologen haben einen Wert von 0,6 errechnet. Die massiven Ausbaupläne seien „nicht wirtschaftlich“, fassen die Verkehrsökologen von der Fakultät der Verkehrswissenschaften zusammen.
TU-Gutachter: Kosten krass unterschätzt
Die Dresdener Fachleute untersuchten außerdem, wie weit die Umwelt durch die Ausbau-Pläne vor allem im Landkreis Rosenheim betroffen sei. Gequert werden demnach mehrere Flora-Fauna-Habitate (FFH) und Vogelschutzgebiete. Bei zehn FFH-Gebieten und zwei Vogelschutzgebieten könnten „erhebliche Beeinträchtigungen“ nicht ausgeschlossen werden.
Das wiederum hatten die Planer durchaus im Blick. In die Kosten-Nutzen-Rechnung aber floss dieser Aspekt nicht wirklich ein. Die Bewertung im Bundesverkehrswegeplan nur nachrangig, dass die Bestandstrasse das Naturschutzgebiet „Mündung der Tiroler Achen“ durchfahre und weitere Naturschutzgebiete unmittelbar passiere. „Wir würden empfehlen, dass man generell stärker darauf achtet“, sagt Richard Hartl, der die Teamarbeit an der Studie schriftlich niederlegte. Allerdings: Beeinträchtigungen der Umwelt seien in finanzieller Hinsicht kaum zu bewerten.
CO2-Preise treiben Kosten für Verkehr
Hartl räumt ein, dass die Berechnung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses schwierig ist. Manchmal lässt sie auch Interpretationsspielräume. Was die Angelegenheit so unübersichtlich macht, sind die vielen Punkte der Gleichung. Und die Tatsache, dass sich der Wissensstand verändert.
Etwa, was die Kosten von Kohlendioxyd-Emissionen für die Volkswirtschaft angeht. Im Bundesverkehrswegeplan von 2016 ist von 145 Euro die Rede, auszugehen sei mittlerweile aber, so sagt Richard Hartl, von inflationsbereinigt 800 Euro globalen Schadenskosten, mit der eine Tonne zu veranschlagen sei. „Von dieser Summe wird auch das Verkehrsministerium bei künftigen Berechnungen ausgehen.“ Allerdings sei auch von einem steigenden E-Auto-Anteil auszugehen, was die Kosten in diesem Bereich wieder senke.
Großprojekte auf Prüfstand: Wo es immer hapert
Was sich seit geraumer Zeit kaum ändert, ist der Faktor, der die Kosten-Nutzen-Rechnung am stärksten verhagelt: Die Planer unterschätzen regelmäßig die Baukosten. 2024 lagen die Kosten bei Fernstraßen über 80 Prozent über den ursprünglichen Schätzungen. Das musste das Bundesverkehrsministerium im August vergangenen Jahres in seinem Bericht an den Haushaltsausschuss einräumen. In frühen Planungsphasen falle diese Fehlerquote sogar noch krasser aus. Zu diesem Schluss kommt unter anderem „Transport and Enviroment“, eine Dachorganisation, der auch der Naturschutzbund Deutschland angehört.
„Eine überschlägige Neubewertung kann man relativ leicht für viele Projekte anstellen“, sagt Hartl. Etwa ein Viertel aller Autobahnprojekte und auch zehn Prozent der prioritären Projekte, bei denen bestehende Straßen erweitert und Engpässe beseitigt werden, – so wie die A8 – könnten dadurch rechnerisch unwirtschaftlich werden. Sie sollten überdacht werden. Grundsätzlich empfehlen die Autoren, zuerst die vielen Projekte umzusetzen, die zu einem hohen gesamtwirtschaftlichen Nutzen führen. Dies würde Projekte wie die A8 in die ferne Zukunft verschieben.
Bürgerinitiative spürt leise Hoffnung
Das seien vielfach Punkte, „von denen wir schon lange wussten“, sagt Marlis Neuhierl-Huber vom Verein „Ausbau A8 – Bürger setzen Grenzen“. Sie und ihre Mitstreiter setzen sich für zwei Spuren plus Standstreifen ein, unter anderem wegen der Kosten und wegen des Flächenverbrauchs bei einem massiveren Ausbau im Landkreis Rosenheim. Wegen des Lärms fordern sie außerdem ein durchgehendes Tempolimit von 120 Stundenkilometern. Nicht umstimmen lässt sich Neuhierl-Huber von dem Argument, dass hochwertigere Lärmschutzmaßnahmen mit dem Bau einer dritten Spur verbunden seien. „Damit werden die Anwohner erpresst“, sagt sie. Vielleicht helfe die Studie, ein Umdenken herbeizuführen.
A8-Ausbau: Wirtschaft ist eindeutig dafür
Eine andere Perspektive hat die Wirtschaft. Für viele Unternehmen stehe „völlig außer Frage, dass es einen Ausbau der A8 braucht“. Das sagt Pressesprecher Florian Reil von der IHK für München und Oberbayern.
Die Kammer macht eine eigene Rechnung auf. Als Vertretung des wirtschaftlichen Gesamtinteresses wäge man zwischen Vor- und Nachteilen ab. Man sei aber – auch aufgrund der einhelligen Rückmeldungen unserer Mitgliedsunternehmen sowie der ehrenamtlich aktiven IHK-Gremien – der „festen Überzeugung“, dass der Bund an der Sanierung sowie an den Ausbauplänen für die A8 festhalten müsse.
Das äußert die Wirtschaft in ganz Südost-Oberbayern mehr oder weniger übereinstimmend: Nur mit einer leistungsfähigen Autobahn von München über Rosenheim nach Salzburg könne sich der Wirtschaftsraum weiterentwickeln und die gesamte Region als Teil der Achse zwischen Nord- und Süd- sowie Ost- und Westeuropa wachsen. Meint jedenfalls die Kammer: Das Stimmungsbild bei der gemeinsamen Sitzung der IHK-Regionalausschüsse im Berchtesgadener Land und Traunstein sei in dieser Hinsicht „einhellig“.
Nikolaus Binder, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Traunstein glaubt, dass es im Interesse der gesamten Wirtschaft in der Region sei, „wenn Unternehmensstandorte für Arbeitskräfte, Kunden und Zulieferer bestmöglich erreichbar sind und durch einen reibungslosen Verkehr auf der A8 die Gemeinden in der Umgebung entlastet sind“. Dass der Nutzen die Kosten übersteigt: für die Wirtschaft scheint das klar zu sein.