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86 Sekunden, die Fragen aufwerfen

Mordprozess in Traunstein: Was Hannas Handy über die Tatnacht preisgibt

Ortungsversuche: Wo sich der Angeklagte im Fall Hanna befindet, lässt sich meistens auf den Quadratmeter genau sagen. Anders verhält es sich mit der fraglichen Nacht auf den 3. Oktober 2022 in Aschau.
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Ortungsversuche: Wo sich der Angeklagte im Mordfall Hanna befindet, lässt sich aktuell meistens auf den Quadratmeter genau sagen. Anders verhält es sich mit Opfer und mutmaßlichem Täter in der fraglichen Nacht auf den 3. Oktober 2022 in Aschau.

Wer war wann wo? Das sind Schlüsselfragen im Mordprozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W. in Aschau. Am Donnerstag (30. November) wurden auch Kommunikationsdaten von Mobiltelefonen abgeglichen. Die Daten sagen einiges über die Nacht auf den 3. Oktober 2022 aus. Leicht zu lesen sind sie aber nicht.

Aschau/Traunstein – Der Teufel steckt im Detail, so heißt es. Besonders gilt das für diesen Mordprozess am Landgericht Traunstein. Es soll geklärt werden, was Hanna W. am frühen Morgen widerfahren ist. Und ob es Sebastian T. war, der ihren Tod verursachte. Es gibt keinen Tat-Zeugen, keine Mordwaffe, kein Geständnis. Alles beruht auf Indizien. Auf kleinsten Details.

Mordfall Hanna: In diesem Prozess gibt es keine Nebensächlichkeiten

Und dann passiert bei der Beweisaufnahme dies: Ein Polizeibeamter, zuständig für die Auswertung des Mobiltelefons von Hanna W., irrt sich im Datum. Er spricht vom Anrufprotokoll des 2. Oktober, über den letzten Anruf, getätigt um 2 Uhr 32 Minuten und neun Sekunden. Richterin Jacqueline Aßbichler unterbricht ihn. „Es müsste aber der 3. Oktober sein.“ Der Beamte sagt etwas davon, dass die Frage doch sei, warum der Anruf null Sekunden habe. Und Aßbichler widerspricht. „Ich muss den Anruf zeitlich einordnen können. Sonst bringt das hier gar nichts.“

Letztes Gespräch am 2. Oktober? Ein Tippfehler

Das ganze stellt sich als Tippfehler in den Aufzeichnungen heraus. Nichts Besonderes. Bei so einem komplizierten Prozess passieren Fehler. Unvermeidlich. An solchen Punkten aber wirken sie unglücklich. Wie Sandkörner im Getriebe, das ohnehin ruckelt. Es dauert auch diesmal, man unterbricht, die Sache klärt sich aber zumindest noch am Vormittag. Mit einem Ergebnis: Es scheint eine kritische Phase kurz nach halb drei Uhr am Morgen des 3. Oktober zu geben. 86 Sekunden, in denen sich der Angriff auf Hanna ereignet haben dürfte.

Dauerte der Angriff 86 Sekunden?

Auf Hannas Handy wurde um 2:32:09 Uhr angerufen. Der Sachverständige vermutet, dass der Kontakt – es war das Festnetztelefon ihrer Eltern – bewusst gewählt wurde. Es war ein Versuch, der Anruf kam nicht zustande. Danach – genau um 2.33:35 Uhr – verschwammen die Handy-Ortungsdaten, das GPS konnte das Gerät nicht mehr klar orten. Der Sachverständige nimmt an, dass damit der Zeitpunkt markiert ist, an dem das Handy ins Wasser des Bärbachs fiel. Nur noch einmal war das Gerät klarer zu orten. Hannas Nachbar, der sie nach Hause hatte begleiten wollen, hatte zweimal auf dem Mobiltelefon der 23-Jährigen angerufen, aber keine Verbindung aufbauen können. Eine automatische SMS über die versäumten Anrufe erreichte das Handy jedoch gegen 2.40 Uhr. War es kurz aus den Fluten der Prien aufgetaucht? Der Ermittler wollte es nicht ausschließen.

Handy-Versenken für Temperaturtests

Auch die Handy-Temperatur, der Batteriesensor hat sie aufgezeichnet, fällt nach 2.33 Uhr ab. Der Schluss liegt nahe, dass das Handy mit Hanna ins Wasser fiel. Kurz darauf muss die Medizinstudentin ertrunken sein. Diese Auswertung muss allerdings noch erhärtet werden. Deswegen sollen auf Antrag der Verteidigung zwei Tests gemacht werden: Ein Handy soll in 9,3, beziehungsweise 9,8 Grad kaltes Wasser gelegt werden und die Sensor-Werte ausgelesen werden. Zwischen 9 und 10 Grad: So kalt muss die Prien in jener Nacht gewesen sein.

Der Prozess ist kompliziert und wird noch komplizierter

Auch dieser Handy-Versuch ist ein Beleg dafür, wie kompliziert sich der Prozess mittlerweile gestaltet. Wie sehr sich die Beweisaufnahme in den vergangenen sechs Wochen verästelt hat und noch weiter verästeln wird. Und auf dem Gebiet der Telekommunikation ist die Aufklärung besonders mühselig. „Beim letzten Termin mit den Geo-Daten hatte ich den Eindruck, dass die Leute nicht mehr folgen konnten“, sagte Richterin Aßbichler zu Beginn des 16. Verhandlungstages.

Sieben Polizeibeamte versuchten danach nochmals ihr Bestes. Ihre Mission: zu erklären, welche Geo-, Funkzellen- und Verbindungsdaten gewonnen werden konnten. Und was diese Daten besagen. Und zwar so, dass die Leute folgen konnten. Es gelang mal mehr, meist weniger. „Ich verstehe Sie schlecht, ich verstehe kaum ein Wort“, sagte Jacqueline Aßbichler einmal, was wohl der mäßigen Akustik des Saals geschuldet war, aber sicher auch der Komplexität des Gesagten.

So viel scheint auch nach dem zweiten IT-lastigen Verhandlungstag klar: Auch mit Handy-Daten sind keine lückenlosen Rekonstruktionen von Wegen und Aufenthalten möglich. Schon gar nicht metergenau – ja, wie die Ermittler dann doch überzeugend darlegten, nicht einmal unbedingt auf den Kilometer genau. Als Hannas Handy im Wasser versank, geriet die Versorgung mit GPS-Daten endgültig an ihre Grenzen.

Prozess um Hannas Tod: Was nun zu erwarten ist

Nächste Woche werden nochmals die Hauptbelastungszeugin und ihre Schwester befragt werden. Verena R. hatte zuletzt auf audiovisuellem Wege – über eine Video-Schalte – ausgesagt. Doch auch bei ihrer zweiten Aussage hatte sie ihre Widersprüche nicht ausräumen können. Nach der erneuten Aussage der beiden Schwestern wird es zunehmend schwierig, Termine zu finden. Nicht nur, weil die Prozessbeteiligten auch noch andere Verfahren zu bewältigen haben. Sondern weil auch das Justizgebäude in Traunstein an seine Grenzen stößt.

Auswärts an einem der nächsten Termine?

Am 12. Dezember sollen nochmals Chatverläufe, Sex- und Gewaltvideos sowie Gewaltspiele auf Sebastian T.s Mobiltelefonen untersucht werden. Auch direkt vor und nach dem fraglichen 3. Oktober 2022 hatte Sebastian T. sich auf einschlägigen Seiten herumgetrieben, dieser 12. Dezember könnte also auch wichtige Aufschlüsse über die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten bringen.

Doch an diesem Tag ist aktuell kein Saal in Traunstein für die Verhandlung frei. Richterin Aßbichlers Ansage hörte sich wie ein Ruf nach Unterstützung durch den Freistaat an: „Wenn uns die Justiz nicht hilft, müssen wir einen Sitzungssaal woanders finden und da hinfahren.“ Möglich wäre laut Aßbichler ein Auswärtstermin zum Beispiel in Rosenheim, Laufen oder München. Das alles müsse man in Betracht ziehen – sonst sei man Ende 2024 noch immer nicht fertig. Dass sich der Prozess bis März 2024 hinziehen könnte, hatte Jacqueline Aßbichler bereits am Tag zuvor gesagt.

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